Midi-File im Hintergrund: Der zweite Satz aus Op. 18, Nr. 1
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FRÜHE, ABER AUCH BEREITS
MEISTERHAFTE ANFÄNGE -
ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER
STREICHQUARTETTE OP. 18, 1 - 6





Beethoven um 1800


Einleitung

Wir erinnern uns sicher an den Abschnitt unserer Biographischen Seiten mit dem Titel Success as a Young Composer, der Beethovens Wiener Jahre von März 1795 bis zum Beginn seines Gehörverlusts in den Jahren 1801 - 1802 beschreibt. 

Daraus ersahen wir viele von Beethovens Aktivitäten des Jahres 1795.  Worauf wir dort noch nicht eingegangen sind ist Franz Gerhard Wegelers Bericht in den Biographischen Notizen, den wir hier aus Thayer zitieren:

"'Here, [at Prince Lichnowsky's] in 1795 Count Apponyi asked Beethoven to compose a quartet for him for a given compensation, Beethoven not yet having written a piece in this genre' which led to no instant result" (Thayer: 262; Thayer drückt aus, dass Graf Apponyi Beethoven 1795 gebeten hatte, gegen Bezahlung ein Streichquartett zu komponieren, obwohl Beethoven noch kein Werk dieser Gattung geschrieben hatte (1), und dass aus diesem Projekt nichts wurde).

Wie wir soeben am Ende der kleinen Streichquartettentwicklungsgeschichte sahen, war es Graf Apponyi, dem Haydn 1793 seine Streichquartette op. 71 und 72 gewidmet hatte, worin wir vielleicht auch eine Anbahnung der Verbindung zwischen Apponyi, Haydn und seinem Schüler Beethoven erkennen können.

Einen möglichen Ansatz zur Beantwortung der Frage, warum Beethoven Apponyis Wunsch zu dieser Zeit nicht nachkam, können wir bereits aus Beethovens systematischem Vorgehen in seinem sich selbst auferlegten Lernprozess während seiner Wiener Studienjahre entnehmen, demgemäss er es sich nicht erlaubte, sich einer Kompositionsgattung zuzuwenden, bevor er überzeugt war, die kompositionstechnischen Kenntnise dazu durch hartes Selbststudium erworben zu haben. Dies war ja auch der Grund, warum er Haydn nicht sofort neue, in Wien entstandene Werke zum Weiterversand durch ihn an seinen Bonner Arbeitgeber vorlegen konnte. Die Tatsache, dass Beethoven Apponyis Streichquartettauftrag zu dieser Zeit noch nicht annahm, scheint seine prinzipielle Vorgehensweise auf diesem Gebiet zu bestätigen.

Da Beethoven sich aber 1795 nicht sofort eingehend der Kompositionsgattung des Streichquartetts zuwandte, sondern sich eben erst in anderen Kammermusikformen übte, sollten wir vielleicht unser Augenmerk auf all jene in dieser Zeit entstandenen wesentlichen Kammermusikwerke lenken, die er - neben anderen Instrumenten - auch für Streicher schrieb. Vielleicht ergeben sich für uns daraus relevante Fragen oder Ansätze in Bezug auf seine ersten Streichquartettkompositionen:

Während Grove Beethovens Klaviertrios op. 1 (in Es-Dur, G-Dur und c-Moll) als in den Jahren 1794 - 1795 komponiert anführt (mit Ausnahme von Nr. 1, das nach Grove vielleicht schon vor 1794 entstanden sein mag), gibt Thayer als Entstehungszeit die Jahre 1793 - 1794 an. Wie wir wissen, widmete Beethoven diese 1795 bei Artaria erschienenen Trios Fürst Lichnowsky. Bekannt ist uns auch bereits, dass Haydn Beethovens Zorn dadurch hervorrief, dass er ihm riet, Nr. 3 noch nicht zu veröffentlichen. Das Jahr 1795 sah auch noch die Entstehung des Es-Dur-Sextetts op. 81b für 2 Hörner, 2 Violinen, Viola, und Violoncello (es ist 1810 in Bonn erschienen).

Das von seiner Reise oder seinen Reisen nach Prag, Dresden und Berlin im Frühjahr/Sommer und von seiner Herbstreise nach Pressburg und Pesth gekennzeichnete Jahr 1796 sah die Entstehung der zwei Cellosonaten, op. 5, auf die wir bereits in unserer Entstehungsgeschichte der Cellosonaten eingegangen sind, des Quintetts für Streicher, op. 4 (einer Umarbeitung des Oktetts für Bläser, op. 103), der F-Dur-Variationen auf Mozarts "Ein Mädchen oder Weibchen" (aus der Zauberflöte), op. 66, für Klavier und Violoncello (1798 in Wien erschienen), und wohl im Winter 1796/ 1797 die Vollendung des Es-Dur-Duetts WoO32 für Viola und Violoncello, von Beethoven als "mit zwei obligaten Augengläsern" bezeichnet, was darauf hinweist, dass er wohl den Violapart übernahm, während Baron Zmeskall den Cellopart spielte, dem er das Werk auch widmete.

Die Jahre 1797 - 1798 sahen die Entstehung der D-Dur-Serenade für Violine, Viola und Violoncello, op. 8, der Trios für Streichinstrumente in G-Dur, D-Dur und c-Moll (Graf Johann Georg Browne gewidmet und 1798 in Wien verlegt), und des Trios für Klavier, Klarinette/Violine und Violoncello (Gräfin von Thun gewidmet und 1798 in Wien verlegt).

