EINLEITUNG
Was ist wohl damit gemeint, was wir im
Buch “Matthaeuspassion” des deutschen Philosophen Hans Blumenberg lesen
koennen (in dem er verschiedene Formen der Rezeption dieses Werks unter
modernen Bedingungen untersuchte): “Es ist das Paradox aller Rezeption,
dass der nichts erfaehrt, der noch nichts erfahren hat”? Wuerde dies,
einfacher ausgedrueckt, vielleicht darauf hinweisen dass man immer nur das
erkennt, worauf man vorbereitet ist? Dazu stellt sich mir jetzt die
konkrete Frage, ob sich all jene Edmontoner, die im Dezemberheft des
“Signature”-Magazins (Bd. 15, Nr. 4) auf Seite 18 (anlaesslich der
Beschreibung der Weihnachtsauffuehrung von Haendels “Messias”) lesen
konnten, dass die “Richard Eaton Singers” dieses Werk am 21. Maerz 1999 im
Winspear Centre for Music unter der Leitung von Leonard Ratzlaff zum
Besten geben werden, auch wirklich auf dieses Werk vorbereitet
sahen?
Hier moechte sich die Autorin dieser Zusammenstellung
keineswegs auf die Seite derjenigen stellen, die diese Frage mit einem
eindeutigen "ja" beantworten koennen, sondern ausdruecklich darauf
hinweisen, dass sie selbst erst vor kurzer Zeit durch eine sie persoenlich
sehr beeindruckende Aufnahme des Werks aus dem Jahr 1939 mit dem
Amsterdamer "Concertgeboworchest" einen wirklichen Ansatz dazu gefunden
hatte, diesem Werk und seinem Komponisten auf ihre eigene Weise
"nachzuspueren". Diese "eigene Weise" mag hier auch dazu fuehren, dass die
Zusammenstellung Exkursionen enthaelt, denen vielleicht nicht jedermann in
allen Einzelheiten folgen moechte. Zu diesem Zweck folgt jetzt, zu Anfang
der eigentlichen Werkgeschichte, eine kurze Gliederung derselben mit einer
jeweiligen kurzen Inhaltsangabe der einzelnen Abschnitte, sodass sich
jeder Leser selbst das aussuchen kann, was ihn am meisten an diesem Thema
interessiert. Auch soll hier noch kurz darauf hingewiesen werden, dass die
weitere "Entdeckungsreise" der Verfasserin in bezug auf dieses Werk noch
nicht abgeschlossen ist und diese Zusammenstellung zum einen zwar
erweitert, zum anderen aber auch noch straffer in "Uebersichten" und
"eingehende Eroerterungen" zu den einzelnen Themen eingeteilt werden wird.
In diesem Sinne wuensche ich sowohl Ihnen als auch mir selbst eine
interessante Fortsetzung dieser Arbeit, fuer Sie eine angenehme Lektuere
und uns allen ausgesprochen positive Hoererlebnisse in welchen
Konzertsaelen auch immer!
INHALTSUEBERSICHT: DIE
ENTWICK- LUNGSGESCHICHTE DER PASSION Ein kurzer Ueberblick von deren
Anfaengen bis zu Bach
DIE FRAGE DES DATUMS DER URAUFFUEHRUNG DES
WERKS Eine Erkundung verfuegbarer Bachliteratur und neuerer
Forschungsergebnisse
BACHS AEUSSERE UMSTAENDE WAEHREND DER
SCHAFFENSZEIT DES WERKS Eine Untersuchung seiner Rolle als Thomaskantor
und seiner Lebensum- staende waehrend der Jahre 1723 - 1729
DIE
CHRONOLOGISCHE ENTWICKLUNG DER MATTHAEUSPASSION Ein Versuch, die
wichtigsten Grundten- denzen zu verfolgen
ANMERKUNGEN ZUM WERK
SELBST UND ZUR ZUSAMMENSTELLUNG DES TEXTS Ein sehr kurzer
Ueberblick
ZUR WEITEREN AUFFUEHRUNGSGE- SCHICHTE DES WERKS ...Zu
Bachs Lebzeiten ...Zur Wiederauffuehung von
1829
SCHLUSSBEMERKUNGEN ...Zu beeindruckenden Aufnahmen des 20.
Jahrhunderts ...Zur Urtext-Auffuehrungsmethode ...Zu guter
Letzt
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INTRODUCTION
What might be meant by the statement
we can read in the book "Matthaeuspassion" by the German philosopher Hans
Blumenberg (in which he investigates various forms of reception of his
work under modern conditions), "Es ist das Paradox aller Rezeption, dass
der nichts erfahrt, der noch nichts erfahren hat"? (In this statement is
expressed the idea that it is the paradox of all reception that he who has
not yet experienced anything can not experience anything). Would this
mean, if we put it in simpler words, that one is only able to recognize
that which one is prepared for? In This context I have asked myself as to
whether all those Edmontonians who have read in the December 1998 issue of
"Signature Magazine" (volume 14, No. 4) on page 18 that the Richard
Eaton Singers will perform this work under the conductorship of
Leonard Ratzlaff on March 21, 1999, really consider themselves prepared
for this work.
Here, the writer of this article wants to point out
that she does not consider herself "eligible", yet, to line up at the side
of those who feel themselves "excellently prepared" for this work, since
she has, as well, only recently, by becoming acquainted with a
particularly impressive recording of this work, namely that of 1939 with
the Amsterdam Concertgebow Orchestra, felt herself urged to explore this
work and its composer "in her very own way". This "very own way" led to
inclusions of sections into this presentation that may be more interesting
to some readers than to others. For this purpose, you will find,
immediately following this introduction, a short outline of the sections
that are presented here and also a short description of their content, so
that you can select for yourself on which topic you want to read up more
at this time. It should also be mentioned that this presentation will be
updated and completed as the writer will become more familiar with the
topic; however, this ongoing completion process will also entail a more
general outlining of topics on the one hand with references to more
in-depth description of topics in separate sections. For now, I wish you
lots of reading enjoyment and all of us thoroughly interesting listening
experiences in whatever concert halls around the world we might be exposed
to them!
OVERVIEW OF CONTENT: THE HISTORY OF THE
DEVELOPMENT OF THE PASSION A brief overview from its early Christian
Beginnings to Bach
THE QUESTION OF THE ACTUAL DATE OF THE FIRST
PERFORMANCE OF THE WORK Tracing Traditional Bach Literature as Well as
Newer Findings
BACH'S OUTER CIRCUMSTANCES AROUND THE TIME OF THE
CREATION OF THE ST. MATTHEW PASSION An Investigation of his Role as
Thomas Cantor and of his Life Circumstances during the Years 1723 -
1729
THE CHRONOLOGICAL DEVELOPMENT OF THE ST. MATTHEW PASSION An
Attempt at Tracing the most Important Facts
SOME COMMENTS TO THE
WORK ITSELF AND TO THE WRITING OF ITS TEXT A Very Brief
Overview
SOME COMMENTS TO THE FURTHER DEVELOPMENT OF THE
WORK ...During Bach's Lifetimes ...To the Revival of
1829
CLOSING REMARKS ...To Noteworthy recordings of the Earlier
Part of the 20th Century ...To Recent Period Instrument
Recordings ...Last but not Least
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DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER PASSION Ein kurzer
Ueberblick von deren Anfaengen bis zu Bach
Wievielen von uns ist
wirklich klar, was den Charakter einer “Passion” ausmacht und wie dieser
entstanden sein mag? Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Passion
koennte hier vielleicht nuetzlich sein. Hier bieten sich zwei “klassische”
Bachbiographien als Informationsquellen an: Philipp Spittas und Albert
Schweitzers Werke. Beide Autorn betonten in ihren Werken, dass schon lange
vor irgendeiner “musikalischen” Darbietung der Leidensgeschichte Jesu
diese bereits seit dem vierten Jahrhundert muendlich vorgetragen worden
sein soll, und zwar zunaechst nach dem Matthaeusevangelium jeweils am
Palmsonntag und nach dem Lukasevangelium jeweils am Mittwoch der Karwoche
(besonderes hervorgehoben durch Schweitzer). Im achten und neunten
Jahrhundert soll dann die Passion nach Markus jeweils am Dienstag der
Karwoche und diejenige nach Johannes jeweils am Karfreitag in aehnlicher
Weise vorgetragen worden sein. Jedoch soll schon im 13. Jahrhundert
Durandus gefordert haben, dass die Passion in dramatischer Form
vorgetragen werden solle, und zwar im Stil des Psalmengesangs. Dies setzte
sich dann auch durch und blieb als Tradition bis ins 15. Jahrhundert
hinein erhalten (Schweitzer I: 82).
Welches “Schicksal” durchlebte
die Passion dann waehrend der Reformation und wie entwickelte sie sich
unter protestantischem Einfluss weiter? Waehrend Spitta berichtet, dass
Martin Luther das Singen aller vier Evangelien nicht fuer notwendig hielt
(Spitta: 478), weiss Schweitzer zu berichten, dass zu Beginn des 16.
Jahrhunderts zunaechst hollaendische Komponisten wie Jacobus Obrecht (geb.
1450, der seine erste Passion 1505 schrieb) Musik zur Passion schrieben.
Luthers Freund Johann Walther soll die Obrechtsche Passion dann zweimal
kopiert haben und als sie dann 1538 von Georg Rhat gedruckt wurde, soll
Melanchton dazu ein Vorwort geschrieben haben. (Schweitzer: 82). Beide
Autoren wisssen auch zu berichten, dass Johann Walther selbst ebenfalls
zwei Passionen schrieb, waehrend Schweitzer darauf hinweist, dass die
Passionen dieser Zeit sowohl im Motettenstil als auch im dramatischen Stil
geschrieben wurden. Im Motettenstil soll der gesamte Text, einschliesslich
der Worte Jesu, vom Chor gesungen worden sein, waehrend im dramatischen
Stil die Worte des Evangelisten und die Reden Jesu von einer Person im
traditionellen Rezitativstil vorgetragen wurden, und dass nur die Ausrufe
des Volkes polyphonisch gesetzt wurden, womit auch die Worte des Pilatus,
der falschen Zeugen und der Uebeltaeter vom Chor gesungen wurden.
Schliesslich habe die dramatische Passion ueber die undramatische Passion
im Motettenstil den Sieg davongetragen. Schweitzer beschreibt Johann
Walthers Matthaeuspassion als erste deutsche Komposition in diesem Stil,
die am Palmsonntag des Jahres 1530 uraufgefuehrt worden sein soll. Weiter
fuehrt er an, dass Walthers Johannespassion, die am Karfreitag aufgefuehrt
wurde, zumindest bis in die Zeit des Abfassens seiner Bachbiographie
erhalten geblieben sei, und dass sie auch jaehrlich in Zittau, in einer
tschechischen Uebersetzung, von 1609 bis 1816 gesungen worden sein soll
(Schweitzer I: 83).
