BEETHOVENS WIENER STUDIENJAHRE
(1792 - 1795)


Anfang November 1792 reiste Beethoven wahrscheinlich nicht mit allzuviel Gepäck nach Wien. Jene Zweige der Beethovenforschung, die sich mit psychologischen Aspekten befassen, warten jedoch mit einigem Material auf, aus dem wir ersehen können, dass Beethovens emotionale Belastung, mit der er nach Wien reiste, bereits sehr beachtlich war.  Maynard Solomons Arbeit auf diesem Gebiet liefert uns--zumindest bis heute--die verständlichste Übersicht dazu.  Diese möchte ich von meinem Verständnis her wie folgt zusammenfassen:

Diese kurze Diskussion soll dazu dienen, uns vor Augen zu führen, warum Beethoven nach seiner Ankunft in Wien im November 1792 nicht nach Bonn zurückkehrte, als er Nachricht vom Tod seines Vaters im Dezember 1792 erhielt.  Es ist nicht auszuschließen, dass Vater Johann van Beethoven bereits ernstlich krank war, als Beethoven Bonn verließ.  Es besteht daher die Möglichkeit, dass Beethovens Drang, sich künstlerisch zu vervollkommnen und seinen eigenen Weg zu gehen,  ihn davon abhielt, einem ohnehin schon verlorenen Kampf, nämlich den um die Gesundung seines Vaters, kostbare Zeit zu widmen.  Wenn man Solomon glauben darf, habe Johann van Beethoven mit seinem Verhalten Beethoven gegenüber diesen bereits  "numerous emotional deaths" (zahllosen emotionalen Toden) ausgesetzt und dass sein Vater als Alkoholiker "had committed countless acts of suicide" (zahllose Selbstmordversuche) in den Augen seiner Familie begangen hatte.  Solomon argumentiert weiter, dass Beethoven seine Familienangelegenheiten durch sein Gesuch vom November 1789 vielleicht als "erledigt" betrachtet hatte und sich danach nicht fortwährend in aufwühlender Weise damit befassen wollte.

Wir sollten dieses Thema hier am besten mit einem Blick auf die Auswirkungen von Johann van Beethovens Tod abschließen.  Franz Ries stand der Familie in Bonn wieder sehr hilfreich zur Seite, während Beethoven ein Gesuch an den Bonner Hof richtete, um den Unterhalt seiner dort zurückgebliebenen Brüder durch sein eigenes Gehalt zu sichern.  Diese Angelegenheiten wurden dann auch im Laufe des Jahres 1793 geregelt.  Dieses Gesuch birgt auch einen Überraschungseffekt in sich:  Nach dem Erlass vom November 1789 hatte Ludwig van Beethoven eingewilligt, als sein Vater ihn bat, doch die an seinen Sohn zu zahlenden 100 Reichstaler an ihn auszahlen zu lassen, wobei er versprach, diese Summe dann seinem Sohn selbst zu überlassen.  Solomon sieht dies als Zeichen von Beethovens Integrität seinem Vater gegenüber.  Geben wir hier jedoch Beethoven selbst das Wort:

"Hochwürdigst-Durchlauchtigster Kurfürst! Gnädigster Herr!

Vor einigen Jahren geruhten Ew. Kurfürstliche Durchlaucht, meinen Vater, den Hoftenoristen van Beethoven, in Ruhe zu setzen und mir von seinem Gehalte 100 Rtlr. durch ein geneigtestes Dekret in der Absicht zuzulegen, daß ich dafür meine beide jüngere Brüder kleiden, nähren und unterrichten lassen, auch unsere vom Vater rührenden Schulden tilgen sollte.

Ich wollte dieses Dekret eben bei Höchstdero Landrentmeisterei präsentieren, als mich mein Vater innigst bat, es doch zu unterlassen, um nicht öffentlich dafür angesehen zu werden, als sei er unfähig, seiner Familie selbst vorzustehen, er wollte mir (fügte er hinzu) quartaliter die 25 Rtlr. selbst zustellen, welches auch bisher immer richtig erfolgte.