Dass Beethoven auch Gelegenheit hatte, für die Komposition dieser Werke frische Eindrücke durch das Spiel ihm buchstäblich nahestehender Streichinstrumentspieler zu sammeln, deutet Thayers Bericht in seinem Kapitel Beethovens Friends and Fellow Musicians an, aus dem wir hier einen relevanten Ausschnitt zur Entwicklung des sogennanten "Schuppanzigh-Quartetts" zitieren:

"They were during these years but laying the foundation for future excellence and celebrity as performers of Mozart's, Haydn's, Förster's and Beethoven's quartets. Schuppanzigh, first violin, and Weiss, viola, alone appear to have been constantly associated in their quartet-playing. Kraft, violoncellist, was often absent, when his father, or Zmeskall, or some other, supplied his place; and as the second violin was often taken by the master of the house, when they were engaged for private concerts, Sina was, naturally absent. Still, from 1794 to 1799, the four appear to have practised much and very regularly together. They enjoyed an advantage known to no other quartet--that of playing the compositions of Haydn and Förster under the eyes of the composers, and being taught by them every effect that the music was intended to produce. Each of the performers, therefore, knowing precisely the intentions of the composer, acquired the difficult art of being independent and at the same time of being subordinate to the general effect. When Beethoven began to compose quartets he had, therefore, a set of performers schooled to perfection by his great predecessors, and who already had experience in his own music through his trios and sonatas" (Thayer: 228; Thayer berichtet hier, dass die Spieler des Schuppanzigh-Quartetts, Schuppanzigh (Violine), Weiss (Viola), Kraft (Cello) (des öfteren von Baron Zmeskall oder von seinem Vater vertreten) während dieser Jahre den Grundstein zu ihren späteren ausgezeichneten Darbietungen der Quartette Mozarts, Haydns, Försters und Beethovens legten und dass sie einen Vorteil hatten, der sonst keinem Quartett zuteil wurde, nämlich, dass sie die neuen Werke Haydns und Försters vor den Augen der Komponisten einüben konnten und sich von ihnen Hinweise auf jede kleinste Nuance im Ausdruck geben lassen konnten, so dass die Musik dann auch mit dem Effekt widergegeben werden konnte, den der Komponist beabsichtigt hatte. So seien sie zugleich sehr unabhängige Musiker geworden, die sich aber auch sehr gut dem Gesamtkonzept unterordnen konnten. Als Beethoven dann begann, seine Quartette zu schreiben, habe er ein aufs vollkommenste eingespieltes Quartett zur Verfügung gehabt, das auch bereits seinen Kompositionsstil in seinen Trios und Sonaten kennengelernt hatte).

Während dieser Jahre kam Beethoven jedoch auch noch mit anderen Streichinstrumentspielern in Kontakt, wie zum Beispiel 1796 in Berlin mit dem Cellisten Duport (siehe unsere Werkgeschichte zu op. 5), dem bereits erwähnten, bewährten Freund, Baron Zmeskall, einem eifrigen Laiencellisten, seinem violinspielenden Freund Carl Friedrich Amenda (1798 - 1799), einem weiteren Laienviolinisten, Heinrich Eppinger, und im Winter/Frühjahr 1798 auch mit dem französischen Violinvirtuosen Rodolphe Kreutzer, der sich im Gefolge General Bernadottes befand.

So bleibt uns nun "nur" noch übrig zu entdecken, wie Beethoven alle diese Einflüsse in seinen ersten Streichquartetten auszuwerten wusste.

Entstehungsgeschichte in chronologischer Folge

Was hier unter chronologisch verstanden wird ist, dass wir nicht die Entstehung von op. 18 1 - 6 in numerischer Aneinanderreihung verfolgen werden, sondern dass wir herauszufinden versuchen, in welcher zeitlichen Reihenfolge diese unter einer Opusnummer zusammengefassten Einzelwerke entstanden sind.  (Hierbei ist zu bedenken, dass der Beethovenforschung eigentlich keine Originalmanuskripte in vollendeter Fassung zur Verfügung stehen.)  Im Zusatz zu dieser rein chronologischen Spurenverfolgung sollten wir jedoch auch bedenken, welche wichtigen biografischen Ereignisse die Entstehung dieser Werke umrahmen und können festsellen, dass sie genau zwischen dem ersten Ansatz seines Gehörverlusts in den Jahren 1796 - 1798 und den ersten schriftlichen Bekenntnissen dazu aus seiner Feder, nämlich im Sommer/Herbst 1801 an seine Freunde Franz Gerhard Wegeler und Karl Friedrich Amenda, entstanden sind, zum erstenmal aufgeführt veröffentlicht wurden.  In unserer Spurenverfolgung werden wir auch darauf zu gegebener Zeit eingehen.