Spitta wiederum berichtet, dass waehrend des
16. Jahrhunderts sich bei den Protestanten fuer die Passion der Gebrauch
deutscher Texte durchsetzte und dass die 1559 entstandene Passion in
Meissen 1570 die erste deutsche Passion war, die auch im Druck erschien.
Weitere Drucke anderer Passionen sollen dieser 1573 und 1587 gefolgt sein
(Spitta: 478).
Waehrend sich die Protestanten deutscher Texte fuer
ihre Passionen bedienten, schrieben verschiedene katholische Komponisten
Passionsmuik im dramatische Stil zu lateinischen Texten, wie zum Beispiel
Claudin von Sermisy im Jahre 1534, Orlando di Lasso vier dramatische
Passionen von 1575 an, und William Byrd eine weitere im Jahre 1607
(Schweitzer: I, 83). Spitta weist darauf hin, dass sich die von Italien
her nach Deutschland verbreitende Instrumentalmusik auch langsam aber
sicher auf den Kompositionsstil der Passionswerke auszuwirken
begann.
Weitere "protestantische" Passionen folgten mit Melchior
Vulpius' Matthaeuspassion aus dem Jahre 1613, der Johannes- und
Matthaeuspassion von Thomas Manacius aus dem Jahre 1620 und der
Lukaspassion des Leipziger Kantors Christoph Schulz aus dem Jahre 1653
(Spitta: 478). Besonders hervorgehoben wird natuerlich von beiden Autoren
der groesste protestantische Komponist des 17. Jahrhunderts, Heinrich
Schuetz, der von 1665 - 1666 vier Passionen komponierte. Schweitzer
betont, dass Schuetz die dramatische Passion in der Form erhielt, in der
er sie uebernommen hatte, dass er auf Instrumentalisierung verzichtete und
den Evangelisten die Texte im alten Psalmengesangsstil vortragen liess,
keine deklamierenden Arien und keine Choraele einfuegte und so mit dieser
umgeformten, strengen Schoenheit einen einzigartigen Effekt zu erzielen
wusste (Schweitzer: 83-84), wozu Spitta noch anzufuegen weiss, dass jene
vier Passionen noch im 19. Jahrhundert in Manuskriptform existierten
(Spitta II: 479).
Der aktive Kirchenmusiker Schweitzer kann nicht
umhingehen darauf hinzuweisen, dass die neue Kantatenform, die um 1700
herum entstand, auch die neue Passion mit sich brachte. Die ganze Passion
sei von nun an als dramatische Handlung dargestellt und der Bibeltext
zumindest teilweise durch Verse ersetzt worden, der die verschiedenen
Szenen verband. Schon hier sei die "Tochter Zions" vorgekommen, die dann
bei Bach wiederkehren wuerde (Schweitzer: 93). Ferner fuehrt er aus, dass
1704 die erste theatralische Passion in Hamburg in den Montags- und
Mittwochabendgottesdiensten der Karwoche aufgefuehrt worden sei und dass
der Text dazu von Friedrich Unold, einem Autor von Opernlibretti, stammte.
Die erste Musik dazu stammte von Keiser, waehrend Georg Friedrich Haendel
auch eine Passion in diesem Stil zu einem Text von Postel, einem anderen
Hamburger Operndichter, schrieb. Diese Passion sei aber nicht erfolgreich
gewesen. Im Jahre 1712 sei dann die Passionsdichtung des Hamburger
Stadtrates Heinrich Brockes erschienen, die im Stile von Keisers Passion
geschrieben war (Schweitzer: I, 93-94). Brockes Text wurde dann der
"Klassische Passionstext" schlechthin, und Keiser komponierte noch im
selben Jahr Musik dazu, gefolgt von Haendel und Telemann im Jahre 1716.
Telemanns Version wurde in Frankfurt produziert und wurde danach in vielen
deutschen Konzerthallen aufgefuehrt (Schweitzer: I, 94). Dass Haendels
"Brocke-Passion" die aller anderen Komponisten uebertraf mag vielleicht
auch dazu gefuehrt haben, dass Bach und seine zweite Frau Anna Magdalena
diese kopierten und vielleicht auch in Leipzig zur Auffuehrung brachten.
Im Jahre 1718 schrieb auch noch Matheson Musik zu Brockes Text, die dann
am Palmsonntag aufgefuehrt wurde (Schweitzer I: 94). Etwa um diese Zeit
war dann auch Bach 'so weit', das er sich selbst an das Komponieren von
Passionen machte.
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HISTORY OF THE DEVELOPMENT OF THE PASSION
A brief
overview from its early Christian Beginnings to Bach
How many of us
actually know what makes the "character" of a "Passion" and how this
character might have developed? A look at the history of the development
of the Passion might be useful. For this purpose, two "classical" Bach
biographies can be consulted: Philipp Spitta's and Albert Schweitzer's
works. Both writers point out in their works that, already long before any
"musical" performance of the account of Jesus' suffering and death had
taken place, this account had, from the fourth century on, been rendered
in verbal form, namely according to the gospel of St. Matthew on Palm
Sundays and according to the gospel of St. Luke on Wednesday of Holy Week
(particularly emphasized by Schweitzer). In the eighth and ninth
centuries, the Passion according to the gospel of St. Mark and according
to that of St. John were performed on Tuesday of Holy Week respectively on
Good Friday in a similar fashion. However, already in the 13th century,
Durandus is reported as having demanded that the Passion should be
performed in a dramatic form, namely in psalmody style. This was soon
implemented and prevailed as a firm tradition well into the 15th century
(Schweitzer I: 82).
What fate did the Passion go through during the
reformation and how did it develop further under Profestant influence?
While Spitta reports that Martin Luther did not consider the singing of
all four gospels necessary (Spitta II: 478), Schweitzer reports that, at
the beginning of the 16th century, at first, Dutch composers such as
Jabocus Obrecht (born 1450, who wrote his Passion in 1505) wrote music for
the Passion. Luther's friend Johann Walther is reported as having copied
Obrecht's Passion twice and, when it was printed by Georg Rhat in 1538,
Melanchton was supposed to have written a preface to it (Schweitzer: 82).
Both writers also note that Johann Walther also wrote two Passions while
Albert Schweitzer points out that at that time, Passions were written in
the motet as well as in the dramatic style. In the motet style, the entire
text, including the words of Jesus, were sung by the choir, while in the
dramatic style the words of the evangelist and the speeches of Jesus were
sung by one person in the traditional recitative style and only the shouts
of the crowds were set polyphonically, and thus also the words of Pilate,
of the false witnesses and of the villains. Finally, the dramatic Passion
prevailed over the motet style Passion. Schweitzer describes Johann
Walther's St. Matthew Passion as the first German composition in this
style which was first performed on Palm Sunday of 1530. He further notes
that Walther's St. John Passion which was performed on Good Friday, had at
least been preserved into the days when he wrote his Bach biography and
that it was sung in Zittau in a Czech translation every year from 1606 to
1816 (Schweitzer: I, 83).
Spitta reports that the use of German
texts became prevalent in Protestant Germany during the 16th century and
that the Passion that was written in Meissen (Saxony) in 1559 was the
first German Passion that was printed in 1570. Further prints of other
(German) Passions followed in 1573 and 1587 (Spitta II: 478).
While
Protestants used German texts for their Passions, several Catholic
composers wrote Passion music in the dramatic style for the use of Latin
texts such as, for example, Claudin von Sermisy in 1534, Orlando di Lasso
with four dramatic Passions from 1575 on, and William Byrd with a further
Passion in 1607 (Schweitzer: 83). Spitta points out that the instrumental
music that reached Germany from Italy sooner or later also influenced the
compositional style of the Passion music.
Further "Protestant"
Passions followed with Melchior Vulpius' St. Matthew Passion in 1613, the
St. John and St. Matthew Passions of Thomas Manacius in 1620 and the St.
Luke Passion of the Leipzig Cantor Christoph Schulz in 1653 (Spitta II:
478). Both authors make, of course, particular mention of the greatest
German Protestant composer of the 17th century, Heinrich Schuetz, who
composed four Passions from 1665 - 1666. Schweitzer notes that Schuetz
preserved the dramatic form of the Passion in which he had received it,
that he did not use instrumental music and that he had the Evangelist sing
the texts in the old psalmody style, that he did not add declamatory arias
and choruses, and that he, in doing so, knew how to create a unique effect
with the reformed stern beauty of his style (Schweitzer I: 83-84), to
which Spitta adds that Schuetz' four Passion manuscripts still existed in
the 19th century.
The active church musician Schweitzer cannot help
but pointing out that the new Cantata form which was developed around 1700
also brought with it a new Passion style. The entire Passion was now
presented as a dramatic story, the bible texts were at least in part
replaced by verses which connected the various scenes. Already here could
be found the "Daughter of Zion" which would also return with Bach
(Schweitzer I: 93). He further points out that the first theatrical
Passion was performed in Hamburg at the Monday and Wednesday services of
Holy Week in 1704 and that the text was written by Friedrich Hunold, a
writer of opera librettos. The first music to this was composed by Keiser,
while G. F. Handel also wrote a Passion in this style to the text of
Postel, another Hamburg libretto writer. This Passion, however, was not
successful. The Hamburg Alderman Heinrich Brocke's Passion text was
written in 1712, in the style of Keiser's Passion (Schweitzer: 93-94).
Brocke's text became the "classical" Passion text, and Keiser composed
music to it in the very same year, followed by Handel and Telemann in
1716. Telemann's version was produced in Frankfort and was subsequently
performed in many concert halls of Germany (Schweitzer I: 94). That
Handel's "Brocke" Passion surpassed the others by far might also have led
to Bach copying this work with the help of his second wife Anna Magdalena
and to the work's possibly having been performed by Bach in Leipzig. In
1718, Matheson of Hamburg also wrote music to Brocke's text which was
performed on Palm Sunday (Schweitzer I: 94). At about this time, Bach was
also ready to try his hand at the composition of Passion
music.
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DIE FRAGE DES DATUMS DER URAUFFUEHRUNG DES WERKS Eine
Erkundung verfuegbarer Bachliteratur und neuerer
Forschungsergebnisse
Allein schon die genaue Bestimmung dieser
Daten in bezug auf die Matthaeuspassion birgt viele Ansaetze zu deren
Studium. Um hier strikt chronologisch vorzugehen in der Verfolgung der
bisher zur Verfuegung stehenden Literatur, begann ich damit, die
Biographie des ersten Bachbiographen, Johann Nikolaus Forkel, in
englischer Uebersetzung, "Johann Sebastian Bach His Life, Art, and Work"
in der von Charles Sanford Terry mit Anmerkungen versehenen Neuauflage von
1970, die auf der Erstauflage in London von 1920 beruht, zu Rate zu
ziehen. Dieser merkt auf Seite 22 in der dritten Fussnote an, dass Forkels
Hinweis,
"The loss of his patron affected him deeply, and moved him
to compose a funeral Cantata containing remarkably fine double choruses
which he himself conducted at Coethen"(3) (Forkel: 22)
(Forkel
weist hier auf den Tod von Bachs Koethener Dienstherrn, Fuerst Leopold von
Koethen im Herbst 12728 hin, aus welchem Anlass dann Bach eine
Trauerkantate schrieb, die er selbst in Koethen dirigierte)
sich
auf eine Partitur bezog, die in Forkels Haenden war, aber 1818 in seiner
Buecherei fehlte, und die bis 1873 als verlorengagangen angesehen wurde
und dass Wilhelm Rust aufzeigen konnte, dass Bach fuer diese Gelegenheit
"certain choruses and arias" aus der Matthaeuspassion verwendete, die er
zu dieser Zeit geschireben haben muss, mit dem ersten Chor der
"Trauer-Ode" als Eroeffnungsnummer des schnell zusammengestellten Werks.