Da ich aber nach seinem Ableben [so im Dezember v.J. erfolgte] Gebrauch von Höchstdero Gnade durch Präsentierung obbenannten geneigten Dekrets machen wollte, wurde ich mit Schrecken gewahr, daß mein Vater selbes unterschlagen habe.

In schuldigster Ehrfurcht bitte ich deshalb Eure Kurfürstliche Durchlaucht um gnädigste Erneuerung dieses Dekrets, um Höchstdero Landrentmeisterei anzuzeigen, mir letzhin verflossenes Quartal von dieser Zulage (so anfangs Februar fällig war) zukommen zu lassen.

Euer Kurfürstlichen Durchlaucht

Untertänigster Treugehorsamster

Lud. v. Beethoven, Hoforganist" (Ley:61 - 62).

Hierzu die Verfügung der Kurfürstlichen Hofkammer:

"Bonn, den 3. Mai 1793.

Dem Supplikanten wird, auf sein untertänigstes Bitten, zu seinen bereits genierenden einhundert Reichstalern jährlich ferner dem 1ten Jänner a.e. anzufangen, aus dem durch den Tod seines Vaters erledigten Gehalt von zweihundert Reichstalern hiermit gnädigst zugelegt, und sollen ihm auch die zur Erziehung seiner Geschwister gütigst verwilligten drei Malter Korn ferner abgereicht werden. Wonach kurfürstliche Hofkammer das Fernere zu verfügen hat" (Ley: 62).

Wenn wir also zusammenfassend feststellen können, dass Beethoven mit seiner Abreise aus Bonn auch seine unlösbaren Konflikte mit seinem Vater hinter sich ließ, wird uns klar, dass er sich damit von dieser Last befreit erachtete und sich mit voller Kraft auf seine Ausbildung konzentrierte, während er andererseits nach dem Tod seines Vaters für den Unterhalt seiner Geschwister Sorge trug. Wie er dann seine Energie auf seinen Fortschritt als Komponist und Klaviervirtuose konzentrierte, fand in folgender Weise seinen Ausdruck:

 

 



Joseph Haydn 

In bezug auf Beethovens Kontrapunktstudien unter und seine Beziehung zu Franz Joseph Haydn sollten wir unser Augenmerk auf Barry Coopers Anmerkungen dazu in seiner neuen, im Jahr 2000 erschienenen Beethovenbiografie lenken. Sein erster wichtiger Kommentar befasst sich mit Beethovens Kontrapunktübungen und mit seinem bisher kaum bestrittenen "heimlichen" Kontrapunktstudium unter Schenk:

"Beethoven's main purpose in visiting Vienna had been to study composition with Haydn, and he began shortly after arrival, continuing throughout 1793. Haydn's teaching was based mainly on Fux's Gradus ad Parnassum, and his customary method was to teach the rules of counterpoint (such as those concerning parallel fifths) before making the student work through exercises in each species of counterpoint in two voices, then each species in three voices, then in four, resulting in about 300 exercises altogether. Beethoven's copy of the rules is lost, but about 245 of his exercises survive, some with corrections probably in Haydn's hand. (7) It has sometimes been assumed that such a large number of exercises was spread through most of the year. However, it has not hitherto been noted that the ink used in these exercises is absolutely and strikingly consistent, while other Beethoven manuscripts from the same year show a variety of inks, mostly of a darker shade. (8) The conclusion must be, therefore, that these exercises were written rapidly, in perhaps less than six weeks. Beethoven's numerous errors also suggest a certain hastiness in his completion of the exercises. Haydn marked a few of the errors, but he did not pedantically annotate every one; many were probably just discussed orally, and it cannot be assumed from the unmarked ones, as many writers have done, that he took insufficient care with his pupil's work. One notable feature of the exercises is that they were based in the church modes, enabling Beethoven to become thoroughly acquainted with composing in the modal system--a sound he was to return to in some of his late works.