Zur chronologischen Verfolgung der Entstehungsreihenfolge  bietet uns zunächst Thayer einen guten Anhaltspunkt:

"Czerny says in his notes for Jahn: 'Of the first six Violin Quartets that in D major, No. 3 in print, was the very first composed by Beethoven. On the advice of Schuppanzigh he called that in F major No. 1, although it was composed later.' Ries confirms this (Notizen, p. 103): 'Of his Violin Quartets, Op. 18, he composed that in D major first of all. That in F major, which now precedes it, was originally the third." It was, however, in reality the second, as the parts to Amenda show. To be sure, neither Czerny nor Ries spoke from personal observation at the time of composition; they must both have learned the facts from Beethoven himself, or, more probably, from dates on the original manuscripts" (Thayer: 261; Thayer berichtet hier, dass Czerny dem Bonner Musikforscher, Professor Jahn, gegenber geäussert haben soll, dass von den ersten sechs Violinquartetten jenes in D-Dur, Nr. 3 in der gedruckten Ausgabe, das erste gewesen sei, das Beethoven komponiert habe. Auf Anraten Schuppanzighs habe er dann das F-Dur-Quartett als Nr. 1 eingeschoben, obwohl es später entstanden sei. Ries habe das in den Biographischen Notizen bestätigt indem er dort angab, dass von seinen Violinquartetten, op. 18, das D-Dur-Quartett das erste gewesen sei, während das F-Dur-Quartett als Nr. 1 erschien, obwohl es als drittes entstanden sei. Thayer vertritt hier ferner die Auffassung, dass op. 18, Nr. 1 das zweite Streichquartett Beethovens gewesen sei, was aus den von Beethoven an Amenda übergebenen Teilen hervorginge. Auch solle man bedenken, dass weder Czerny noch Ries hier als Augenzeugen berichten, sondern dass sie diese Einzelheiten von Beethoven erfahren haben mussten oder, was wahrscheinlicher sei, dass sie die Entstehungsdaten aus den Originalmanuskripten entnahmen.)

Dazu bemerkt Hufner in seinem Internetartikel, dass op. 18, Nr. 3 in D-Dur im Sommer/Herbst 1798 bis Januar 1799 als erstes Werk dieser Gruppe entstanden sei. Auf Hufners Gesamtaufstellung der Entstehungszeiten werden wir später noch zurückkommen.

Nun sollten wir vielleicht erst einmal nach Angaben zum laut Ries 'dritten' Quartett, op. 18, Nr. 1 in F-Dur suchen. Im Zusammenhang mit Beethovens zehn Variationen auf "La stessa, la stessissima" aus Salieris Oper Falstaff, die laut Thayer in der Wiener Zeitung von 2. März 1799 als gerade im Druck erschienen angekündigt wurden, berichtet Thayer, dass unter den Skizzen dieses Gelegenheitswerks auch einige Skizzen "for the first Quartet, Op. 18" (Thayer: 215) gefunden worden seien.  Falls Thayer hier auf op. 18, Nr. 1 hinweist, wúrde sich das wiederum mit Hufners Angaben decken, die die Entstehung dieses Werks zwischen Februar und April 1799 ansiedelt.

Somit geben sowohl Czerny als auch Ries an, dass op. 18, Nr. 3 als erstes Quatett entstand, während op. 18, Nr. 1 als drittes entstanden sei. Demgegenüber reiht Hufner Nr. 1 als zweites Streichquartett und Nr. 2 in G-Dur als drittes Streichquartett ein, das im Anschluss an Nr. 3, nämlich von April bis Juni 1799 entstanden sei.

Thayer beschreibt die Entstehung dieser ersten drei Streichquartette zusammenfassend wie folgt:

"...the composition of the Quartets was begun in 1798, that in D, the third, being the first undertaken. This was followed by that in F and soon after, or simultaneously, work was begun on that in G, which was originally designed as the second; but, as that in F was completed earlier, this was designated as the second by Beethoven, and that in G became in point of time the third. The quartet in F was finished in its original shape by June 25, 1799, on which day he gave it to Amenda; he revised it later" (Thayer: 264; Thayer schreibt hier, dass die Komposition der Quartette 1798 begonnen wurde mit dem Quartett in D-Dur als erstem, gefolgt von dem in F-Dur und bald danach oder zur gleichen Zeit von dem in G-Dur, welches ursprünglich als zweites Quartett vorgesehen war, da aber das F-Dur-Quartett zuerst fertiggestellt worden sei, sei es von Beethoven als zweites bestimmt worden und das G-Dur-Quartett als drittes. Das F-Dur-Quartett sei am 25. Juni 1799 fertig vorgelegen, da Beethoven es an diesem Tag mit seinem Freund Amenda mit einer Widmung übergab.)

Beethoven schrieb am 25. Juni 1799 (2) an Carl Friedrich Amenda (3) auf eine Kopie des Quartetts, und zwar auf den ersten Violineinsatz:

"Dear Amenda: Take this quartet as a small memorial of our friendship, and whenever you play it recall the days in which we passed together and the sincere affection felt for you then and which will always be felt by

your true friend

Ludwig van Beethoven" (Thayer: 224; "Lieber Amenda: Nimm dieses Quartett als ein kleines Andenken an unsere Freundschaft, erinnere dich immer, wenn Du es spielst, an die Tage, die wir gemeinsam verbrachten und an die herzliche Zuneigung, die ich für Dich damals gefühlt habe und die ich immer fühlen werde als

Dein treuer Freund

Ludwig van Beethoven.")