Terry verweist hier dann auch auf Schweitzer, II, 208, und auf Spitta, II,
618. Weiter hat Forkel selbst nichst zu diesem Punkt
beizutragen.
Spitta wiederum weist in Band 2 seiner Biographie
darauf hin, dass
"Picander, who in 1729 had compiled the St.
Matthew Passion text for Bach, had also written this one…" (Spitta:
505),
womit Spitta hauptsaechlich auf Picanders St.
Markus-Passionstext, aber auch nebenbei auf den Text der Matthaeuspassion
als im Jahre 1729 entstanden hinweist. Dies ist die "genauseste
Jahresangabe", die Spitta ueberhaupt in bezug auf die Matthaeuspassion
selbst macht. Die erste englische Uebersetzung seines Werks lag 1889
vor.
Albert Schweitzer wiederum ist in seiner Darstellung der
Fakten in der Weise, wie sie ihm bekannt waren, sehr "geradlinig", und
selbst Ernest Newmans Uebersetzung von 1911 folgt dieser Schweitzerschen
Vorliebe fuer Klarheit und Einfachheit der Darstellung:
"When Bach
began the composition of the St. Matthew Passion, in the autumn of
1728, he received, in the middle of November, the news of the death of his
friend Prince Leopold of Coethen, and a commission for some music for the
funeral services" (Schweitzer II, 208)
was darauf hinweist, dass
Schweitzer der Auffassung war, Bach haette im Herbst 1728 an der
Komposition der Matthaeuspassion gearbeitet, als er die Nachricht von
Fuerst Leopolds Tod erhielt und dazu auch die Bitte, Musik fuer dessen
Bestattung zu schreiben.
Bezueglich der Urauffuehrung des Werks
schrieb Schweitzer:
"From the fact that the text of the St.
Matthew Passion appears in the second part of Picander’s
Ernst-scherzhaften und satyrischen Gedichten, which was published
at Easter 1729, we may conclude that Bach’s work was produced on Good
Friday-15th April-in that year. The autograph score gives us no
chronological clue; it was made for a later performance, about the
beginning of the seventeen-forties" (Schweitzer II, 231),
worin er
davon ausgeht, dass der Text der Matthaeuspassion im zweiten Teil von
Picanders Ernst-scherzhaften und satyrischen Gedichten, die Ostern
1729 herauskamen, erschien und dass somit angeommen werden darf, dass das
Werk zu Ostern 1729, am Karfreitag, dem 15. April (ur)aufgefuehrt wurde.
Auch weist er darauf hin, dass Bachs Partitur keinen chronologischen
Hinweis enthaelt, da sie fuer eine spaetere Auffuehrung in den 1740er
Jahren geschrieben wurde.
Als naechstes steht mir als Quelle die
deutsche Uebersetzung einer Bachbiographie zur Verfuegung, die der
englische Bachexperte, der auch die Anmerkungen zu Forkels Biographie
verfasste, urspruenglich 1929 geschrieben hatte, und zwar in einer
verkuerzten Neuauflage des Insel-Verlags von 1950. Terry schreibt in
dieser auf Seite 171:
”Zu der Zeit, da Bach mit Gaudlitz aneinander
geriet, war er schon mit der Komposition der Karfreitagsmusik fuer 1729
beschaeftigt. Dies Jahr kam die Thomaskirche an die Reihe. … Die Partitur
war noch nicht fertiggestelt, als Fuerst Leopold am 19. November 1728
starb und Bach sich gewogen sah, seinem hohen Freunde in Koethen die
letzte Ehre zu erweisen. … Am 23. Maerz 1729 nahm die alte Fuerstengruft
in der Sankt-Jakobs-Kirche in Koethen Leopolds sterbliche Ueberreste auf .
Am folgenden Tage wurde die Leichenpredigt gehalten und Bachs
‘Trauer-Music’ aufgefuehrt. … Forkel hat 1802 die Partitur gesehen;
seitdem ist sie aber verschwunden; sie enthielt neun Nummern aus der
Matthaeuspassion, den Eingangschor der “Trauer-Ode” aus dem Jahre 1727 und
eine neue Vertonung des 20. Verses von Psalm 48 ... “
(Terry:171)
und auf Seite 172 schreibt er:
”Am Karfreitag
des Jahres 1729 (15. April) brachte Bach die letzte und groesste seiner
Passionen heraus.” (Terry: 172)
In diesem chronologischen Vorgehen
komme ich als naechstes auf Karl Geiringers Bachbiographie aus dem Jahre
1966 in ihrer englischen Originalversion. Geiringer schreibt
hierin:
“On Good Friday, 1729, his St. Matthew Passion had its
performance at St. Thomas’.(4) (4) It has also been suggested that the
first performance took place as early as 1727 (cf. Beitraege zur
Musikwissenschaft, 1960, p. 84), but no proof has so far been
established. The libretto preserved by C.F. Zelter, but lost today, showed
the date of April 15, 1729” (Geiringer: 65).
Waehrend Geiringer
auch noch vom 15. April 1729 als dem “Urauffuehrungsdatum” des Werkes
ausgeht, ist in seiner Anmerkung der erste Hinweis darauf enthalten, dass
das Werk vielleicht bereits 1727 zur Auffuehrung kam. Allerdings stellt
Geiringer noch fest, dass zur Zeit der Veroeffentlichung seiner Biographie
noch kein Beweis fuer diese Vermutung vorlag.
Spaetere
Veroeffentlichungen gehen noch weiter auf diese Vermutung ein. J.A. Grouts
“A History of Western Music” von 1980 wagt sich soweit vor, von “probably
in 1727” als dem Urauffuehrungsjahr zu sprechen, waehrend das “New Harvard
Dictionary of Music” von 1986 noch an “1727 or 1729” festhaelt. “The New
Grove - Bach Family” und “Grove’s Dictionary of Music”, beide 1980 verlegt
und von Stanley Sadie herausgegeben, weisen in gleichem Wortlaut darauf
hin, dass:
”It is probable that the first performance of the St.
Matthew Passion took place on Good Friday of 1727: this would be in
the earlier version; BWV 2446. Recent scholarship has produced evidence
(the dating of Picander’s text; the repairing of the second organ at the
Thomaskirche, etc.) which calls into question the traditional belief that
the first performance was on Good Friday 1729” (The Bach Family: 90,
Grove’s Dictionary, 2: 797)
Hier wird auf die Moeglichkeit
hingewiesen, dass die Matthaeuspassion vielleicht schon am Karfreitag 1727
uraufgefuehrt wurde, und zwar in der frueheren Form (BWV 2446) und dass
die Bachforschung Beweise dafuer aufgrund der Datierung von Picanders Text
und aufgrund der Reparaturen an der zweiten Orgel in der Thomaskirche
erbringen konnten. “Norton/Grove’s” “Concise Enclyclopedia of Music” (auch
von Stanley Sadie herausgegeben) weist auf die Matthaeuspassion in einer
knappen Werkliste auf Seite 47 mit dem Entstehungsjahr 1727 hin. Aus allen
diesen Angaben laesst sich zumindest ersehen, dass auch die Bachforschung
ein lebendiger Prozess ist, ueber den es sich lohnen wird, hier mehr zu
berichten, falls weitere konkrete Ergebnisse zu diesem Punkt fuer die
Autorin einsichtig werden.
In diesem Zusammenhang ist es mir jetzt
ein besonderes Vergnuegen, hier die mir freundlicherweise von Prof. Dr.
Hans-Joachim Schulze, dem Direktor des Leipziger Bach-Archivs auf meine
Anfrage uebersandte Stellungnahme zu diesem Punkt anzufuegen, die ich in
ihren wesentlichen Teilen direkt zitieren moechte, um deren Wirkung so
unmittelbar wie moeglich zu gestalten:
“Die Frage, ob die erste
Auffuehrung der Matthaeus-Passion schon vor 1729 stattgefunden haben
koennte, ist erstmals von Alfred Duerr ("Zur Chronologie der Leipziger
Vokalwerke J.S. Bachs", Bach-Jahrbuch 1957) aufgeworfen worden. Duerr wies
darauf hin, dass in den Originalstimmen zum Sanctus D-Dur (dem spaeter in
die h-Moll-Messe eingegliederten, jedoch schon 1724 entstandenen Sanctus)
einige (nachtraeglich durchgestrichene) Noten der Arie "Mache dich, mein
Herze, rein" enthalten seien und, da die betreffende Sanctus-Stimme zu
einer Wiederauffuehrung zu Ostern 1727 gehoerte, die Arie 1727 schon
existiert haben muesse. Bis dahin galt das errechnete Datum 15. April 1729
als sozusagen unumstoesslich, obwohl bereits Karl Friedrich Zelter im
Textbuch der legendaeren Berliner Auffuehrung der Passion durch
Mendelssohn (1829) seinem Hinweis auf die Wiedergewinnung des Werkes nach
exakt einem Jahrhundert die vorsichtige Bemerkung angeschlossen hatte:
"...ob diese Auffuehrung die allererste gewesen? besagt der alte
Kirchentext des genannten Jahres nicht". Der ihm offenbar vorliegende
"alte Kirchentext" von 1729 ist leider nicht erhalten.
In einer
Rezension des Buches von Karl Geiringer "Die Musikerfamilie Bach"
(Muenchen 1958) in: Beitraege zur Musikwissenschaft, Jg. 2, 1960, Heft 2,
S. 81 ff. habe ich Duerrs quellenkundliche Ermittlung aufgegriffen und zu
anderen Belegen in Beziehung gesetzt (vgl. die beigefuegte Kopie). Einige
Jahre spaeter verlagerte sich die Diskussion auf die Ebene der
ueberlieferten Texte. Detlef Gojowy ("Zur Frage der Koethener Trauermusik
und der Matthaeuspassion", in: Bach-Jahrbuch 1965, S. 86ff.) glaubte den
Text der Trauermusik auf Fuerst Leopold als originaer, den der
Matthaeus-Passion (hier Arien - einschliesslich der Chorsaetze in
Arienform -, auch einige Accompagnato-Rexitative) als abgeleitet zu
erkennen. Ihm widersprach Harald Streck in einem "Exkurs ueber die
Prioritaetsfrage zwischen der Koethener Trauermusik und der
Matthaeus-Passion" in ders., Die Verskunst in den poetischen Texten zu den
Kantaten J.S. Bachs, Hamburg 1971, S. 132-153).