According to a well-known and widely believed account written by Johann Schenk in 1830, Beethoven grew dissatisfied with Haydn's teaching after about six months, and from then on Schenk secretly helped Beethoven with his counterpoint exercises, without payment; Beethoven had to write out each exercise after Schenk had corrected it, so that Haydn would think it was Beethoven's own work. There are, however, inaccuracies and inconsistencies in Schenk's account, and it cannot be reconciled with the 245 counterpoint exercises in Beethoven's hand. This manuscript can hardly be the fair copy incorporating Schenk's corrections, since it contains a large number of grammatical errors but no obvious copying errors. It could be the version presented initially to Schenk (since the annotations have not been confirmed as being in Haydn's hand); but if so, Schenk overlooked a surprisingly large number of errors, and it would be odd that Beethoven preserved this version rather than the corrected one. Coupled with numerous other inaccuracies in Schenk's account, however, these problems indicate that the entire story was probably invented by Schenk in an attempt at self-aggrandizement. (9)"

 (Cooper: 43-44; Fettdruck und Kursivschrift durch die Websiteautorin

Cooper argumentiert hier, dass der Hauptzweck von Beethovens Wien-Aufenthalt sein Kontrapunktstudium unter Haydn war, und dass er damit kurz nach seiner Ankunft begonnen und es 1793 weiterbetrieben habe. Haydns Unterricht habe hauptsächlich auf dem Werk von Fux, Gradus ad Parnassum, basiert, und dabei sei Haydn so vorgegangen, dass er seinen Schüler zuerst die Regeln des Kontrapunktes lehrte (wie z.B. die der parallelen Fünftel), bevor er ihm Übungen dazu auftrug, und diese dann zuerst im zweistimmigen, dann im dreistimmigen und vierstimmigen Kontrapunkt, was insgesamt etwa auf 300 Übungen kam. Beethovens Regelbuch sei verlorgengeganen, aber ungefähr 245 seiner Übungen hätten überlebt, von denen Haydn einige eigenhändig korrigiert habe. (7) Es sei bisher oft angenommen worden, argumentiert Cooper, dass eine so große Anzahl von Übungen sich über das ganze Jahr verteilt haben müsse. Jedoch habe man bis jetzt noch nicht beachtet, dass die Tinte, die zur Niederschrift dieser Übungen verwendet wurde, bemerkenswert konsistent sei, während andere Beethovemanuskripte dieses Jahres eine Vielfalt verschiedener Tinten aufweise, und zwar meist dunklerer Farbe. (8) Der Schluss, der laut Cooper daraus zu ziehen sei, sei der, dass diese Übungen sehr schnell nacheinander geschrieben worden sein müssen, vielleicht innerhalb von sechs Wochen. Beethovens viele Fehler ließen auch auf eine gewisse Eile in der Fertigstellung schließen. Haydn habe einige seiner Fehler korrigiert, jedoch nicht alle pedantisch angestrichen. Viele seien wahrscheinlich mündlich durchgesprochen worden, und man könne aufgrund der nicht angestrichenen Fehler nicht annehmen, dass Haydn sich nicht um die Arbeit seines Schülers gekümmert hätte. Ein Merkmal dieser Übungen sei, dass sie sich mit den alten Kirchentonarten befassten, was es Beethoven ermöglichte, mit diesen gut vertraut zu werden, so dass er sie dann in seinen Spätwerken selbst oft zur Anwendung brachte.

Cooper berichtet weiter, dass Beethoven nach der Schilderung durch Johann Schenk aus dem Jahre 1830, die bisher von vielen als glaubwürdig angesehen wurde, mit Haydns Unterricht schon nach sechs Monaten nicht zufrieden gewesen sei, und dass er ihm seine Übungen heimlich und unentgeltlich korrigiert habe. Beethoven habe die korrigierten Übungen dann ins Reine geschrieben, um nicht Haydns Verdacht zu erwecken. Cooper glaubt jedoch, in Schenks Schilderungen Ungereimtheiten zu finden, die sich nicht mit den 245 Kontrapunktübungen Beethovens vereinbaren ließen. Er argumentiert, dass es sich bei diesen Übungen aus Beethovens Hand kaum um eine Reinschrift handeln kann, die Schenks Korrekturen mit berücksichtigten, da sie noch eine große Anzahl grammatikalischer Fehler enthielten, aber keine Kopierfehler. Es könnte sich, argumentiert Cooper, um die Version handeln, die Beethoven Schenk vorlegte (er begründet dies damit, dass darin angebrachte Korrekturen nicht eindeutig als von Haydn stammend bestätigt werden können); falls dies jedoch zuträfe, habe Schenk eine überraschend große Anzahl von Fehlern übersehen, und es wäre eigentlich seltsam, wenn Beethoven diese Version aufbewahrt hätte anstatt eine mögliche Reinschrift. Zusammen mit zahlreichen anderen Ungenauigkeiten in Schenks Schilderung, argumentiert Cooper weiter, würden diese Probleme darauf hinweisen, dass Schenks Geschichte wahrscheinlich erfunden ist und dass er sich damit vielleicht wichtig machen wollte. (9)