Carl Friedrich Amenda


Da wir nun Gelegenheit hatten, im Anhang ein wenig mehr über den Charakter der Freundschaft Beethovens und Amendas zu erfahren, dürfen wir hier zumindest in Bezug auf den Beginn von Beethovens Gehörverlust auf seine Zeilen vom Juni 1801 an Amenda vorgreifen.  Der Grund dafür wird aus Beethovens Äußerungen klar: 

"Wien, den 1. Juni [1801}

Mein lieber, mein guter Amenda, mein herzlicher Freund, mit inniger Rührung, mit gemischtem Schmerz und Vergnügen habe ich Deinen letzten Brief erhalten und gelesen. Womit soll ich Deine Treue, Deine Anhänglichkeit an mich vergleichen; o das ist recht schön, daß Du mir immer so gut geblieben, ja ich weiß Dich auch mir von allen bewährt und herauszuheben; Du bist kein Wiener Freund, nein Du bist einer von denen, wie sie mein vaterländischer Boden hervorzubringen pflegt. Wie oft wünsche ich Dich bei mir, denn Dein Beethoven lebt sehr unglücklich im Streit mit Natur und Schöpfer; schon mehrmals fluchte ich letzterem, dass er seine Geschöpfe dem kleinskten Zufall aussetzt, so dass oft die schönste Blüte dadurch zernichtet und zerknickt wird. Wisse, dass mir der edelste Teil, mein Gehör, sehr abgenommen hat; schon damals, als Du noch bei mir warst, fühlte ich davon Spuren, und ich verschwieg's, nun ist es immer ärger geworden. . . . " Schmidt, Beethoven=Briefe: 16).

Also bereits zur Zeit seines Wiener Umgangs mit Amenda in den Jahren 1798 und 1799, und damit auch zur der Zeit, in der seine Streichquartette in ihrer ersten Form entstanden, hatte er mit den Anfängen seines Gehörverlusts zu kämpfen.  Wie sich diese Anfänge auswirkten, kleidete Beethoven im Heiligenstädter Testament in diese wenigen Worte:  "Aber bedenket nur, dass seit 6 Jahren ein heilloser Zustand mich befallen, durch unvernünftige Ärzte verschlimmert, von Jahr zu Jahr in der Hoffnung gebessert zu werden, betrogen . . . " (Schmidt, Beethoven=Briefe: 32).  Aus Beethovens eigenen Worten können wir also entnehmen, dass er wohl am Anfang "von Jahr zu Jahr" in seiner Hoffnung auf Besserung seines Zustandes "betrogen" wurde.  Diese Hoffnung auf Besserung mag vielleicht auch einer der Hauptgründe dafür gewesen sein, dass er zunächst über seinen Zustand schwieg.  Es gehört beileibe nicht viel Vorstellungsvermögen dazu, sich in diese Lage hineinzuversetzen, denn wer von uns ist entweder so kerngesund, dass er oder sie nie mit den Anfängen irgendeiner Krankheit zu kämpfen hatte und dabei zunächst die Hoffnung auf Besserung als unmittelbares Ziel anstrebte, oder andernfalls doch hier und da von Mitmenschen umgeben, die einen solchen ersten Kampf gegen eine neue Krankheit ausfechten?  Nur ist hier noch zu bedenken, dass es sich in Beethovens Fall um eine sich entwickelnde Behinderung handelte, von der er zu befürchten hatte, dass sie sich auf seine künstlerische Tätigkeit auswirken würde.  Mehr kann und soll zu diesem Zeitpunkt zu diesem Thema noch nicht eingeflochten werden, verdient aber, mit in Betracht gezogen zu werden.

Gegen Ende Juni 1799 hatte Beethoven laut Hufners Aufstellung auch von den drei ersten Quartetten bereits Abschriften angefertigt. Laut seinen Angaben folgten darauf von Ende Juni bis August das A-Dur-Quartett Nr. 5, und im Spätsommer und Herbst das c-Moll-Quartett Nr. 5 sowie das B-Dur-Quartett Nr. 6.

Wohl im August schrieb Beethoven an Amenda vor dessen Rückkehr im Herbst nach Kurland die folgenden Abschiedszeilen:

"Today I received an invitation to go to Mödling in the country; I have accepted it and leave for there this evening for a few days. It was all the more welcome since my heart already lacerated would have suffered all the more; although the main storm has been repulsed again, still I am not yet completely certain how my plan against it will be worked out. Yesterday I was offered a trip to Poland in the month of September, whereby the trip as well as the stay costs me nothing, and I can have a good time in Poland and also earn some money; I have accepted it.--Goodbye, dear A., and give me news soon of your stops on the way, and also how and when you arrive in your native land--Pleasant journey and do not forget

Your Bthvn" (Thayer: 225; "Heute erhielt ich eine Einladung nach Mödling aufs Land zu gehen; ich habe angenommen und fahre heute Abend für ein paar Tage nach dorthin ab. Dies war mir umso mehr willkommen als mein bereits verwundetes Herz noch mehr gelitten hätte; obwohl sich der Hauptsturm bereits gelegt hat, bin ich noch nicht ganz sicher, wie ich meine Strategie dagegen ausarbeiten werde. Gestern wurde mir eine Reise nach Polen angeboten für September, wobei mich die Reise und der Aufenthalt nichts kosten, und ich kann in Polen eine gute Zeit verbringen und auch Geld verdienen; ich habe sie angenommen. -- Leb wohl, lieber A., und schicke mir bald Nachricht von Deinen Haltepunkten unterwegs, und auch, wann und wie Du in Deiner Heimat angekommen bist.--Eine angenehme Reise und vergiss nicht

Deinen Btvn."