Fuer die
Prioritaet der Matthaeus-Passion plaedierte 1975 auch Joshua Rifkin ("The
Chronology of Bach's Saint Matthew Passion", in: The Musical Quarterly 61,
1975, S. 360 ff.), In der Textbewertung schloss er sich Streck an,
hinsichtlich der Beiziehung biographischer Daten fuehrte er - ohne
Kenntnis meiner Rezension von 1960 - die dort beigebrachten Hinweise
wieder an, ergaenzt um die Bemerkung, dass der Wiederabdruck der
madrigalischen Texte zur Matthaeus-Passion in dem zu Ostern 1729
erschienen Band II von "Picanders Ernst-Schertzhafften und Satyrischen
Gedichten" darauf deute, dass der Passionstext nicht erst "in letzter
Minute" dort eingefuegt worden sein kann.
Gegen eine Datierung der
ersten Auffuehrung auf 1727 hat sich seither kaum Widerspruch erhoben.
Hatten sich Ueberlegungen zum "Gang der Handlung" ehedem auf die Annahme
eines parallelen Arbeitens des Thomaskantors an Passions- und Trauermusik
in den ersten Monaten des Jahres 1729 konzentriert, so muss jetzt gefragt
werden, ob es denkbar ist, dass Bach Arien (und wohl auch Rezitative), die
1727 auf das Passionsgeschehen gemuenzt waren, 1729 mit neuem Text
versehen fuer eine Trauerfreier genutzt haben koennte. Die viele
Jahrzehnte als gueltig angesehenen Grundsaetze fuer Bachs Handhabung des
"Parodieverfahrens" schlossen den Gedanken an einen solchen inhaltlichen
"Abstieg" kategorisch aus, doch vollzieht sich auch hierin allmaehlich ein
Sinneswandel. Um ein Beispiel zu nennen: Emil Platen (Johann Sebastian
Bach, Die Matthaeus-Passion, Entstehung, Werkbeschreibung, Rezeption, 2.
Aufl. Kassel 1997, S. 27 ff.) folgt durchaus der vorstehend beschriebenen
Deutung des Sachverhalts.
Abschliessend noch eine Bemerkung zur
Orgelfrage. Die Belege ueber Reparaturen der Leipziger Orgelinstrumente
tragen zur Frage der Datierung von Passionsauffuehrungen nichts bei. Die
aeltere Forschung glaubte zeitweilig mit dergleichen Hilfskonstruktionen
arbeiten zu koennen, doch hat dies sich als Irrweg
erwiesen.”
Professor Schulze fuegte auch noch den hierzu relevanten
Ausschnitt aus seinem in dieser Stellungnahme erwaehnten Artikel
bei:
"Selbst ein bisher fuer restlos gesichert gehaltenes Datum,
wie das der "Urauffuehrung" der "Matthaeus-Passion" am 15. 4. 1729 (S. 192
u. 257), bleibt nicht unangegastet. Schon Zelter bemerkte im Textbuch der
Zentenar-Auffuehrung in der Berliner Singakademie (1829): "... ob diese
Auffuehrung die allererste gewesen? besagt der alte Kirchentext des
genannten Jahres (1729) nicht." Die bereits erwaehnten quellenkundlichen
Studien lassen eine Auffuehrung im Jahre 1727, das aus verschiedenen
Gruenden als einziges Jahr vor 1729 in Frage kommt, durchaus als moeglich
erscheinen. Hierdurch liessen sich verschiedene Probleme mit einem Schlage
loesen: Die Uebernahme mehrerer Saetze in die Trauermusik fuer den
Fuersten von Anhalt-Koethen gaebe keine zeitlichen Raetsel mehr auf, die
Antwort Bachs im Briefe vom 20.3. 1729 an seinen ehemaligen Schueler Chr.
Gottl. Wecker ("Mit der verlangten Passions Musique wollte gerne dienen,
wenn sie nicht selbsten heuer benoetigt waere") koennte dann nicht mehr
den Eindruck erwecken, als habe Wecker die unbescheidene Bitte geaeussert,
ein noch nie aufgefuehrtes Werk so grossen Ausmasses ausleihen zu duerfen,
sondern liesse eher den Schluss zu, dass Wecker bei der
Passions-Auffuehrung 1727 selbst mitgewirkt habe (vgl. Bach-Jahrbuch
1949/50, S. 97), ja man koennte sogar vermuten, dass Bach die Komposition
und Auffuehrung einer Kantate fuer die Trauerfeier am 8.2. 1727 seinem
Schueler Wecker anvertraute, da er selbst an der Matthaeus-Passion
arbeitete (vgl. dazu Bach-Jahrbuch 1913, S. 71 f. und Bach-Jahrbuch
1959)."
Soviel in diesem Rahmen zum Thema des Datums der
Urauffuehrung der Matthaeuspassion.
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THE QUESTION OF THE ACTUAL DATE OF THE FIRST PERFORMANCE
OF THE WORK Tracing Traditional Bach Literature as Well as Newer
Findings
The precise dating with respect to this alone already
provides a certain opportunity for the study of this work. In order to
strictly proceed in a chronological manner in reviewing the literature
available to me, I started by consulting the biography written by the
first Bach biographer, Johann Nikolaus Forkel, in its English translation,
"Johann Sebastian Bach. His Life, Art, and Work" in the new 1970 edition
of the original London edition of 1929, which has been annotated by
Charles Sanford Terry. On page 22, he notes in the first footnote
that,
"The loss of his patron affected him deeply, and moved him to
compose a funeral cantata containing remarkably fine double choruses which
he himself conducted at Coethen"(3)(Forkel: 22)."
With this remark,
Terry referred to a score that was in Forkel's hands but had gone missing
from his library, that it had been considered lost until 1873 and that
Wilhelm Rust was able to show that Bach had, for this occasion, used
"certain choruses and arias", that he must have written at that time, with
the first chorus of the "funeral Ode" as opening number of this quickly
compiled work. Terry then also refers to Schweitzer II, 208 and to Spitta
II, 618. Forkel himself had nothing further to contribute to this
issue.
In volume two of his Bach biography, Spitta points out
that
"Picander, who in 1729 had compiled the St. Matthew Passion
text for Bach, had also written this one. . . ." (Spitta II:
505).
This is the most precise indication Spitta provides with
respect to this work. The first English translation of his book was
published in 1889.
Albert Schweitzer, on the other hand, is very
straightforward in his presentation of the facts that are known to him,
and also Ernest Newman's translation of 1911 follows Schweitzer in his
love of clarity and simplicity of presentation:
"When Bach began
the composition of the St. Matthew Passion, in the autumn of 1728,
he received, in the middle of November, the news of the death of his
friend Prince Leopold von Coethen, and a commission for some music for the
funeral services" (Schweitzer II, 208).
With respect to the first
performance of the work, Schweitzer wrote,
"From the fact that the
text of the St. Matthew Passion appears in the second part of
Picander's Ernst-scherzhaften und satyrischen Gedichten, which was
published at Easter 1729, we may conclude that Bach's work was produced on
Good Friday--15th April--in that year. The autograph score gives us no
chronological clue; it was made for a later performance, about the
beginning of the seventeen-forties" (Schweitzer II: 231).
The next
source that I had a chance to look at in chronological order was the
biography of that English Bach expert, Charles Sanford Terry, who also
annotated Forkel's work I worked with with a German text from the abridged
1950 re-edition (Insel Verlag) of his 1929 original publication. Here, he
writes on page 171,
"Zu der Zeit, da Bach mit Gaudlitz aneinander
geriet, war er schon mit der Kompsoition der Karfreitagsmusik fuer 1729
beschaeftigt. Dies Jahr kam die Thomaskirche an die Reihe. ... Die
Partitur war noch nicht fertiggestellt, als Fuerst Leopold am 19. November
1728 starb und Bach sich gewogen sah, seinem hohen Freunde in Koethen die
letzte Ehre zu erweisen. ... Am 23. Maerz 1729 nahm die alte Fuerstengruft
in der Snkt-Jakobs-Kirche in Koethen Leopolds sterbliche Ueberreste auf.
Am folgenden Tage wurde die Leichenpredigt gehalten und Bachs
'Trauer-Music' aufgefuehrt. ... Forkel hat 1802 die Partitur gesehen;
seitdem ist sie aber verschwunden; sie enthielt neun Nummern aus der
Matthaeuspassion, den Eingangschor der "Trauer-Ode" aus dem Jahre 1727 und
eine neue Vertonung des 20. Verses von Psalm 48 ... " (Terry:
171),
and on page 172 he writes,
"Am Karfreitag des Jahres
1729 (15. April) brachte Bach die letzte und groesste seiner Passionen
heraus" (Terry: 172).
With this, Terry expressed that, when Bach
had his differences with Gaudlitz, he was already busy with the
composition of the music for Good Friday of 1729, that this year, it would
be the turn of St. Thomas church and that, when the score was not even
finished yet, he had received news of his former employer Prince Leopold
of Coethen's November 19, 1728, death, that Bach saw himself urged to
write funeral music, that the burial took place on March 23, 1729 and that
the funeral service was held a day later, with Bach's music being
performed, that Forkel had seen the score in 1802 but that it is now lost,
and that the 'funeral ode' contained nine numbers from the St. Matthew
Passion, the introductory chorus of the 1727 Trauerode and a new version
of the 20th verse of Psalm 48 and lastly, that Bach brought out the last
and greatest of his Passions on Good Friday of 1729 (April
15th).
The next source that could be consulted was Geiringer's Bach
biography of 1966 in its original English version. In it, Geiringer
writes,
"On Good Friday, 1729, his St. Matthew Passion had its
performance at St. Thomas'(4) (4) It has also been suggested that the
first performance took place as early as 1727 (cf. Beitraege zur
Musikwissenschaft, 1960, p. 84), but no proof has so far been
established. The libretto preserved by C.F. Zelter, but lost today, showed
the date of April 15, 1729" (Geiringer: 65).
"It is probable that the first performance of the
St. Matthew Passion took place on Good Friday of 1727: this would
be in the earlier version; BWV 2446. Recent scholarship has produced
evidence (the dating of Picander's text; the repairing of the second organ
at the Thomaskirche, etc) which calls into question the traditional belief
that the first performance was on Good Friday 1729" (The Bach Family: 90,
Grove's Dictionary, 2: 797).
"Norton Grove's Concise Encyclopedia
of Music" (also edited by Stanley Sadie) points to the year 1727 as the
first performance year, as well.
All of this would at least
indicate that Bach research is an ongoing process and would warrant
further reporting on as information on new findings becomes available to
the writer.
In this context I am very pleased to be able to present
to you information that was very kindly provided to me by Professor Dr.
