BEETHOVENS ERFOLG
ALS JUNGER KOMPONIST
(1795 - 1801)


Beethoven trat als Komponist Ende März 1795 an die Öffentlichkeit und etablierte sich während dieses Jahres durch folgende Auftritte, Verträge und Aktivitäten als beachtenswerter neuer Komponist in Wien:

"Written by the Imperial Kapellmeister Süßmayr, for the smaller room by the master hand of Hr. Ludwig van Beethoven out of love for the artistic fraternity" (Thayer: 177; Thayer schreibt hier, dass diese Tänze vom früheren Mozartschüler, dem Kaiserl. Kapellmeister Franz Xaver Süßmayr, geschrieben wurden und im kleineren Saal 'von der Meisterhand von Hr. Ludwig van Beethoven aus Liebe zur Kunstbruderschaft');

Während auch Beethovens jüngerer Bruder Nikolaus Johannes gegen Ende dieses Jahres in Wien eintraf und dort bald eine Anstellung als Apotheker in der Hl.-Geist-Apotheke fand, schmiedete Beethoven wohl bereits Reisepläne für das nächste Jahr, die ihn nach Prag und Berlin führen sollten..  Sein wichtigster Gönner, Fürst Lichnowsky, in dessen Haus er auch teilweise während seiner Studienzeit wohnte, reiste mit ihm nach Prag (wie es dieser bereits 1789 mit Mozart getan hatte).  Aus Beethovens Brief vom 19. Februar 1796 an seinen Bruder Nikolaus Johannes erfahren wir:

"Prag, den 19. Februar [1796]

Lieber Bruder! Nun daß Du doch wenigstens nur weißt, wo ich bin und was ich mache, muß ich Dir doch schreiben. Fürs erste geht mir's gut, recht gut. Meine Kunst erwirbt mir Freunde und Achtung. Was will ich mehr. Auch Geld werde ich diesmale ziemlich bekommen. Ich werde noch einige Wochen verweilen hier und dann nach D r e s d e n, L e i p z i g und B e r l i n reisen. Da werden wohl wenigstens sechs Wochen dran gehen, bis ich zurckkomme. -- Ich hoffe, daß Dir Dein Aufenthalt in Wien immer besser gefallen wird. Nimm Dich nur in acht vor der ganzen Zunft der schlechten Weiber. Bist Du schon bei Vetter Eiss [?] gewesen? Du kannst mir einmal hierher schreiben, wenn Du Lust und Zeit hast.

F. Linowski wird wohl bald wieder nach Wien, er ist schon von hier weggereist. Wenn Du allenfalls Geld brauchts, kannst Du keck zu ihm gehn, da er mir noch schuldig ist. Übrigens wünsche ich, daß Du immer glücklicher leben mögest, und ich wünsche etwas dazu beitragen zu können. Leb wohl, lieber Bruder und denke zuweilen

an Deinen wahren
treuen Bruder
L. Beethoven.

Grüße Bruder Caspar.

Meine Adresse ist
im goldenen Einhorn auf
der Kleinseite" (Schmidt, Beethofen=Briefe: 10).

Wie daraus hervorgeht, brachte ihm sein Aufenthalt in Prag Erfolg und neue Freunde.  Während Fürst Lichnowsky also bereits am 19. Februar auf seinem Weg zurück nach Wien gewesen zu sein scheint, reiste Beethoven Ende April nach Dresden.  Dort hielt er sich etwa eine Woche auf, spielte vor dem Kurfürsten und erhielt von ihm eine Schnupftabakdose zum Geschenk, und machte sich dann über Leipzig auf seinen Weg nach Berlin.  Sein dortiger Aufenthalt kann wohl als der erfolgreichste Teil dieser Reise betrachtet werden.  Bei Hofe, für König Friedrich Wilhelm II., spielte er die zwei großen "Sonaten mit obligatem Violoncell", op. 5, die er für dessen Cellisten Duport komponiert hatte.  Die Möglichkeit, dass Beethoven eine Einladung erhielt, in Berlin zu bleiben, kann nicht ausgeschlossen werden.  Allerdings betrachtete er das adelige Berliner Publikum teilweise als "verwöhnte Kinder", die während seiner Darbietungen schluchzten und weinten.  Am meisten schätzte er Prinz Louis Ferdinand, und zwar wegen seines ausgezeichneten Klavierspiels.  Er soll ihm das Kompliment gemacht haben, dass er nicht wie ein Prinz, sondern wie ein Berufsmusiker spiele.  Beethoven nahm jedoch eine eventuelle Berliner Einladung für einen längeren Aufenthalt nicht an und kehrte im Sommer nach Wien zurück.  Aus eventuellen weiteren "sechs Wochen" vom 19. Februar an waren also noch einige weitere Monate geworden!