Wie Thayer berichtet, wurde jedoch nichts aus dieser Polenreise. Welchen musikalischen Umgang wir jedoch mit ziemlicher Sicherheit im Herbst- und Winterhalbjahr 1799/1800 ansiedeln können, ist der Kontakt Beethovens und des späteren Schuppanzigh-Quartetts mit dem Wiener Komponisten Aloys Förster, über den Thayer folgendes zu berichten weiss:

" . . . Emanuel Aloys Förster, (born January 26, 1748, in Neurath, Upper Silesia, died November 12, 1823, in Vienna), a musician who was so highly esteemed by Beethoven that, on one occasion at least, he called him his "old master." The phrase can easily be interpreted to mean that Beethoven found instruction in Förster's chamber music which he heard at the soirees of Prince Lichnowsky and other art-patrons. Förster's compositions, not many of which have been preserved in print, are decidely Beethovenish in character. His eldest son, who in 1870 was still living in Trieste, remembered Beethoven perfectly well vom 1803 to 1813, and communicated to the author of this biography some reminiscences well worth preserving. . . . Förster's dwelling in all those years was a favorite resort of the principal composers and dilletanti. Thither came Beethoven; Zmeskall, "a very precise gentleman with abundant white hair"; SchuppNsigh, "a short plump man with a huge belly"; Weiss, tall and thin; [later] Linke, the lame violoncellist, Heinrich Eppinger, the Jewish violin dillettante, the youthful Mayseder, J.N. Hummel, and others. The regular periods of these quartet meetings were Sunday at noon, and the evening of Thursady; but Beethoven in those years often spent other evenings with Förster, "when the conversation usually turned upon musical theory and composition. . . . and it is no forced and unnatural inference, that he [Beethoven] had studied quartet composition with him, as he had counterpoint with Albrechtsberger, and operatic writing with Salieri" (Thayer: 261 - 262; Thayer beschreibt hier, dass Emanuel Aloys Förster (am 26. Januar 1748 in Neurath, Oberschlesien geboren, am 12. November 1823 in Wien gestorben) ein von Beethoven so hochgeschtätzter Musiker war, dass er ihn zumindest bei einer Gelegenheit als seinen "alten Meister" bezeichnet hatte. Dies könne, so Thayer, sehr leicht so ausgelegt werden, dass Beethoven Försters Kammermusikwerke sehr instruktiv fand, die er auf den Soireen im Haus des Fürsten Lichnowsky oder auf denen anderer Kunstmäzene hörte. Thayer beschreibt Försters Werke als 'entschieden beethoven'sch' im Charakter und erwähnt, dass sein ältester Sohn, der 1870 in Triest lebte, ihm erzählte, dass er sich an Beethoven während der Jahre 1803 - 1813 sehr gut erinnere, dass sein Vaterhaus während dieser Zeit ein beliebter Treffpunkt aller wichtigen Komponisten und Dilletanten war, wo sich daher auch Beethoven, Baron Zmeskall, ein sehr penibler, weisshaariger Herr, Schuppanzigh, ein kleiner, dicker Mann mit einem riesigen Bauch, der dünne und grosse Weiss, [später] der lahme Cellist Linke, Heinrich Eppinger, der jüdische Laiengeiger, der junge Mayseder, J.N. Hummel und andere einfanden. Diese Quartettzusammenkünfte hätten jeden Sonntagnachmittag und Donnerstagabend stattgefunden, aber Beethoven habe Förster auch an anderen Abenden besucht. . . . daher ist es laut Thayer auch keine weithergeholte Schlussfolgerung, dass Beethoven unter Förster ernsthafte Quartettstudien betrieben hatte, wie unter Albrechtsberger Kontrapunktstudien und unter Salieri Opernmusikstudien.)

Aus diesem Text Thayers geht bereits hervor, dass Förster nicht nur in den Jahren 1803 - 1813, sondern bereits früher auf Beethoven besonders auf dem Gebiet der Kammermusikkomposition einen nicht unwesentlichen, instruktiven Einfluss ausübte. Den hier relevanten "Beweis" werden wir an chronologisch passender Stelle zu liefern versuchen.

Bevor wir uns dem weiteren Schicksal der sechs Streichquartette op. 18 zuwenden, sollten wir hier vielleicht noch alle relevanten Hinweise auf die Spuren einzelner Teile anbringen, wobei wir aus Thayer klarer ersichtliche Zusammenhänge im Haupttext und in dieser Standardbiografie wiedergegebene Ursprungsdiskussionen anhand vorliegender Skizzen im Anhang präsentieren werden.

Auf Seite 215, also im Kapitel zu den Jahren 1798 und 1799, erwähnt Thayer, dass in Beethovens Skizzen zu op. 18, Nr. 5 auch solche zu seinen Variationen auf "Kind, willst du ruhig schlafen?" aus Winters Oper "Das unterbrochene Opferfest" zu finden waren, deren Veröffentlichung von Mollo und Co., Wien am 21. Dezember 1799 in der "Wiener Zeitung" angekündigt wurde.

Auf das sogenannte Grasnick-Skizzenbuch weist Thayer auf Seite 216 hin, und zwar im Zusammenhang mit Skizzen zu op. 18 und mit Skizzen zu seinem Lied "Plaisir d'aimer", das 1799 enstand.

Thayer weist auch auf Erich Hertzmanns Studien gewisser Beethovenskizzen zu seiner ersten Symphonie, insbesondere der frühen Skizzen zu dessen Finale, auf Hertzmann's Erwähnung von deren thematischer Verwandtschaft zu Beethovens Klaviervariationen auf "Une fievre brulante" und zu den Coda und Variationen des Quartetts op. 18, Nr. 5 hin.