Zu Coopers Fußnoten: (7) verweist auf Nottebohm, Beethovens Studien, 21-43, wobei er noch erwähnt, dass sich das Originalmanuskript im Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befinde; (8) verweist auf Coopers eigenes Essay, 'Ink' mit dem Zitat: 'The ink in the counterpoint exercises for Haydn appears to match type C, which is found on three 'Kafka' leaves on the same paper type, but never at the beginning of the leaf' (Cooper erklärt hier, dass die für die "Haydns" Kontrapunktübungen verwandte Tinte dem Typ C zuzurechnen sei, die auch in den "Kafka"-Blättern, und zwar auf dem gleichen Papier, verwendet wurde; und (9) verweist auf Webster, 'Haydn and Beethoven', 10-14).

Lassen wir hier der Gerechtigkeit halber auch Schenk selbst zu Wort kommen, dessen Schilderung durch Otto Jahn aus Bonn auch an Thayer weitergegeben wurde:

"1792 geruhten S.K. Hoheit Erzherzog Maximilian, Kurfürst von Köln, seinem Schützling Louis van Beethoven nach Wien zu geben, um bei Josef Haydn die musikalische Komposition zu lernen. Gegen Ende Juli {1793} gab mir Abbe Gelinek Kenntnis, daß er mit einem jungen Menschen in Bekanntschaft getreten sei, der auf dem F.P. eine seltne Virtuosität bewährt, wie er sie seit Mozart nicht wieder gehört habe. Inmittest erklärte er sich, daß Beethoven schon vor mehr als 6 Monaten von Haydn die Lehre des Kontrapunktes hat angefangen und noch immer bei der ersten Übung sich verweile; und daß auch Se. Exzellenz Baron von Swieten ihm das Studium des Kontrapunktes ernstlich empfehle und öfter in Frage gestellt, wie weit er schon in seiner Lehre fortgeschritten sei?  Infolge dessen merhmaligen Anregen und so auch noch immer auf der ersten Stufe seines Unterrichts zu sein, erzeugte in dem wißbegierigen Lehrling ein Mißbehagen, das er an seinem Freund oft laut werden ließ. Gelinek, dem diese leidige Gemütsbestimmung nah zu Herzen ging, stellte mich in Frage: ob ich wohl geneigt sei, seinem Freund im Studium des Kontrapunktes behilflich zu sein. Nach besagter Erklärung verlangte mich, mit selbigem bald in nähere Bekanntschaft zu treten. Nun war ein Tag bestimmt, an welchem ich Beethoven in der Wohnung Gelineks sehen und auf den P.F. hören werde. Nun habe ich diesen itzt so hochberühmten Tonsetzer zum ersten Male gesehen--und auch gehört. ... Den daruffolgenden Tag war es mein erstes, diesem noch unbekannten Künstler, der seine Meisterschaft so hoch bewährte, meinen ersten Besuch zu machen. Auf seinem Schreibpulte fand ich einige Sätze von der ersten Übung des Kontrapunktes vor mir liegen. Nach kurzer Übersicht gewahrte ich bei jeder Tonart (so kurzen Inhalts sie auch war) etwelche Fehler. In Rücksicht dessen haben sich die obenerwähnten Äußerungen Gelineks wahrhaft befunden. Da ich nun gewiß war, daß mein Lehrling mit den vorläufigen Regeln des Kontrapunktes unbekannt war, so gab ich ihm das allbekannte Lehrbuch von Joseph Fux Gradus ad Parnassum zur Übersicht der weiter folgenden Übungen. Jos. Haydn, der gegen Ende des vorhergehenden Jahres von London nach Wien zurückgekommen, war beflissen, seine Muße auf neue Kompositionen größerer Meisterwerke zu verwenden. In diesem rühmlichen Bestreben ist zu erachten, daß sich Haydn mit der Lehre der Grammatik nicht so leicht befassen konnte. Nun war mir's ernstlich angelegen, dessen Wießbegierigem Mitgehilfe zu werden. Bevor ich aber meine Lehre angefangen, machte ich ihm bemerkbar, daß unser beiderseitiges Zusammenwirken stets geheimgehalten werde. In Beziehung dessen empfahl ich ihm, jeden Satz, den ich durch meine Hand verbessert, wieder abzuschreiben, damit bei jeder Vorzeigung Haydn keine fremde Hand gewahren könne. Nach einem Jahr kam Beethoven mit Gelinek in Unfrieden, dessen Ursache mir entfallen ist. Doch scheint mir, daß beide selbst Veranlassung gaben. Zufolge ihrer Uneinigkeit war Gelinek erbost und offenbarte mein Geheimhalten. Beethoven und seine Brüder machten selbst kein Geheimnis mehr daraus . . .  Für mein Bemühen (wenn doch das Bemühen heißen sollte) erwarb ich mir von meinem guten Louis ein köstliches Geschenk, nämlich: das feste Band der Freundschaft, das bis an seinen Tod noch unverwelkt geblieben" (Ley: 64-66).