Im November dieses Jahres trat Beethoven erfolgreich in Pressburg und Pest auf und versuchte dort auch, durch sein Spiel das Klavier seines Freundes Johann Andreas Streicher populär zu machen.  (Der Stuttgarter Streicher war jener Freund Schillers, mit dem dieser 1782 nach Mannheim floh.  Später heiratete der Klavierbauer die Tochter des Augsburger Klavierbauers Stein, Nanette Stein, und verlegte deren Familienbetrieb nach Wien.)  Am 19. November schrieb Beethoven an ihn aus Pressburg:

"Lieber Streicher!

Vorgestern erhielt ich Ihr Fortepiano, das sich als wirklich ausgezeichnet bewährte. Jedermann will eines besitzen, und ich--Sie können darüber ruhig lachen, ich würde lügen, wenn ich Ihnen nicht sagen würde, dass es für mich zu gut ist, und warum?--weil es mir meine schöpferische Freiheit nimmt, den Ton selbst zu erzeugen. Trotzdem wird Sie das nicht daran hindern, alle Fortepianos auf diese Weise anzufertigen, es wird wohl wenig Leute geben, die solche Sondereinwände haben.

Meine Akademie findet am Mittwoch, dem 23ten dieses M[onats] statt. Falls Stein kommen möchte, werde ich sehr froh sein, ihn zu sehen, er kann damit rechnen, bei mir zu übernachten.--Den Verkauf des Fortepianos betreffend, dieser Gedanke war mir schon vor Ihnen gekommen und ich werde sicher dafür Sorge tragen.--Ich danke Ihnen herzlich, lieber St., für Ihre Bereitwilligkeit, mir so gut zu Diensten zu sein. Ich wollte nur, daß ich Ihnen Ihre Güte irgendwie vergelten könnte und daß Sie, ohne daß ich Ihnen das sagen muß, überzeugt wären, wie sehr es mein Wunsch ist, den Wert Ihrer Instrumente hier und überall anerkannt zu sehen, und wie sehr ich Ihre Freundschaft schätze und wie sehr ich mir wünsche, daß Sie mich als Ihren wahren und warmen Freund Beethoven betrachten.

Pressburg, am 19ten November anno 96 post Christum Natum

Alles Liebliche Ihrer Gattin und Braut und Bräutigam" (Ins Deutsche rückübersetzt aus: Thayer: 188 - 189).

Beethovens Verbleib während der zwei oder drei Monate nach seiner Rückkehr aus Berlin nach Wien und vor seiner Reise nach Ungarn ist bis heute noch nicht geklärt.  Viele Beethovenforscher diskutierten die Frage, ob Beethoven in diesem Jahr oder erst 1797 von jener Infektionskrankheit heimgesucht wurde, von der der Salzburger Arzt, Professor Weissenbach, der Beethoven 1814 in Wien kennenlernte und freundschaftlichen Umgang mit ihm pflegte, aus seinen Gesprächen mit Beethoven berichtet.  Seiner Erinnerung zufolge soll Beethovens Gehörverlust auf diese Krankheit zurückzuführen sein bzw. soll Beethoven selbst dieser Auffassung gewesen sein.  Heute halten die meisten Biografen (so auch Cooper: 72) 1797 für das wahrscheinlichere Jahr dieser Ansteckungskrankheit, deren genaue Natur uns nicht bekannt ist.  

In den Jahren 1797 - 1801 konnte Beethoven seinen Erfolg als junger Komponist und Spitzenvirtuose in Wien festigen.  Sie sahen auch die Entstehung jener Werke der sogenannten ersten, 'klassichen' Periode Beethovens, in denen einerseits noch Spuren seiner großen klassichen Vorbilder Haydn und Mozart zu finden sind, während er sie bereits mit seinem eigenen musikalischen Geist und Genie bereicherte.  (Während dieser Zeit unternahm Beethoven zwei weitere Reisen, von der ihn die erste im Herbst 1798 nach Prag führte, und eine zweite Reise nach Ungarn im Frühjahr 1800, um dort mit Wenzel Stich (Giovanni Punto) aufzutreten und danach das nahe Brunsvik'sche Gut zu besuchen.)