Während wir, wie bereits angekündigt, auf Thayers eingehendere Untersuchung der zeitlichen Reihenfolge der Entstehung dieser Steichquartette anhand vorhandener Skizzen  (4) im Anhang eingehen, folgt hier noch Thayers Zusammenfassung dieser Erörterungen in bezug auf op. 18, Nr. 4, 5 und 6:

"He then wrote the one in A (now No. 5), intending it to be the fourth; in this he seems to have made use of a motif invented at an earlier period. The Quartets in B-flat and C minor followed, the latter being, perhaps, the last. The definitive elaboration of the Quartets lasted certainly until 1800, possibly until 1801" (Thayer: 264; Thayer vertritt hier die Meinung, dass Beethoven als nchstes Quartett das A-Dur-Quartett Nr. 5 schrieb, das er als viertes vorgesehen hatte, gefolgt von den B-Dur- und c-Moll-Quartetten, wovon das letzte vielleicht wirklich das letzte gewesen sein mag.)

Dieses "vielleicht" lässt wiederum die Tür offen für Hufners Einordnung von Nr. 4 als dem fünften Quartett noch vor dem B-Dur-Quartett. Nr. 6 als sechstem Quartett.

Da diese vorläufige "Vollendung" der sechs Streichquartette auch bereits von Thayer noch nicht als die letzten Arbeiten Beethovens an diesen Werken bezeichnet wurden, lässt sich hier kein klarer Trennungsstrich in unserer Darstellung zwischen der eigentlichen Entstehungsgeschichte und der des weiteren Schicksals dieser Werke ziehen.

Wie bereits hier erwähnt, ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass Beethoven im Winter 1800 in engem Kontakt mit Aloys Förster gestanden haben muss, wenn man davon ausgeht, dass sowohl bereits Thayer als auch später Hufner (sich auf Forschungsergebnisse Sieghard Brandenburgs berufend) davon ausgehen, dass Beethoven insbesondere das F-Dur-Quartett, Nr. 1 und auch das G-Dur Quartett Nr. 2 im Frühjahr/ Sommer 1800 überarbeitete. (Hufner, Internetartikel, Thayer: Thayer: 225, 262, and 281).

Thayer weist in seiner Zusammenfassung auch darauf hin, dass die ersten drei Quartette bereits im Herbst 1800 in den Händen des Wiener Verlegers Mollo gewesen seien, was durch Beethovens Brief an seinen Leipziger Freund Franz Anton Hofmeister vom 15. Dezember bestätigt werde. Die hier relevante Stelle aus diesem Brief können wir in deutscher Sprache zitieren:

". . . Pro primo ist zu wissen, daß es mir sehr leid ist, [daß] Sie, mein geliebter Hr. Bruder in der Tonkunst, mir nicht eher etwas zu wissen gemacht haben, damit ich Ihnen meine Quartetten hätte zu Markte bringen können, sowie auch viele andre Sachen, die ich nun schon verhandelt; . . . " (Schmidt, Beethoven=Briefe: 25).

Hierzu sollte noch erwähnt werden, dass Hofmeister, der sich gerade erst in Leipzig als Musikverleger niedergelassen hatte, Beethoven wohl nicht rechtzeitig von diesem Schritt unterrichtet hatte.

Im Kapitel zum Jahr 1800 erwähnt Thayer auch Fürst Lichnowskys Geschenk der vier Streichinstrumente an Beethoven  und zitiert hierzu deren Beschreibung durch Alois Fuchs, einen Violinisten des Wiener Hoforchesters vom 2. Dezember 1846:





Beethovens Streichinstrumente, darunter auch
seine eigene Bonner Viola


"Ludwig van Beethoven owned a complete quartet of excellent Italian instruments given to him by his princely patron and friend Lichnowsky at the suggestion of the famous quartet-player Schuppanzigh. I am in a position to describe each of the instruments in detail:

1. A violin made by Joseph Guarnerius in Cremona in the year 1718 is now in the possession of Mr. Karl Holz, director of the Concerts spirituels in Vienna.

2. The second violin (which was offered for sale) was made by Nicholas Amati in the year 1667, and was in the possession of Dr. Obermeyer, who died recently in Hütteldorf; it has been purchase by Mr. Huber.

3. The viola, made by Vincenzo Ruger in 1690, is also the property of Mr. Karl Holz.

4. The violoncello, an Andreas Guarnerius of the year 1712, is in the possession of Mr. P. Wertheimber of Vienna."  (Thayer: 264-265; "Ludwig van Beethoven besass einen kompletten Satz ausgezeichnerer italienischer Instrumente, die ihm sein fürstlicher Mäzen und Freund Lichnowsky auf Anraten des berühmten Quartettspielers Schuppanzigh zum Geschenk gemacht hatte.  Ich kann jedes der Instrumente genau beschreiben:  1.  Eine Violine, die Giuseppe Guarnieri 1718 in Cremona herstellte und sich nun im Besitz von Herr Karl Holz, dem Direktor der Concerts spirituels in Wien befindet;.  2.  Die zweite Bioline (die zum Verkauf angeboten wurde), wurde von Niccolo Amati 1667 hergestellt und befand sich im Besitz von Dr. Obermeyer, der kürzlich in Hütteldorf verstorben ist; sie wurde von Herrn Huber gekauft;  3.  Die Viola, von Vnincenzo Ruger 1690 hergestellt, ist auch im Besitz von Herrn Karl Holz; 4.  Das Violoncello, eine Guarneri aus dem Jahr 1712, befindet sich im Besitz von Herrn P. Wertheimber aus Wien").