Hans-Joachim Schulze, the Director of the Leipzig Bach-Archives on my
recent enquiry. The German text of his letter can be seen to the left in
the German version. Here, we might want to have a look at an English
translation of it:
"The question as to whether the first
performance of the St. Matthew Passion could already have taken place
before 1729 was first raised by Alfred Duerr ("Zur Chronologie der
Leiziger Vokalwerke J.S. Bachs", Bach-Jahrbuch 1957). Duerr pointed out
that in the origial voices that were contained in the Sanctus in D-Major
(which was later incorporated into the h-minor Mass, but it had already
been composed in 1724) a few notes of the aria "Mache dich, mein Herze,
rein" (which had been subsequently crossed out), since, as the Sanctus
voice in questions was also part of an Easter 1727 re-performance, the
aria must already have existed in 1727. Until that time, the calculated
date of April 15, 1729 had been so-to-say irrefutable, even though already
Karl Friedrich Zelter, in the text book of the legendary Berlin revival of
the Passion by Mendelssohn (in 1829), to his remark on the revival of the
work precisely 100 years later, also added the cautious note, "...ob diese
Auffuehrung die allererste gewesen? besagt der alte Kirchentext des
genannten Jahres nicht". The old church text of 1729 which he obviously
looked at has, unfortunately, not been preserved.
In a review of
Karl Geiringer's book, "Die Musikerfamilie Bach" (Munich 1958) in:
Beitraege zur Musikwissenschaft, Year 2, 1960, Issue 2, Page 81ff, I
picked up Duerr's remarks with respect to the sources he considered and
have brought them into connection with other documentation (see the
attached copy). A few years later, the discussion shifted to the level of
the preserved texts. Detlef Gojowy ("Zur Frage der Koethener Trauermusik
und der Matthaeuspassion", in Bach-Jahrbuch 1965, P. 86ff) believed to
recognize the text of the 'funeral music' for Prince Leopold as
originating, that of the St. Matthew Passion (here arias--including the
choral settings in aria form, also some accompagnateo-recitatives) as
derivative. In his "Exkurs ueber die Prioritaetsfrage zwischen der
Koethener Trauermusik und der Matthaeus-Passion" in "Die Verskunst in den
poetischen Texten zu den Kantaten J.S. Bachs", Hamburg 1971, P. 132-153),
Harald Streck contradicted him.
For the priority of the St. Matthew
Passion pleaded also Joshua Rifkin ("The Chronology of Bach's Saint
Matthew Passion", in: The Musical Quarterly 61, 1975, P. 360 ff) in 1975.
In the evaluation of the text, he agreed with Streck, respecting the
additional consultation of biographical data he--without his having been
acquainted with my review of 1960--also brought up the points raised in
it, complemented by his remark that the re-print of the Madrigal texts to
the St. Matthew Passion in volume II of "Picanders Ernst-Schertzhafften
und Satyrischen Gedichten" which was published at Easter 1729, would point
towards the fact that the Passion text chould not have been inserted there
"in the last minute".
Ever since, there has hardly been raised any
argument against the dating of the first performance (of the work) in
1727. While previous considerations with respect to the "flow of events"
concentrated on the supposition of Bach's working parallelly on the
Passion music and on the Funaral music during the first months of 1729,
the question that has to be raised now is that if it is conceivable that
Bach could have used arias (and possibly also recitatives) that had been
developed in 1727 for the Passion and could have been supplied with new
texts for the funeral music in 1729. The principles with respect to the
so-called "parody procedure" that prevailed for many decades with respect
to Bach's handling of it cateogrically excluded such a "deviating down",
however, also here a change of opinion is in process. To name as example:
Emil Platen (Johann Sebastian Bach, Die Matthaeus-Passion, Entstehung,
Werkbeschreibung, Rezeption, 2nd Edition, Kassel 1997, P. 27ff) certainly
follows the above-noted interpretation of the facts. In conclusion, a
remark to the "organ question". The documents respecting the repairs of
the Leipzig organs do not contribute anything to the question of the
dating of the Passion performances. Previous research believed to be able
to at times work with such aides, but this has proven as
erroneous."
The quotation from Professor Schulze's article can be
seen in German to the left. With this account, we may, at this time,
conclude our investigation of this issue.
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BACHS AEUSSERE UMSTAENDE WAEHREND DER SCHAFFENSZEIT DES
WERKS Eine Untersuchung seiner Rolle als Thomaskantor und seiner
Lebensumstaende waehrend der Jahre 1723 - 1729
Der abgesteckte
weite Zeitrahmen, in dem dieses Werk herangereift ist legt nahe, dem Rat
der meisten Bach-Biographen zu folgen, Rueckschluesse aus bestimmten
aeusseren Umstaenden des Alltags- und Schaffensslebens Bachs auf seine
jeweils entstandenen Werke zu vermeiden, da uns aus saemtlicher
Bachliteratur vom Charakter seines Kuenstlertums zumindest soviel
entgegenleuchtet, dass wir den Unterschied zwischen ihm und, um auf das
“andere Extrem”, Beethoven, hinzuweisen, ansatzweise erkennen koennen. Aus
all dem geht hervor, dass die aeusseren Lebensumstaende dieses Komponisten
in seinen Werken kaum einen Niederschlag fanden.
Ohne hier in ein
musikalischen Laien nicht zustehendes Philosophieren zu geraten laesst
sich demgegenueber jedoch am allerdeutlichsten an der
Matthaeuspassion feststellen, dass in den geistlichen Werken Bachs
sicherlich seine tiefe Religiositaet ihren Ausdruck fand. Gerade in diesem
Zusammenhang mag es dann zumindest aufschlussreich sein, die “grossen
Zuege” der aeusseren Lebensumstaende Bachs waehrend der Schaffenszeit
dieses Werkes nachzuzeichnen, um sich den Kontrast zwischen Alltagsleben
auf der einen Seite und verinnerlichter Religiositaet im geschaffenen Werk
auf der anderen Seite selbst vor Augen halten zu koennen. Mehr kann und
darf eine solche kurze Untersuchung sich ohnehin nicht
anmassen.
Diese Untersuchung sollte folgende Themen
anschneiden:
Der Zustand der Thomasschule in Leipzig vor Bachs
Einstellung; Die Umstaende und das Zustandekommen von Bachs
Anstellung; Bachs vertragliche Verpflichtungen als
Thomaskantor; Bachs Art, die Gegebenheiten zu bewaeltigen; Der
Einfluss seines Familienlebens auf seine Arbeit und auf sein Schaffen
waehrend dieser Zeit.
Der Zustand der Thomasschule in Leipzig vor
Bachs Einstellung.
Hier sollte nun erst einmal kurz Erwaehnung
finden, das die Zustaende an der Leipziger Thomasschule sich zu dieser
Zeit ueber mehrere Jahrzehnte hin verschlechtert hatten und es um die
ehemals in sehr gutem Ruf stehende Schule nicht zum besten stand und dass
es auch Kuhnau nicht gelungen war, dies wesentlich zu aendern. Einer der
Hauptgruende fuer den Verfall der Disziplin an der Schule war wohl auf die
grosse Raumnot zurueckzufuehren, unter der die Schueler hausen und
studieren mussten. Grundsaetzlich kann dazu vielleicht auch angefuegt
werden, dass die Leipziger Stadtherren fuer sehr dringend notwendige
Veraenderungen zur Verbesserung dieser Zustaende sich leider nicht in der
Lage sahen, die noetigen finanziellen Mittel zur Verfuegung zu stellen.
Als Beispiel fuer diese unzulaenglichen Zustaende sei hier diese Stelle
aus Schweitzers Schilderung zitiert:
"If the place was to be
reformed, the singing in the streets would first have to be abolished.
This was impossible, however, since the rector and the two head teachers
made a not inconsiderable profit out of the collections, and the scholars
themselves were dependent upon these earnings. . . . How art fared in such
an establishment can easily be imagined. Kuhnau's memorials to the town
council paint a truly wrteched picture. ... The impression given us by all
these petitions is that Kuhnau had no standing at all as regards the
council" (Schweitzer I: 117-118).
Die Umstaende und das
Zustandekommen von Bachs Anstellung
Als Bach in den fruehen 1720er
Jahren noch seinen fuer ihn sowohl vom menschlischen Kontakt mit seinem
jungen Arbeitgeber, Fuerst Leopold von Koethen her, als auch von seiner
dortigen guten Gelgenheit, seine kompositorischen Mogelichkeiten in der
Instrumentalmusik weiterzuentwickeln, sehr erfreulichen Position als
dortiger Kapellmeister jedoch auch schon nach weiteren Moeglichkeiten,
seine Entwicklung in der geistlichen Musik zu foerdern durch eine
geeignete Anstellung Ausschau hielt, wurde im Juni 1722 der Posten des
Leipziger Thomaskantors frei. Dieser Posten wurde jedoch zuerst anderen
Musikern wie Telemann angeboten, der ihn aufgrund seines erst 1721
eingegangenen Vertrages als Hamburger Stadtmusikdirektor nicht annhemen
konnte, aber auch einem Schueler Kuhnaus, dem Darmstaedter Kapellmeister
Graupner. Schweitzer berichtet, dass Bach sich um diesen Posten dann erst
gegen Ende dieses Jahres bemuehte (Schweitzer I:111). Waehrend die
Aussicht fuer Bach, anstatt als Kapellmeister eines ihm freundschaftlich
geneigten Fuersten als Kantor fuer die musikalische Erziehung von
Chroknaben unter einem Schulrektor verantwortlich zu sein vielleicht nicht
der einladendste Aspekt dieser neuen angestrebten Position gewesen sein
mag, mochte jedoch, neben der intensiveren persoenlichen Beschaeftigung
mit geistlicher Musik auch die in Leipzig fuer seine Soehne zur Verfuegung
stehende Universitaetsausbildung ein Beweggrund fuer seine Bewerbung
gewesen sein. Waehrend Bach von seiner Anstellung offiziell am 5. Mai 1723
unterrichtet wurde, trat er diese am Montag, den 31. Mai an.
Bachs
vertragliche Verpflichtungen als Thomaskantor
Seine vertraglichen
Verpflichtungen legten fest, dass er Leipzig nicht ohne Erlaubnis des
Buergermeisters verlassen durfte, und den Thomasschuelern Gesangs- und
Instrumentalunterricht zu erteilen hatte. Auch wurde ihm abverlangt, dass
er die sogenannte Concordia Formula unterzeichnete, was als Beweis
seiner orthodoxen lutherischen Einstellung angenommen wurde. Schweitzer
beschreibt diese Concordia Formula als das letzte symbolische
Dokument des lutherischen Glaubens, das gegen Ende der 1580er Jahre in
Sachsen als Einigungsdokument entstand, dem sich dann die meisten
etablierten lutherischen Kirchen Deutschlands anschlossen.
Bachs
Art, die Gegebenheiten zu bewaeltigen
Bachs offizielle Pflichten
als Thomaskantor werden von den meisten Biographen als nicht zu
anstrengend beschrieben und sollten im unguenstigsten Falle nicht mehr als
drei Stunden pro Tag beansprucht haben. Im Laufe der Zeit erhob sich gegen
ihn der Vorwurf, dass er sich nicht eingehend genug mit der
Disziplinierung seiner Schueler beschaeftigte und auch den
Gesangsunterricht der juengeren Schueler sehr oft seinen aelteren
Schuelern ueberliess. Dieser Sachverhalt kann selbst jeden Laien dazu
fuehren zu erkennen, dass sich Bach in der Annahme dieser Stellung,
zumindest von seinen Aufgaben als Disziplinaer seiner Schueler her, einen
ihm nicht passenden Schuh angezogen hatte.