Während bereits Thayer-Forbes einige der Ungereimtheiten von Schenks Schilderung debattiert, stand dieser Ausgabe der Beethoven-Standardbiografie im Jahr 1964 noch nicht das Argument von Cooper zur Verfügung, das er aus seiner Untersuchung der in diesen Übungen verwendeten Tinte zog und die Coopers Argument wirklich weitgehend zu unterstützen scheint.

In seiner Diskussion von Beethovens Beziehung zu Haydn kann Cooper mit einem weiteren interessanten Argument aufwarten, das Beethoven in einer bestimmten Angelegenheit nun in einem besseren Licht als bisher erscheinen lässt:

"In November 1793 Beethoven assembled some recently completed works to send to Maximilian Franz as evidence of his progress, and wrote a slightly apologetic letter indicating that he had spent much of the year studying music rather than composing, and expressing the hope that he would be able to send something better the following year as a result. Haydn wrote to the Elector at the same time, commenting briefly on the works being sent:

I am taking the liberty of sending to your Reverence . . . a few pieces of music--a quintet, an eight-voice 'Parthie', an oboe concerto, a set of variations for the piano and a fugue, composed by my dear pupil Beethoven who was so graciously entrusted to me. They will, I flatter myself, be graciously accepted by your Reverence as evidence of his diligence beyond the scope of his own studies. On the basis of these pieces, expert and amateur alike cannot but admit that Beethoven will in time become one of the greatest musical artists in Europe, and I shall be proud to call myself his teacher. (16)

The copies sent to the Elector do not survive, but the first four works on Haydn's list correspond exactly to the four that Beethoven is believed to have completed in Vienna that year. The quintet is almost certainly Hess 19, the eight-voice Parthie must be the Octet (the autograph of which is headed 'Parthia'); and the oboe concerto is the lost Hess 12. The set of variations for piano is more puzzling, since Beethoven's earlier sets had been written in Bonn (Simrock had copies) and no more are known before 1795; but Haydn was probably referring to the Figaro Variations for piano and violin. Indeed it would be surprising if this work were not sent to the Elector, since it was the only one yet published in Vienna. Moreover the printed title page describes it as variations 'pour le clavecin ou piano-forte', with the violin part 'ad lib'. (17) Haydn's loose description of 'variations for piano' is therefore compatible with it. The one item unidentified is the fugue. This may be completely lost, but it could be one of the fugues now associated with Beethoven's studies with Albrechtsberger in 1794. Of these, the most likely candidate is the Fugue in E minor for string trio (Hess 29). . . The Elector's reply, dated 23 December, must have been a shock to Haydn:

the music of young Beethoven which you sent me I received with your letter. Since, however, the music, with the exception of the fugue, was composed and performed here in Bonn before he departed on his second journey to Vienna, I cannot regard it as progress made in Vienna. . . . I very much doubt that he has made any important progress in composition and in the development of his musical taste during his present stay, and I fear that, as in the case of his first journey to Vienna, he will bring back nothing but debts. (18)

