BEETHOVENS HERKUNFT


Beethovens früheste Vorfahren sind um 1500 in Flandern und Brabant (heute zu Belgien gehörend) zu finden.  

Sie waren meist als Handwerker und Kunsthandwerker beschäftigt.  Im 17. Jahrhundert lebten Beethovens unmittelbare Vorfahren in und um die Stadt Mechelen (Malines).  Sein Urgroßvater, ursprünglich ein Bäcker, wandte sich dann dem Verkauf von Spitzenwaren und anderen Luxusgegenständen zu und erlitt in diesem Geschäft dann auch seinen finanziellen Schiffbruch.

Beethovens 1712 geborener Großvater Ludwig war sehr musikalisch und hatte auch eine schöne Stimme. Daher sandten ihn seine Eltern zur Chorknabenschule der Kathedrale von Mechelen.  Später erlernte er auch das Orgelspiel.  Eine seiner ersten Anstellungen war die eines Baritonsängers und Chorleiters der Kathedrale von Lüttich (Liege).  Dort hat ihn wahrscheinlich der damalige Bonner Kurfürst, der nicht nur Kardinal von Köln, sondern auch Bischof von Lüttich war, im Jahr 1733 singen gehört und ihn aufgefordert, in seine Bonner Dienste zu treten.  Sobald Ludwig van Beethoven dort in seiner Stellung als Hofsänger Fuß gefaßt hatte, folgten ihm auch seine verarmten und verschuldeten Eltern nach.

Zu dieser Zeit hatte die etwas verschlafene Stadt Bonn nicht ganz 10.000 Einwohner und diente dem Kurfürsten und Kardinal von Köln als Residenzstadt.  In bezug auf die damalige Regierungsform eines deutschen Kurfürstentums, dessen Kurfürst auch ein Bischof oder Kardinal war, lässt sich Folgendes zur Erläuterung anfügen:

Die meisten dieser "geistlichen" Kurfürsten brauchten aber nicht so viel Zeit für ihre geistliche Ausbildung zu "verschwenden" wie andere Geistliche.  Es wurde ihnen auch oft von ihrem Amtsantritt eine Frist von zehn Jahren gewährt, bevor sie sich dem priesterlichen Zölibat unterzuordnen hatten.  Während dieser Zeit genossen viele ihr Leben an der Seite ihrer Maitressen (Geliebten) und ihrer Kinder aus diesen Verbindungen.  Einige von ihnen setzten diesen Lebensstil sogar nach dieser Zehnjahresfrist fort.

 



Großvater
Louis oder Ludwig
van Beethoven



Großvater Ludwig van Beethoven stand vierzig Jahre lang im Dienst des Bonner Hofes:  Als Baritonsänger von 1733 bis 1761, und sowohl in dieser Kapasität als auch in der des Hofkapellmeisters von 1761 bis zu seinem Tod am 25. Dezember 1773 (er erlitt einen Schlaganfall).  Bald nach seiner Ankunft in Bonn heiratete er Marie Poll (oder Ball).  Das Paar hatte den Verlust mehrerer Kinder zu betrauern.  Nur ihr Sohn Johann, der entweder Ende 1739 oder Anfang 1740 zur Welt kam, überlebte seine Kindheit.  Neben seinem Dienst als Hofmusiker betrieb der Flame Ludwig van Beethoven auch noch einen Exporthandel mit Rhein- und Moselweinen in seine flämische Heimat.

Seine Gattin Marie, der es vielleicht schwer fiel, den Verlust ihrer Kinder zu verschmerzen, griff oft zum reichlich vorhandenen Wein.  Zu der Zeit, als ihr Sohn Johann am Bonner Hof als mittelmäßig begabter Tenorsänger angestellt wurde, war ihre Trunksucht bereits so weit fortgeschritten, dass sie sich im Kölner Ursulinenkloster in Pflege befand.  Ludwig van Beethoven und sein Sohn Johann lebten von da an als Junggesellen in einem gemeinsamen Haushalt.