Der Einfluss seines
Familienlebens auf seine Arbeit und auf sein Schaffen waehrend dieser
Zeit
Ein Schuh, der ihm im Gegensatz dazu passte war sein
Familienleben in seiner zweiten Ehe, in der er das "praktische
Lutheranertum" ausueben konnte im Genuss aller Aspekte seines Familien-
und Ehelebens. Es kann auch festgestellt werden, dass diese guenstigen
Umstaende, die ihm eine musikalische zweite Frau zur Seite stellten, die
ihm auch beim Kopieren seiner Musik half, und einige musikalisch sehr
talentierte Kinder bescherten, seine Kreativitaet nicht unbedingt negativ
beeinflussten.
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BACH'S OUTER CIRCUMSTANCES AROUND THE TIME OF THE
CREATION OF THE ST. MATTHEW PASSION An Investigation of his Role as
Thomas Cantor and of his life circumstances during the years 1723 -
1729
The broad time frame that has been established in which this
work grew would suggest that it is a wise idea to follow the advice of
most Bach biographers to avoid drawing conclusions from the outer
circumstances of Bach's life and their possible influence on his works
created at the same time. This can also be confirmed by the impression we
gain from Bach literature as to the composer's artistry and his character,
so that we can recognize the difference between him and, to name the
"other extreme", a composer like Beethoven. From all of this we might
conclude that the outer circumstances of Bach's life had little if not
even no influence on his works. With some reflection, even lay friends of
Bach's music can recognize that we can, most clearly in the St. Matthew
Passion, recognize that in Bach's sacred works there are surely expressed
his deep religious feelings. Particularly in this context, it might
still at least be very informative to look at the "big picture" of
the outer circumstances of his life during the period in question, so that
we can gain a better impression of the contrast between those and
the religious feeling expressed in this work. Such a brief exploration can
and should not be aiming at accomplishing more.
This exploration
should look at:
the conditions at the Thomas School in Leipzig
before Bach arrived; the circumstances of Bach's appointment; Bach's
contractual duties; Bach's actual handling of himself during this
period; as to whether his family life harmed or furthered his
creativity.
The Conditions at the Thomas School in Leipzig Before
Bach Arrived
Here should be mentioned briefly that the conditions
at the Thomas School at this time had worsened for decades and that the
school which once had held an excellent reputation, had deteriorated. The
main cause for this can possibly be found in the cramped space that was
available for the students to live and study in and that discipline was at
an all-time low due to this. Basically it can also be said that Leipzig's
city officials did not provide any necessary funds for the improvement of
this. Here, we may quote Albert Schweiter again:
"if the place was
to be reformed, the singing in the streets would first have to be
abolished. This was impossible, however, since the rector and the two head
teachers made a not inconiderable profit out of the collections, and the
scholars themselves were dependent upon these earnings. . . . How art
fared in such an establishment can easily be imagined. Kuhnau's memorials
to the town council paints a truly wrteched picture. . . . The impression
given us by all these petitions is that Kuhnau had no standing at all as
regards the council" (Schweitzer I, 117-118).
The Circumstances of
Bach's Appointment
When Bach, in the early 1720's, inspite of his
holding a very good position as Kapellmeister which he might have
cherished not only from the aspect of the possibilities it provided for
him with respect to his compositional development in instrumental music
but also from the aspect of the fine friendship that had developed between
him and Prince Leopold, also was in search of a position that would allow
for his further compositional development in the field of sacred music,
the position of the Cantor at Leipzig's St. Thomas church and school
became vacant in June, 1722. This position was, however, at first offered
to other musicisans such as Telemann who could not accept it due to his
recently (in 1721) formed contract as Hamburg music director, but also to
Kuhnau's student, the Darmstadt Kapellmeister Graupner. Schweitzer reports
that Bach did not apply for this position until the end of that year
(Schweitzer I, 111). While for Bach, the prospect of working, instead of
as Kapellmeister to a Prince with whom he had formed a friendship, as a
Cantor who would be responsible for the musical training of boys under the
supervision of a school principal, might not have been the most appealing
aspect of the new position he was applying for, it might, however, next to
the possibility of his more intense occupation with sacred music, also
have looked very advantageous to him due to the educational facilities
that would thus become available to his older sons, particularly the
University of Leipzig. While Bach was officially advised of his new
emplopyment on May 5, 1723, he began his work there on Monday, May 31st of
that year.
Bach's Contractual Duties
His contractual duties
stipulated that he was not to leave Leipzig without the permission of the
mayor, that he had to give vocal and instrumental music instruction to the
students at the St. Thomas School, and he also had to sign the so-called
Concordia Formula, which signing was considered proof of his
adherence to orthodox Lutheranism. Schweitzer describes this Concordia
Formula as the last symbolic document of the Lutheran faith which had
been drafted in Saxony in the 1580's and which was then adopted by most
established Lutheran churches in Germany.
Bach's actual Handling of
Himself During this Period
Bach's official duties as Thomas Cantor
are described by most biographers as not too stringent and should, at the
most, have occupied him for three hours each day. In time, Bach was
accused of not being concerned enough with disciplining his students and
that he also preferred to leave the instruction of his younger pupils, at
times, in the hands of his senior students. This hardly contradicted state
of affairs may also lead every lay reader to observe that Bach, at least
with respect to this matter, had put on shoes that did not really fit him
when he accepted this position.
As to whether his Family Life
Harmed or Furthered his Creativity
A pair of shoes that really fit
Bach was, however, his home life in his second marriage in which he could
continue to practice "practical Lutheranism" in the enjoyment of "all"
aspects of family and married life, and it can certainly be observed that
those favorable conditions, with him being sorrounded by a devoted, hihgly
musical wife who also assisted him in copying music, and with several of
his children showing promising musical talent, did not affect him
negatively in his creativity.
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DIE CHRONOLOGISCHE ENTWICKLUNG DER
MATTHAEUSPASSION Ein Versuch, wie wichtigsten Grundtendenzen zu
verfolgen
Aus Prof. Dr. Schulzes Ausfuehrungen koennen wir aufgrund
des darin enthaltenen Hinweises auf die 1957 von Alfred Duerr gestellten
Fragen bezueglich der Originalstimmen im Sanktus D-Dur doch zumindest die
Moeglichkeit nicht ausschliessen, dass schon 1724 die dersten "Keime" des
Werks in Bach heranreiften.
Jedoch laesst sich dann schwer
feststellen, wie die "Wechselwirkung" der Matthaeuspassion auf die
Traueroden von 1727 und 1728/29 im einzelnen zu bewerten sei, da wir ja
von der sehr konkreten Moeglichkeit ausgehen muessen und koennen, dass
dieses Werk schon am Karfreitag des Jahres 1727 in der Thomaskirche zur
Urauffuehrung gelangte.
Bei den beiden "demnach" nachtraeglich
entstandenen Traueroden handelte es sich zum Einen um jene fuer Koenigin
Christine Ebarhardine von Sachsen, die fuer den "groessten Teil" ihrer Ehe
mit Koenig August dem Starken aus "hinlaenglich bekannten Gruenden" sich
selbst ueberlassen war und, im Gegensatz zu ihrem Gatten, der 1697, zur
Erlangung der polnischen Krone, zum katholischen Glauben uebertrat, an
ihrem lutherischen Glauben festhielt und vom Volk fast als Heilige verehrt
wurde. Sie starb am 7. September 1727, und bereits am 17. Oktober wurde in
der Leipziger St. Pauls-Kirche (die der Universitaet angeschlossen war)
Bachs Trauerode aufgefuehrt. Der Veranstaltungsleiter bestellte den Text
bei Gottsched und die Musik bei Bach anstatt von Goerner, dem "Amstbruder"
Bachs an der St. Pauls-Kirche. Jener konnte dann auch durchsetzen, dass
dies der einzige Autrag blieb, den Bach fuer die Komposition eines in der
St. Pauls-Kirche zur Auffuehrung kommenden Werkes erhielt. Da Bach dieses
Werk in aller Eile zu Papier brachte, ist diese Partitur sehr schlecht
lesbar.
Die zweite Trauermusik wurde ja hier bereits erwaehnt,
ebenfalls die Moeglichkeit, dass Bach fuer diese insgesamt neun "Nummern"
der Matthaeuspassion umarbeitete. Es kann noch hinzugefuegt werden, dass
Bach Picander beauftragte, den Text fuer die Ode so zu schreiben, dass er
sich gut auf die ausgewaehlten Stuecke der Passion anwenden liess. Den
Eroeffnungschor dieser Trauerode wiederum entlehnte Bach jedoch aus der
Trauerode von 1727. (Schweitzer I, 208). Schweitzer bedauert sehr, dass es
Bach anscheinend nicht schwer fiel, gewisse Teile der Matthaeuspassion in
diesem Werk im sogenannten "Parodieverfahren" anzuwenden (Schweitzer I,
209).
Was sich nicht leicht feststellen laesst ist die "genaue"
Entstehungsgeschichte der Passion selbst zur Fertigstellung ihrer ersten
Version fuer eine Karfreitagsurauffuehrung im Jahre 1727. Aus diesem Grund
sollte sich diese Zusammenstellung nun darauf konzentrieren, was ueber den
Inhalt des Werks und ueber den Text im allgemeinen anzumerken
ist.
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THE CHRONOLOGICAL DEVELOPMENT OF THE ST. MATTHEW
PASSION An Attempt at Tracing the most Important Facts
From
Professor Dr. Schulze's information we can, based on his report with
respect to the questions that Alfred Duerr raised in 1957 with respect to
the original voices in the Sanctus in D-Major, at least not exclude the
possibility that Bach's first "ideas" with respect to this work already
began to develop in 1724.
It is difficult, however, to determine
how the the St. Matthew Passion impacted the Funeral Odes of 1727 and
1728/29 in particular, since we have to and may go out from the distinct
possibility that the Passion was, indeed, first staged on Good Friday of
1727.
The Funeral Odes that were, "according to this" composed
after the initial composition of the St. Matthew Passion, on the one hand,
that for Queen Christine Eberhardine of Saxony, who, for the "major part"
of her marriage with King August the Strong was mainly left "to her own
devices" due to only "too well known and obvious reasons" and who,
contrary to her husband who adopted the Catholic faith in 1697 so that he
would become eligible for the throne of Poland, kept her Lutheran faith.
She died on September 7, 1727, and as early as on October 17th of the same
year, the Funeral Ode was performed at Leipzig's St. Paul's Church which
was affiliated with the University of Leipzig. The event manager ordered
the text from Gottsched and the music from Bach instead from Goerner,
Bach's St. Paul Church colleague. The latter was subsequently able to
influence his employers to that effect that this commission was to be the
last Bach received for the composition of a work that was staged at St.