If taken at face value these comments are damning, suggesting that Beethoven deceived Haydn and tried to deceive the Elector. The manuscript material for the works in question, however, paints a very different picture. The only one of the four for which extensive sketches survive on Bonn paper is the Figaro Variations; but there are further substantial sketches for this on Vienna paper, indicating that the work did not reach its final version in Bonn. The other three works are unequivocally Viennese; extensive sketches for the second movement of the Concerto and the third of the Octet, and the autographs of the Octet and the Quintet, were all written on Vienna paper; the remaining manuscript sources are lost, and the only sign of any pre-Vienna activity on these works is a tiny four-bar motif from the Octet, written on a Bonn leaf but perhaps not until the autograph was being written out in Vienna.[19, Johnson, Beethoven's Early Sketches, passim] Although it is conceivable that all four works had been completed in Bonn and were merely revised (though rather thoroughly) in Vienna, there is no evidence, apart from the Elector's letter, that this was the case. Moreover, if Beethoven were submitting works merely revised, why did he not include the impressive and newly revised B-flat Piano Concerto? And why would he write to Simrock in August 1794, 'Have you performed my Parthie yet?' [20 Albrecht 12] it the Octet were w work already hear in Bonn before his departure? Thus the Elector or his advisers must have confused these four works with others wrttten by Beethoven before he left Bonn, and Haydn was fully justified in sending him them as evidence of Beethoven's progress" 

(Cooper: 47 - 48; Cooper berichtet hier, dass Beethoven im November 1793 einige seiner jüngsten Kompositionen zusammenstellte, um sie Maximilian Franz als Beweis seiner Fortschritte zu senden, und schrieb dazu einen sehr höflichen Brief, in dem er sich dafür entschuldigte, dass er noch nichts besseres senden konnte, da er sich das ganze Jahr über mit seinem Kontrapunktstudium befasst habe. Zur gleichen Zeit schrieb auch Haydn an den Kurfürsten und lieferte einige Kommentare zu den mitgesandten Werken:

I am taking the liberty of sending to your Reverence . . . a few pieces of music--a quintet, an eight-voice 'Parthie', an oboe concerto, a set of variations for the piano and a fugue, composed by my dear pupil Beethoven who was so graciously entrusted to me. They will, I flatter myself, be graciously accepted by your Reverence as evidence of his diligence beyond the scope of his own studies. On the basis of these pieces, expert and amateur alike cannot but admit that Beethoven will in time become one of the greatest musical artists in Europe, and I shall be proud to call myself his teacher. (16) [Hierzu das deutsche Original:

"Ich nehme mir die Freiheit, Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht einige musikalische Stücke, nämlich ein Quintett, eine achtstimmige Partie, ein Oboe-Konzert, Variationen für Fortepiano und eine Fuge von der Komposition meines lieben, mir gnädigst anvertrauten Schülers Beethoven untertänigst einzuschicken, welche, wie ich mir schmeichle, als ein empfehlender Beweis seines außer dem eigentlichen Studieren angewandten Fleißes von Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht gnädigst werden aufgenommen werden. Kenner und Nichtkenner müssen aus gegenwärtigen Stücken unparteiisch eingestehen, daß Beethoven mit der Zeit die Stelle eines der größten Tonkünstler in Europa vertreten werde, und ich werde stolz sein, mich seinen Meister nennen zu können" (Ley: 66-67).]