Obwohl Thayer ausführt, dass Beethoven diese Instrumente von Fürst Lichnowsky bereits vor 1812 erhalten haben muss und das genaue Schenkungsdatum nicht bekannt sei, könnte Beethovens Hinweis auf sie im "Heiligenstädter Testament" von 1802 (siehe unsere Biographischen Seiten in der Unterabteilung Revelations of Silence beziehungsweise ein direktes deutsches Zitat hier im Anhang (5) als Hinweis darauf dienen, dass er sie zumindest bereits vor dem Herbst 1802 erhalten hatte.

Ob nun Beethovens Streichquartette, op. 18, bereits auf diesen Instrumenten im Haus Graf von Deyms bei einer Soiree zu Ehren der Erzherzogin Julia von Givane, einer Freundin des Hauses von Deym, gespielt wurden, kann daher nicht mit Sicherheit festgestellt werden. In ihrem Brief vom 10. Dezember 1800 an ihre Schwester Therese schreibt Josephine von Brunsvik-Deym:

"We had music in honor of the archudchess. I had to play and at the same time I was responsible for all arrangements and above all the concern that everything went well. Our rooms were so beautiful that you would have been enchanted. All the doors were opened and everything lit up. I assure you it was a splendid sight! Beethoven played the sonata with violoncello, I played the last of the three sonatas [Op. 12, No. 3] with Schuppanzigh's accompaniment, who played dvinely like everybody else. Then Beethoven like a true angel let us hear his new still unpublished quartets [Op. 18] which are the most excellent of their kind. The renowned Kraft undertook the 'cello part, Schuppanzigh the first violin. Imagine what a pleasure it was! The archduchess was enchanted and everything came off wonderfully" (Thayer: 236 - 237; "Wir spielten Musik zu Ehren der Erzherzogin. Ich musste spielen und zur gleichen Zeit war ich auch für alle Anordnungen und insbesondere dafür verantwortlich, dass alles gut vonstatten ging. Unsere Räume waren so schön, dass Du bezaubert gewesen wärst. Alle Türen standen offen und alles war beleuchtet. Ich versichere Dir, dass es ein wunderbarer Anblick war! Beethoven spielte die Klavierbegleitung zur Cellosonate, ich spielte die letzte der drei Sonaten (op. 12, Nr. 3] mit Schuppanzighs Begleitung, der genauso göttlich spielte wie alle anderen. Dann ließ uns Beethoven, wie ein echter Engel, die neuen, noch nicht veröffentlichten Streichquartette [op. 18] hören, die die ausgezeichnetsten ihrer Art sind. Der berühmte Kraft übernahm den Cellopart, Schuppanzigh die erste Violine. Stell Dir vor, welch eine Freude das war! Die Erzherzogin war bezaubert und alles verlief wunderbar."





Ignaz Schuppanzigh


Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei dieser Aufführung um die erste Aufführung im kleinen, "öffentlichen" Kreis, der über vorherige Proben im Musikerkreis hinausging.  Zum Umgang Beethovens mit Josephine Gräfin von Deym und ihrem Gatten bemerkt Thayer in seinem Kapitel Beethoven 's Friends and Fellow Musicians:

"By 1800 the Count had gotten badly into debt, partially because he had counted upon, but had never received, a large dowry from the Brunsvik family. Legal wrangles threatened, and the mother, who was in Vienna for the birth of Josephine's first child, pressed her for a separation, realising too late that the marriage she had forced upon her daughter offered neither social nor financial advantages. Josephine, on the other hand, was a truly honorable woman; amid stormy scenes with her mother she steadfastly refused to dishonor her marriage vows.

Beethoven proved to be a loyal friend to the young countess in her unhappy circumstances. Therese writes: "The aristocracy turned its back upon him [Deym] because he had gone into business. He could not hunt up his former rich acquaiintances. Beethoven was the faithful visitor at the house of the young countess--he gave her lessons gratis and to be tolerated one had to be a Beethoven. The numerous relatives, the sisters of her father and their children, frequently visited their amiable niece. Tableaux were occasionally given; Deym, being himself an artist, was at home in such matters, they gave him plesure . . . . There were soirees. My brother came in vacation-time and made the acquaintance of Beethoven. The two musical geniuses became intimately associated with each other, and my brother never deserted his friend in his frequent financial troubles until his, alas! so early death.