Paul's Church. Since Bach had put this work down on paper very quickly,
the score is hardly legible.
The second funeral music has already
been mentioned here and also the possibility that Bach used nine numbers
of the St. Matthew Passion for it. To this can still be added that Bach
asked Picander to write the text for this Ode in such a way that it would
fit well with the already existing and selected St. Matthew Passion
movements. The opening chorus of this work, however, was borrowed from the
Funeral Ode of 1727 (Schweitzer I, 208). Schweitzer regrets that Bach was
apparently able to "parody" the St. Matthew Passion by using movements of
it for the 1728/9 Funeral Cantata Schweitzer I, 209).
What cannot
be easily determined is the "precise" chronological history of the Passion
itself with a view of its initial completion for its premiere on Good
Friday of 1727. Due to this, this overview should now concentrate on that
which is notable with respect to the content of the work and with respect
to the writing of its text.
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ANMERKUNGEN ZUM WERK SELBST UND ZUR ZUSAMMENSTELLUNG DES
TEXTS Ein sehr kurzer Ueberblick
Waehrend es jedem, der oder die
von diesem Werk durch eine bemerkenswerte Aufnahme oder Auffuehrung einen
erneuten, besonders tiefen Eindruck erhielt, sehr schwer sein mag, den
"Inhalt" des Werks in seine Einzelteile aufzugliedern, kann zumindest
beobachtet werden, dass sich beim "vordergruendigen Hoeren" desselben der
lebendige Eindruck einstellt, dass Bachs tiefe Religiositaet und sein
unbedingter Glaube an uns mit der Ausdruckskraft jeder gesungenen und
gespielten Note herantritt. Es waere daher hier zu diesem Zeitpunkt nicht
sehr hilfreich, eine Aneinanderreihung der einzelnen Teile dieses Werks
folgen zu lassen. Vielmehr moechte die Verfasserin hier Einzelinformation
uebermitteln, die sie im Gespraech mit Leonard Ratzlaff, dem Edmontoner
Chorleiter, erfuhr, und von diesen auf weitere Anmerkungen zur
Textgestaltung durch Picander eingehen.
Herr Ratzlaff erklaerte mir
freundlicherweise, dass der Text sich grundsaetzlich aus drei
Einzelkomponenten zusamamensetzt, naemlich dem originalen Bibeltext aus
Matt. 25 und 26 aus der Lutherbibel, der vom Evangelisten gesungen wird,
Picanders Text und den Texten anderer Autoren in den eingefuegten
Choraelen, von denen "O Haupt voll Blut und Wunden" wohl der bekannteste
sein duerfte.
Zum Picanderschen Text ist wohl zu bemerken, dass
dieser unter der direkten Anleitung Bachs zustandekam. Schweitzer ist
sogar der Auffassung, dass der sich auch eines sehr profanen Lebenswandels
befleissigende Leipziger Christian Friedrich Henrici, der unter dem Namen
Picander auch Komoedien eines gewissen Genres schrieb, hier unter der sehr
strengen Aufsicht Bachs stand im Hinblick auf dessen Verlangen fuer einen
dem Anlass entsprechenden Text.
Nachdem es jenen inspirierteren
Hoerern gelungen sein mag, ueber diesen sehr starken ersten
"vordergruendigen religiosen Eindruck" unter Einbeziehung eines
Verstaendnisses des Texts, auch nur "in etwa" weitergekommen zu sein in
der Hoererfahrung, mag sich zumindest der eine oder andere unter ihnen
veranlasst sehen, das Werk erneut mit "anderen Ohren" zu hoeren und den
Gesamteindruck auf sich wirken zu lassen, der dann nicht unbedingt am
vordergruendigen ersten religioesen Eindruck stehenzubleiben hat, sondern
die tieferliegende Geistigkeit dieses Werks zumindest ansatzweise zu
erkennen gibt. Dieses Erlebnis wird wohl dann fuer jeden Hoerer
individuell sehr verschieden sein, sodass diese kurzen Bemerkungen zum
Werk selbst hiermit ihren Abschluss finden.
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SOME COMMENTS TO THE WORK ITSELF AND TO THE WRITING OF
ITS TEXT A Very Brief Overview
While it might be difficult for
everyone who has gained a new, yet deeper impression of this work, either
through a remarkable performance or through a remarkable recording, to
dissect the "content" of the work into its different components, one can,
at least, observe that, on one's first such new listening, one can gain a
vivid impression of the fact that Bach's deep religious feelings and his
unquestioning faith are expressed in every single note that is sung and
played. Due to this it would not be very helpful at the moment, to simply
provide a "superficial listing" of the components of this work. Rather,
the writer will only convey some information that was provided to her by
Leondard Ratzlaff, the conductor of Edmonton's upcoming performance, and
then proceed to some more remarks on the compilation of the text by
Picander.
Mr. Ratzlaff kindly explained to me that the text itself
is comprised of the original bible text from Matthew 25 and 26 which is
sung by the evangelist, Picander's text and the texts of other authors of
the inserted chorales, of which "O Haupt voll Blut und Wunden" might be
the best-known.
To Picander's text can be noted that it was written
under the direction of J.S. Bach. Schweitzer is even of the opinion that
the Leipziger Christian Friedrich Henrici who was known for his
none-too-pious lifestyle and who also wrote "like-minded" comedies under
the name of Picander worked under the very strict supervision of Bach
since the composer wanted the text to be appropriate for its
purpose.
After listeners might have progressed beyond the first
deeper listening impression which took the particulars of the text and its
impact into account, one or the other of them might feel urged to listen
to this work again with "different ears" and to let the overall impression
of the work impact them anew in order to experience the deeper
spirituality of it to some degree. Since this experience might be a very
different one for each listener, these general remarks shall close
here.
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ZUR WEITEREN AUFFUEHRUNGSGE- SCHICHTE DES
WERKS
...Zu Bachs Lebzeiten
Erst hier ist es mir moeglich,
wieder auf 'rein aeusserliche Tatsachen' im Zusammenhang mit diesem Werk
einzugehen. Dies stimmt dann auch rein aeusserlich und zufaellig damit
ueberein, dass ich fuer die Einzelheiten einer auch am Karfreitag 1729
sicherlich stattgefundenen Auffuehrung Charles Sandford Terrys
Schilderungen zu Rate ziehe, ohne dieser in der einen oder anderen
Richtung bezueglich des Urauffuehungsdatums eine besondere Bedeutung
beizumessen:
"Der ungeheure Umfang der Partitur ist auch insofern
bemerkenswert, als Bach sich fast um dieselbe Zeit ueber die
Unzulaenglichkeit der ihm zu Gebote stehenden Mittel beklagte. Fuer die
beiden Choere, die das Werk verlangt, verwandte er seinen Chroum primum
und Chorum secundum; so hatten die Angaben Coro primo und Coro secondo in
seiner Partitur noch ihre besondere und lokale Bedeutung. Waehrend der
erste die ganze Bibelerzaehlung und die meisten biblischen Charaktere zu
uebernehmen hat, sind dem zweiten nur die beiden falschen Zeugen
zugewiesen, und seine Aufgabe ist verhaeltnismaessig einfach und den
Faehigkeiten von Saengern angepasst, die fuer gewoehnlich keine
Figuralmusik zu singen habem. Die Thomaskirche besass die zwei Orgeln, die
Bachs Partitur vorschrieb. Die groessere, in der westlichen Empore, hatte
drei Manuale und war 1525 in der Thomaskirche aufgestellt, 1670 erweitert
und 1721 aufs neue umgebaut worden; die kleinere und aeltere Orgel stand
zunaechst neben der anderen; 1639 wurde sie an die Ostwand der Kirche
verlegt und 1740 ganz entfernt. Obgleich sie einen unguenstigen Platz
hatte, wurde sie doch 1736 bei der Wiederholung der Matthaeuspassion
bestimmt gespielt; sie muss wohl auch 1729 benutzt worden sein, wenn sie
nicht etwa voruebergehend in unbrauchbarem Zustande war. Die beiden
Orchester setzten sich aus den Stadtmusikanten, aus Instrumentalisten der
Thomasschule, Studiosis der Universitaet und Mitgliedern von Bachs
Collegium Musicum zusammen. Wenige unter denen, die der Auffuehrung
beiwohnten, hatten das richtige Verstaendnis fuer die inbruenstige
Froemmigkeit und technische Vollendung des Riesenwerkes. Gewiss handelt es
sich um die Matthaeuspassion wenn Gerber drei Jahre spaeter schreibt: "Auf
einer Adelichen Kirch=Stube waren viel Hohe Ministri und Adeliche Damen
beysammen, die das erste Passionslied aus ihren Buechern mit grosser
Devotion sungen. Als nun diese theatralische Music angieng, so geriethen
alle diese Personen in die groesste Verwunderung, sahen einander an und
sagten: Was soll daraus werden? Eine alte Adeliche Wittwe sagte: Behuete
Gott, ihr Kinder! Ist es doch, als ob man in einer Opera-Comoedie waere'"
(Terry 172-173). Aus Terrys Kommentar allein koennen wir ersehen,
dass das Werk nach 1729 auch 1736 wieder zur Auffuehrung kam, im Zusatz zu
moeglichen weiteren Auffuehrungen in den 1740er Jahren, auf die im
Zusammenhang mit der "Datumsfrage" schon kurz hingewiesen worden
sind.
...Zur Wiederauffuehrung von 1829
Zur kurzen
Schilderung des Hergangs der Berliner Wiederauffuehrung der
Matthaeuspassion durch Felix Mendelssohn in Berlin mit Unterstuetzung
seines Lehrers Karl Friedrich Zelter, dem Direktor der Berliner
Singakademie, zog ich Heinrich Eduard Jacobs Mendelssohn-Biographie zurate
und kann hierzu kurz folgendes anmerken:
Waehrend Zelter zwar ein
Verehrer Bachs war, war er anfangs nicht davon ueberzeugt, dass seine
Choraele den aufgeklaerten Berlinern 'viel sagen' wuerden. Der junge,
romantische Menddelssohn war hier ganz anderer Auffassung und konnte den
eifersuechtigen Mann des 18. Jahrhunderts, Zelter, der die Partitur zur
Matthaeuspassion sorgsam in einem Schrank verwahrt hielt, mit Hilfe eines
Vermittlers, Eduard Devient, der die Rolle des Christus singen sollte,
nach und nach von seinen Plaenen ueberzeugen. Fuer Mendelssohn barg das
Jahr 1829 nicht nur die Bedeutung, dass es das hundertjaehrige Jubilaeum
der Matthaeuspassion markierte, sondern es war auch das Jahr des
hundertsten Geburtstags seines beruehmten Grossvaters Moses Mendelssohn.
Es sollen sogar heimliche Proben in Mendelssohns Haus stattgefunden haben,
bevor das Projekt offiziell angegangen wurde, und dass Zelter unter
Zuhilfenahme der sogenannten 'umgekehrten Psychologie' zum Mitmachen
ermuntert wurde und Mendelssohn demnach 'aeusserlich sehr unwillig'
zustimmte, das Werk zu dirigieren.