 



Vermutlich
Johann
van Beethoven



"Johann der Läufer", wie der Kapellmeister seinen Sohn auch nannte, unternahm gerne Wanderungen durch die Umgebung Bonns.  Wenn der Kurfürst sich zu seinem Sommeraufenthalt nach seiner Residenz im westfälischen Münster begab, mussten ihn nicht alle Hofmusiker begleiten.  Johann nutzte diese Zeit für seine Wanderschaften aus.  Eine dieser Wanderungen führte ihn nach Koblenz und Ehrenbreitstein, an der Moselmündung in den Rhein.

(*Die jüngere Beethovenforschung von Canisius stellte auch die Frage, ob Großvater Ludwig van Beethoven vielleicht nicht der natürliche Vater Johanns gewesen sei.  Falls dies wirklich zuträfe, müsste Marie Polls (oder Balls) späteres Suchtverhalten vielleicht auch unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.)

Auf einer seiner Wanderungen lernte Johann in einem Ehrenbreitsteiner Wirtshaus die junge Witwe Maria Magdalena Laym, geb. Kewerich kennen. Ihr Vater war oberster Koch des Kurfürsten von Trier, der seine Residenz in Ehrenbreitstein hatte.  Als sie sechzehn Jahre alt war, heiratete sie einen Diener des Kurfürsten.  Diese kurze Ehe brachte der jungen Mutter Beethovens jedoch nicht viel Glück, da sowohl ihr Kind aus dieser Ehe als auch ihr Gatte bald verstarben.

Johann van Beethoven und Maria Magdalena Laym, geb.Kewerich, heirateten 1767 in Bonn.  Großvater Ludwig van Beethoven war anfangs gegen diese Verbindung.  Er vertrat die Ansicht, dass sein Sohn eine Gattin aus einer besseren Familie als der eines Hofbediensteten heiraten sollte.  Wir wissen dies aus dem sogenannten "Fischer-Manuskript", einer Sammlung der Erinnerungen der Bäckersfamilie Fischer an die Beethovens, von denen sowohl Ludwig als auch Johann van Beethoven für einige Jahre ihre Mieter waren.  Die zwei Junggesellen lebten zu dieser Zeit im Fischer-Haus, und zwar im Stockwerk über den Fischers, so dass diese ihre heftigen Auseinandersetzungen in bezug auf Johanns Heiratspläne mit anhören konnten.

Das Eheglück des jungen Paares trübte sich zum erstenmal, als ihr erstgeborener Sohn, Ludwig Maria, der im Frühjahr 1769 zur Welt kam, nach nur sechs Tagen starb.

Man kann fast zur Auffassung gelangen, dass das Schicksal der Beethovens in Bonn von einigen, wenigen Erfolgen und vielen tragischen Ereignissen geprägt wurde.  Ludwig van Beethoven erlebte in Bonn beruflichen Erfolg und errang die Achtung seiner Vorgesetzten, aber auch seiner Bonner Mitbürger.  Im Privatleben warf der damals wohl als "normal" zu betrachtende Verlauf seiner Ehe, nämlich der eines Paares, das den Verlust vieler Kinder zu betrauern hatte, einen Schatten auf seine Ehe und trug vielleicht auch zur Trunksucht seiner Gattin bei.

Sein Sohn Johann war als Sänger und Musiker zwar nicht ganz so begabt wie er und mag seine Anstellung wohl seinem guten Ruf verdankt haben, legte jedoch, wie Cooper einwendet, in den ersten Jahren seiner Ehe einigen Fleiss als Hofsänger und Gesangs- und Klavierlehrer an den Tag.  In seinem Auftreten war er jedoch auch nicht so selbstbewusst wie sein Vater, sondern versuchte sich entweder durchzuwinden oder über Gebühr aufzutrumpfen.


 



Vermutlich
Maria Magdalena
van Beethoven



Die junge Witwe Maria Magdalena, die neunzehn Jahre alt war, als sie Johann van Beethoven heiratete, war eine ernste junge Frau, die schon den Verlust eines Kindes in erster Ehe und den Tod ihres ersten Gatten zu betrauern hatte.  Der Verlust ihres ersten Sohnes in ihrer zweiten Ehe wird bestimmt nicht dazu beigetragen haben, ihre Stimmung aufzuhellen.

Dies war die Familie, in die Ludwig van Beethoven hineingeboren wurde.