Cooper erklärt dazu, dass die Kopien, die dem Kurfürsten gesandt wurden, nicht überlebt haben, dass aber die ersten vier Werke aus Haydns Liste genau mit den vier Kompositionen übereinstimmen, die Beethoven vermutlich in diesem Jahr fertiggestellt hatte. Das Quintett sei mit ziemlicher Sicherheit Hess 19, die achtstimmige Partie müsse das Oktett sein (das Autograph, das die Überschrift 'Parthia' trage) und das Oboenkonzert sei die verlorengegangene Komposition Hess 12. Die Variationen für Klavier seien etwas rätselhafter, da Beethovens frühere Variationssätze in Bonn geschrieben wurden (Simrock habe davon Kopien gehabt) und es seinen keine weiteren aus der Zeit vor 1795 bekannt; Haydn, argumentiert Cooper weiter, habe aber wahrscheinlich auf die Figaro-Variationen für Klavier und Violine hingewiesen, da es eigentlich sehr überraschend wäre, wenn diese nicht mitgesandt worden wären, zumal dies das einzige Werk war, das bisher in Wien verlegt worden sei. Ausserdem seien diese Variationen auf der Titelseite als 'pour le clavecin ou piano-forte' beschrieben, Haydns vage Beschreibung dieser Variationen decke sich deshalb sehr wahrscheinlich mit ihnen. Die einzige nicht identifizierbare Komposition sei die Fuge, die vielleicht ganz verlorgengegangen sei, aber es könnte sich dabei auch um eine der Fugen handeln, die Beethoven im Zusammenhang mit seinem Studium unter Albrechtsberger im Jahr 1794 steht. Von diesen komme am ehesten die e-Moll-Fuge für ein Streichertrio in Frage (Hess 29). Cooper schreibt weiter, dass die Antwort des Kurfürsten für Haydn ein Schock gewesen sein muss:

the music of young Beethoven which you sent me I received with your letter. Since, however, the music, with the exception of the fugue, was composed and performed here in Bonn before he departed on his second journey to Vienna, I cannot regard it as progress made in Vienna. . . . I very much doubt that he has made any important progress in composition and in the development of his musical taste during his present stay, and I fear that, as in the case of his first journey to Vienna, he will bring back nothing but debts.

[Hier eine Rückübersetzung dieses Texts ins Deutsche:

"die Musik des jungen Beethoven, die Sie mir übersandten, erhielt ich mit Ihrem Brief. Da jedoch die Musik, mit Ausnahme der Fuge, bereits hier in Bonn komponiert und aufgeführt wurde, bevor er sich auf seine zweite Reise nach Wien begab, kann ich sie nicht als in Wien gemachten Fortschritt ansehen"

und hier noch der Rest dieses Texts im deutschen Original:

"Ich denke dahero, ob er nicht wieder seine Rückreise hierher antreten könne, um hier seine Dienst zu verrichten: denn ich zweifle sehr, daß er bei seinem jetzigen Aufenthalte wichtigere Fortschritte in der Komposition und Geschmack gemacht haben werde, und ich fürchte, daß er ebenso wie bei seiner ersten Wiener Reise bloß Schulden von seiner Reise mitbringen werde" Ley: 68).]

Wenn man diese Kommentare ohne weitere Nachforschung liest, argumentiert Cooper weiter, seien sie allerdings sehr beschämend und würden Beethoven den Vorwurf machen, dass er und Haydn den Kurfürsten hinters Licht führen wollten. Jedoch ergäbe sich bei einer genauen Betrachtung des Materials der beschriebenen Arbeiten ein ganz anderes Bild. Das einzige dieser Werke, von dem ausführliche Skizzen auf Bonner Papier vorhanden seien, seien die Figaro-Variationen; aber dazu gäbe es dann noch umfangreiche Skizzen auf Wiener Papier, was darauf hinweise, dass das Werk in Bonn noch nicht seine endgültige Form gefunden habe. Die anderen drei Werke seien eindeutig aus der Wiener Zeit; ausführliche Skizzen für den zweiten Satz des Klavierkonzerts und für den dritten Satz des Oktetts seien auf Wiener Papier geschrieben worden; die übrigen Manuskripte seien verlorgengegangen, und das einzige Zeichen Vor-Wiener Aktivität an diesen Werken sei ein kleines Motiv des Oktetts, das auf Bonner Papier notiert wurde, jedoch vielleicht erst in Wien auf das endgültige Manuskript übertragen wurde. [Coopers Fußnote: 19, Johnson, Beethoven's Early Sketches, passim] Obwohl es möglich sei, dass alle vier Werke bereits in Bonn fertiggestellt wurden und in Wien nur überarbeitet worden seien {jedoch ziemlich gründlich}, gäbe es, abgesehen vom Schreiben des Kurfürsten, keinen Beweis, dass dies der Fall gewesen sei. Ferner fragt sich Cooper auch, warum Beethoven in diesem Fall dann nicht auch das eindrucksvolle und gerade überarbeitete B-Dur-Klavierkonzert mitschickte und auch, warum er dann wohl im August 1794 an Simrock schrieb, 'Haben Sie schon meine Partie aufgeführt?' [Coopers Quelle: 20 Albrecht 12], falls diese schon vorher in Bonn gehört worden wäre. Daher nimmt Cooper an, dass sich der Kurfürst oder seine Berater geirrt haben und die vier Werke mit anderen Bonner Werkern Beethovens verwechselt haben und schließt sein Argument mit der Feststellung, dass Haydn diese Werke mit vollem Recht nach Bonn sandte, um dem Kurfürsten einen Eindruck von Beethovens Fortschritten zu bieten).