Diese Jahre sahen jedoch auch Beethovens wachsendes Selbstvertrauen in seine Fähigkeiten und seine einerseits oft schroffe, andererseits oft sehr sensible Art im Umgang mit jenen, die sein Selbstvertrauen nicht teilten.  Darin spiegelt sich auch die Dualität seines Wesens in dieser Zeit wider, die ihn einerseits die Verehrung seiner Gönner genießen ließ, sie andererseits aber auch ablehnen ließ, falls sie ihm in seinem Unabhänigkeitsdrang zu viel wurde.

Seine wachsende Beliebtheit als Lehrer junger Damen der Adelskreise brachte seinen Namen mit mehreren jungen Damen dieser Gesellschaftsschicht in Verbindung; Beethovens Freund Wegeler, der Wien 1796 wieder verließ, schrieb in bezug auf Beethovens Beziehungen zu Frauen in dieser Zeit Folgendes:

"In Vienna Beethoven was always involved in a love affair, at least as long I lived there, and sometimes made conquests which could have been very difficult indeed, if not impossible, for many an Adonis" (Wegeler/Ries: 43; "In Wien war Beethoven immer in eine Liebschaft verwickelt, zumindest so lange ich dort lebte, und machte manchmal Eroberungen, die tatsächlich für manchen Adonis sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, gewesen wären").

Dazu kommentiert Maynard Solomon, dass die Ablehnung von Beethovens Heiratsantrag durch die aus Bonn nach Wien übersiedelte Sängerin Magdalena Willmann im Jahr 1795 (von Cooper jedoch als nicht zuverlässige Information aus zweiter Hand bezeichnet) und seine ethischen Grundsätze auf Kant'scher Basis, die ihm hauptsächlich als Ansporn dazu dienten, der Gesellschaft durch seine Kunst zu dienen, und seine Überidealisierung der Frauen  nicht ganz zu Wegelers Beschreibung passen.

In diese Jahre fallen auch die Anfänge von Beethovens Freundschaft mit Mitgliedern des Wiener Adels wie Baron Zmeskall (der Beethovens Schreibfedern zu spitzen pflegte) und mit Musikerkollegen wie Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Schuppanzigh. Seine engsten Freunde dieser Zeit waren jedoch Lenz von Breuning, der bis 1797 in Wien blieb und 1798 verstarb, und Carl Friedrich Amenda, ein baltischer Theologe und Laienmusiker (Geiger), der sich von 1797 bis 1799 in Wien aufhielt.

 



Carl F. Amenda

Zu diesen Freunden und Bekanntschaften kamen dann im Frühjahr 1799 die Mitglieder der ungarischen Familie von Brunsvik hinzu.  (Als Münchnerin finde ich hier interessant, dass der Vorfahre der ungarischen Brunsviks ein Sohn Herzogs Heinrich des Löwen [von Braunschweig!], des "Gründers" Münchens war, der auf seiner Rückkehr von einem Kreuzzug in Ungarn hängenblieb und sich dort ansiedelte).  Gräfin von Brunsvik brachte ihre Töchter Therese und Josephine nach Wien, um ihnen dort gesellschaftlichen Schliff angedeihen zu lassen.  Beethoven erteilte beiden Mädchen Klavierunterricht.  Gräfin von Brunsvik arrangierte für ihre Tochter Josephine, damals gerade zwanzig Jahre alt, eine Heirat mit dem 49-jährigen Grafen von Deym, dem Besitzer eines Kurositäten- und Wachskabinetts.  (Beethoven erwähnte in seinem Schreiben vom Sommer 1799 sein verwundetes Herz, was früher oft mit seinem angeblichen, fehlgeschlagenen Heiratsantrag an Madgalena Willmann in Verbindung gebracht wurde.  Einerseits siedelt Solomon dieses Ereignis im Jahr 1795 an, andererseits schenkt Cooper dieser "Information aus zweiter Hand" geringe Glaubwürdigkeit.  Sowohl diese auseinandergehenden Meinungen als auch die Möglichkeit, dass es sich im Sommer 1799 möglicherweise, jedoch nicht erwiesenermassen, bei seinem Gemütszustand um seine Enttäuschung über die Verheiratung Josephine von Brunsviks gehandelt haben mag, laden zu weiterem Nachdenken über diesen "wunden Punkt" ein). 





Josephine
von Brunsvik



Therese
von Brunsvik


Im Sommer 1801 trat jedoch Beethovens Gehörverlust in den Vordergrund und machte aus dem erfolgreichen jungen Komponisten, der von seinen Gönnern verehrt und von seinen pianistischen Konkurrenten dieser Jahre (wie Cramer, Woelffl und Steibelt) einerseits herausgefordert, andererseits entweder abgelehnt oder respektiert wurde, einen verzweifelten Einsiedler.  Darauf werden wir im nächsten Abschnitt eingehen.