Nachdem Zelter endlich
ueberzeugt war, uebernahm er die Aufgabe, die einflussreichen Mitglieder
der Singakademie von der Wiederauffuehrung zu ueberzeugen, und endlich
folgten sehr lebhafte "offizielle Probewochen". Das Werk kam dann am 11.
Maerz 1829 zur Auffuehrung unter Mitwirkung der Saenger Stuermer, Busolt,
Bader, Weppler, und der Sangerinnen Schaetzel und Milder-Hauptmann,
vierhundert Chormitgliedern, und dem Orchester, der Koeniglichen Kapelle.
Der romantische Mendelssohn wagte es auch, gewisse Stellen durch
'dramatische musikalische Effekte' zu unterstreichen, die Bach 'nicht
vorgesehen' hatte. Das Werk wurde vom Publikum, wie Felix' Schwester Fanny
Mendelssohn in ihrem Tagebuch vermerkte, mit Ehrfurcht gehoert, geradeso,
als saesse es in einer Kirche. Das Werk wurde zehn Tage spaeter, an Bachs
Geburtstag, nochmals aufgefuehrt, diesmal vor einem noch zahlreicheren
Publikum. Anschliessend fand ein Diner im Hause Zelters statt, zudem hier
auch noch eine heitere Begebenheit eingefuegt werden kann. Devrients
Gattin, Therese Schlesinger, sass zur Linken Mendelssohns, und wiederum
ihr zur Linken sass ein Herr, der ihr staendig zuprostete. Ihr war es auch
peinlich, dass er immer an ihrem Kleideraermel zog und immer freundlich
auf sie einsprach. Sie beugte sich vorsichtig zu Mendelssohn und fragte
ihn leise, "Wer ist denn der Idiot neben mir?" und Felix antwortete, sehr
versteckt hinter seinem Taschentuch: "Der Idiot neben Ihnen ist der
bekannte Philosoph Hegel!"
Von diesem Zeitpunkt an war Bachs Werk
ein fester Platz im Repertoire der Konzertsaele gesichert.
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SOME COMMENTS TO THE FURTHER DEVELOPMENT OF THE
WORK
...During Bach's Lifetimes
Only here is it possible
again for me to comment on 'purely superficial information' with respect
to this work. This also accidentally and unintentionally coincides with
the fact of this work's having also been performed on Good Friday of 1729
and Charles Sandford Terry's remarks to it and to further performances,
all of which can now merely stand on its own without having to further
entertain the question of any actual first performance. While the German
version of Terry's account can be seen to the left, an English short
description follows here:
Terry points out that the large volume of
the score was also remarkable in light of the fact that Bach, almost
simultaneously to his working on it (again?) for the 1729 performance, he
complained about the lack of resources. For both choruses that this work
requires, he used his "Chroum primum" and his "Chroum secundum", so that
his remarks in the score with respect to "Coro primo" and "Coro secondo"
had their particular local meaning. Terry further points out that, while
the first choir had to render a sung account of the entire biblical story
and of most of the biblical characters, the second choir only had to
render the parts of the false witnesses and its task was relatively simple
and suited to the singers whose skills did not have to be as developed. He
also notes that the St. Thomas church had two organs, just as Bach's score
required. The larger organ in the western emporium had three manuals and
had been set up there in 1525, had been enlarged in 1760 and remodeled in
1721; the smaller and older organ was, at first, placed next to the other
organ; in 1639, it was removed and set up at the eastern church wall and
removed entirely in 1740. Although it was not in a convenient spot, it was
used in the 1736 re-performance of the work and must also have been used
in 1729, unless it had been in a state of ill repair at that time. Both
orchestras were comprised of city musicians, of instrumentalists of the
St. Thomas School and of students of the university and of members of
Bach's "Collegium Musicum". Few who took part in this performenace had the
right understanding of the devout religious spirit of the work and of its
technical perfection. Terry also points out that it must surely have been
the St. Matthew Passion when Gerber wrote three years later that in the
section where high officials and several older noble ladies were seated,
these had sung the first chorale with great devotion and that, however,
when the instrumental and dramatic music set in, these ladies were totally
confused, looked at each other and commented to the effect as to what
should become of this and that one widow even remarked that she felt
herself transferred into an opera comedy.
From Terry's comment we
can learn that the work was performed in 1729 and in 1736, in addition to
further performances in the 1740s, to which we have already referred in
connection with the "first performance date" issue.
...To the
Revival of 1829
In order to render a brief account of the 1829
Berlin revival of the St. Matthew Passion by Felix Mendelssohn with the
support of his teacher Karl Friedrich Zelter, the Director of the Berlin
Singakademie, I consulted Heinrich Eduard Jacob's English-language
Mendelssohn biography:
While Zleter revered Bach, he was, at first
not convinced that the enlightened Berlin audience would be impressed by
this work. The young, romantic Mendelssohn, however, was of quite a
different opinion in this than the 18th century man Zelter who jealously
kept the score of the St. Matthew Passion hidden away in a particular
closet. Mendelssohn went about in 'bringing Zelter around' in a manner of
'reverse psychology', by calling on the help of the singer Eduard Devrient
who was to sing the part of Jesus, and the young genius Felix
'reluctantly' agreed to conduct the work. For Mendelssohn, the year 1829
not only marked the 100th anniversary of the staging of Bach's work, but
also the 100th birthday of his famous grandfather, Moses Mendelssohn.
Before Zelter could be finally convinced to give his 'go ahead', secret
rehearsals took place at Mendelssohn's house. Once Zelter was brought
around, however, he took on the task of convincing the more influential
Board Members of the Singakademie.
The work was then first staged
on March 11th, 1829, with the singers Stuermer, Busolt, Bader, Weppler,
Mmes Schaetzel and Milder-Hauptmann, four hundred choir members and the
orchestra, the 'Koenigliche Kapelle'. The romantic Mendelssohn even dared
to introduce 'dramatic effects' which Bach had not planned for. As
Mendelssohn's sister Fanny wrote in her diary, the audience received the
work with as much silent devotion as if they had been sitting in a church.
Ten days later, on Bach's birthday, the work was performed once more,
before an even larger audience.
After this performance, a dinner
was held at Zelter's house, to which we can render a rather humorous
account in conclusion of this section: "Therese Schlesinger, Devrient's
wife, has given a whimsical description of this dinner party, at which all
the celebrities of Berlin were present. Mendelssohn sat at her right; on
her left was an over-eager gentleman who continually tried to ply her with
wine, which she refused until a toast to the artist was proposed. Only
then would she drink. "He clutched my wide lace sleeve in an unrelenting
grip--to protect it, he said! and would every so often turn toward me; in
short, he so plagued me with his gallantries that I leaned over to Felix
and asked: 'Tell me, who is this idiot beside me?' Felix held his
handkerchief over his mouth for a moment--then he whispered: "The idiot
beside you is the celebrated philosopher Hegel!" (Jacob:
88-89).
From this time one, Bach's work had its firm place in the
repertoire of concert halls.
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SCHLUSSBEMERKUNGEN
...Zu beeindruckenden Aufnahmen
des fruehen 20. Jahrhunderts Hier moechte ich nur zwei mir bekannte
Aufnahmen erwaehnen, beide mit dem Amsterdamer Concertgebow-Orchester,
naemlich der sehr eindrucksvollen von 1939 und einer weiteren von 1966
unter Eugen Jochum. Beide Auffuehrungen wurden noch mit sogenannten
'modernen Instrumenten' bewerkstelltigt und konnten trotz dieser heute als
'Mangel' angesehenen Gegebenheit nicht nur ihre damaligen Hoerer, sondern
auch sicher viele Hoerer unserer Zeit, einschliesslich meiner selbst, tief
genug beeindrucken, dass der Geist des Werks selbst staerker wirkte als
solche Einzelheiten.
...Zur Urtext-Auffuehrungsmethode
Dies
soll jedoch nicht heissen, dass Aufnahmen mit sogenannten "period
instruments", wie sie seit den 70er Jahren von Nicholas Harnoncourt und
Christopher Hogwood unternommen wurden, nicht auch ihren eigenen Wert,
besonders von der technischen Perfektion her, besitzen moegen. Es kommt
jedoch sowohl bei der Verwendung "moderner" als auch "historisch
akkurater" Instrumente mehr darauf an, ob die Kuenstler und der Dirigent
dem Geist des Werks gerecht werden koennen.
...Zu Guter
Letzt
Wie sehr der Geist dieses Werks uns alle, einschliesslich des
deutschen Philosophen Nietzche, zu beeindrucken vermag, soll hier ein
Zitat aus einem Brief Nieztsches vom 30. April 1870 and Rohde (zitiert
nach der Biographie von C.P. Janz, Carl Hanser Verlag 1978, Bd. I, S. 283)
veranschau- lichen:
"In dieser Woche habe ich dreimal die
Matthäuspassion des göttlichen Bach gehört, jedesmal mit demselben Gefühl
der unermeßlichen Verwunderung. Wer das Christentum völlig verlernt hat,
der hört es hier wirklich wie ein Evangelium." Was kann dem wohl noch
hinzugefuegt werden?
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CLOSING REMARKS
...To Noteworthy recordings of the
Earlier Part of the 20th Century
Here I only want to mention two
recordings known to me, both performed by the Amsterdam Concertgebow
Orchestra, namely the very impressive one of 1939 and the none too modest
one either of 1966 under the conductorship of Eugen Jochum. Both
recordings have been accomplished with the use of "modern" instruments as
opposed to "period instruments" which is nowadays sometimes looked at as a
shortcoming. In spite of this "shortcoming" I am sure that these
performances not only allowed their original audiences but many later
listeners to gain a deep impression of the spirit of the work which was
well as these were able to more than make up for any technical
shorthcoming.
...To Recent Period Instrument Recordings
This
does not mean that recordings of the work with "period instruments", as
they have been developed by Nicholas Harnoncourt and Christopher Hogwood
in the 1970's, do not have their very own worth, particularly with respect
to technical perfection. Whether modern or period instruments are used,
the most important factor, particularly in the performance of this work,
might always be as to whether the the performers and the conductor are
able to do justice to the spirit of the work.
...Last but not
Least
How much the spirit of this work can impact all of us,
including the German philosopher Nietzsche, can be seen from his remarks
made in a letter to Rohde of April 30th, 1870 (cited from the Biogrpahy of
C.P. Janz, Carl Hanser Verlag 1978, Vol. I, page 283):
"In dieser
Woche habe ich dreimal die Matthäuspassion des göttlichen Bach gehört,
jedesmal mit demselben Gefühl der unermeßlichen Verwunderung. Wer das
Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein
Evangelium."
With these words, Nietzsche told Rohde that he had
heard the St. Matthew Passion of the divine Bach three times in one week,
and each time with the same feeling of inexplicable amazement, and that
those who have forgotten the meaning of Christianity would really hear it
here as in a gospel. What can still be added to that?
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