Wie aus Coopers Kommentaren ersichtlich wird, stützt er sein Argumente hauptsächlich auf die Werke Beethovens, an denen er in den Jahren 1792 - 1793 in Wien intensiv gearbeitet hatte. Hierbei spielt auch die Möglichkeit der Feststellung, auf welchem Papier gewisse Skizzen geschrieben wurden, eine wichtige Rolle. Aus all dem ergäbe sich, dass Beethovens Verhältnis zu Haydn weniger belastet war als bisher angenommen. Auch für die Tatsache, dass Beethoven nicht mit Haydn nach England reiste, kämen andere Gründe in Frage als eine mögliche Entfremdung zwischen Lehrer und Schüler aufgrund peinlicher Vorkomnisse. Nach Haydns Abreise übernahm der geachtete Wiener Komponist Albrechtsberger Beethovens Kontrapunktunterricht.

Cooper (50 - 52) berichtet auch über diese Studien und erwähnt als deren Basis Albrechtsbergers Anweisung zur Composition. Dieses Studium dauerte etwas länger als ein Jahr und fand seinen Niederschlag in nahezu zweihundert Übungsseiten, die erhalten geblieben sind. Er zitiert auch Ferdinand Ries, der in den Biographischen Notizen berichtet habe, dass Albrechtsberger der Meinung war, dass Beethoven immer sehr stur gewesen sei und immer seinen eigenen Willen durchsetzen wollte und durch eigene, harte Erfahrung lernen mußte, anstatt durch den Unterricht. Als Studienbeispiel führt er eine Skizze von Ex. 4.2 der d-Moll-Fuge mit Beethovens Entwurf und Albrechtsbergers Korrekturen an. Hören wir uns doch hier eine gute Midi-File dieser d-Moll-Fuge an:  

Beethovens d-Moll-Fuge Nr. 4

In bezug auf Beethovens Erfolg als genialer Klaviervirtuose können wir berichten, dass er die Wiener Gesellschaft im Sturm eroberte und dass sogar der talentierte Wiener Pianist und Komponist vieler damals beliebter Variationen, Abbé Gelinek, offen zugab, dass Beethovens Improvisationstalent zu dieser Zeit unübertroffen gewesen sei und dass es in seinem leidenschaftlichen Ausdruck sogar das Spiel Mozarts übertraf.

Aus seinem persönlichen Leben ist zu berichten, dass ihm aufgrund der Bonner Besetzung durch die Franzosen sein Freund Franz Gerhard Wegeler und sein Bruder Caspar Carl 1794 nach Wien folgten, und für einige Zeit auch andere Bonner Freunde. Auch der Kurfürst kehrte nach Wien zurück. Dadurch konnte der Hoforganist Ludwig van Beethoven, der sich 1794 bereits ohne Gehalt, aber jederzeit nach Bonn abkommandierbar in Wien aufhielt, nicht mehr dorthin zurückberufen werden.

Beethoven sollte sich bald, nämlich Ende März 1795, dem Wiener Publikum als Komponist vorstellen.  Damit war sein offizielles Studium abgeschlossen.