From this it can be seen that Josephine must have derived real comfort from her friendship with the composer, and also that gradually her circle was widening . . . " (Thayer: 236; Thayer erläutert hier, dass Graf von Deym 1800 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, da er wohl mit einer grossen Mitgift vonseiten der Familie von Brunsvik gerechnet hatte, diese aber nicht erhielt. Rechtstreitigkeiten stellten sich ein, und Josephines Mutter, die sich zur Geburt von Josephines erstem Kind in Wien aufhielt, drängte auf eine Trennung der Ehepartner und erkannte wohl zu spät, dass die erzwungene Heirat ihrer Tochter weder gesellschaftliche noch finanzielle Vorteile mit sich brachte. Josephine erwies sich jedoch als ehrenwerte Ehefrau, die sich standhaft weigerte, ihrer Mutter nachzugeben, und Beethoven wiederum erwies sich als guter Freund der Familie in diesen unglücklichen Zeiten. Therese von Brunsvik schrieb dazu: 'Der Adel zog sich von ihm [Deym] zurück, da er ins Geschftsleben eingestiegen war, und er konnte seine früheren Kontakte zu seinen reichen Bekannten nicht wieder aufknüpfen. Beethoven besuchte die Familie regelmässig, gab Josephine umsonst Klavierunterricht, und um in ihrem Haus geduldet zu sein, musste man ein Beethoven sein. Die vielen Verwandten, die Schwestern ihres Vaters und deren Kinder, besuchten sie hufig. Tableaux wurden gegeben und Deym, der in solchen Dingen zuhause war, freute sich darber. . . . . Es gab auch musikalische Soireen. Mein Bruder kam in der Ferienzeit nach Wien und machte die Bekanntschaft Beethovens. Die beiden musikalischen Genies wurden bald eng miteinander bekannt, und mein Bruder liess seinen Freund in seinen häufigen finanziellen Schwierigkeiten bis zu seinem ach! so frühen Tod nie im Stich.' Daraus sei ersichtlich, argumentiert Thayer, dass Josephine aus ihrem Umgang mit Beethoven Trost schöpfte und dass sich ihre bescheidenen Kreise im Lauf der Zeit auch etwas erweiterten.")

Hier könnten wir neben der erfreulichen Feststellung, dass sich Beethoven dieser Familie gegenüber als wahrer Freund erwies, vielleicht auch vermuten, dass er sich dort im kleineren Kreis vielleicht wohler fühlte als in grossen Gesellschaften, wenn wir bedenken,  dass er aufgrund seiner sich verschlimmernden Schwerhörigkeit gesellschaftliche Veranstaltungen soweit wie möglich mied (wie wir seinen Briefen an Amenda und Wegeler aus dem Sommer und Herbst 1801, aber auch dem Heiligenstädter Testament entnehmen können.)  

Die erneute Erwähnung dieses für Beethoven schwerwiegenden Problems gibt uns auch wiederum Gelegenheit, auf seinen bereits erwähnten Brief vom "1. Juni"  Karl Friedrich Amenda einzugehen, der früher stets im Jahr 1800 angesiedelt wurde, aber sowohl durch seinen Inhalt in bezug auf seinen Gehörverlust als auch durch Anmerkungen der späteren Beethovenforschung auf das Jahr 1801 hinweist. Darin schreibt Beethoven auch:

"Dein Quartett gib ja nicht weiter, weil ich es sehr umgeändert habe, indem ich erst jetzt recht Quartette zu schreiben weiß, was Du schon sehen wirst, wenn Du sie erhalten wirst" (Schmidt, Beethoven=Briefe: 18).

Somit bestätigt sich hier letztendlich auch unser bereits gegebener Hinweis auf die Revision des F-Dur-Quartetts, das Beethoven Amenda am 25. Juni 1799 gesandt hatte.

In bezug auf die Veröffentlichung der Quartette durch Mollo in Wien schreibt Thayer:

"The Quartets then appeared in two sets from the press of Mollo. It is likely that the first three, at least, were in the hands of the publisher before the end of 1800, as is proved by the letter to Hoffmeister. The first three appeared in the summer of 1801 and were advertised as on sale by Nägeli in Zurich already in July; they were mentioned in the Allg. Musik. Zeitung on August 26, and in Spazier's Zeitung für die elegante Welt. In October of the same year the last three appeared and Mollo advertised them in the Wiener Zeitung of October 28. The Quartets are dedicated to Prince Lobkowitz" (Thayer: 264; Thayer schreibt hier, dass die Quartette in zwei Serien von Mollo verlegt wurden. Es sei möglich dass zumindest die ersten drei im Herbst 1800 in den Händen des Verlegers waren, wie dann durch Beethovens Brief vom 15. Dezember an Hofmeister bestätigt wird. Die ersten drei erschienen dann im Sommer 1801 und wurden von Nägeli in Zürich bereits im Juli zum Verkauf angeboten; sie wurden auch in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 26. August erwähnt und in Spaziers Zeitung für die elegante Welt. Im Oktober des selben Jahres seien dann die letzten drei erschienen, und Mollo kündigte diese in der Wiener Zeitung vom 28. Oktober an. Die Quartette sind Fürst Lobkowitz gewidmet.)

Thayer bietet in Bezug auf den Inhalt dieser Quartette zwei interessante Hinweise, mit denen wir unsere entstehungsgeschichtliche Betrachtung beenden wollen:

"After Beethoven had composed his well-known String Quartet in F major he played for his friend [Amenda] [on the pianoforte?] the glorious Adagio [D minor, 9/8 time] and asked him what thought had been awakened by it. "It pictured for me the parting of two lovers," was the answer. "Good!" remarked Beethoven, "I thought of the scene in the burial vault in Romeo and Juliet" (Thayer: 261; Thayer schildert hier eine von Karl Friedrich Amenda in Wiedemanns Musikalischen Effectmitteln und Tonmalei wiedergegebene Anekdote, nach der Beethoven ihm das berühmte Adagio aus dem F-Dur-Quartett vorgespielt haben soll und ihn gefragt haben soll, welche Gedanken es in ihm erweckt habe, worauf Amenda antwortete, "der Abschied zweier Liebender". "Gut!", habe Beethoven ihm geantwortet, "Ich dachte dabei an die Szene in der Gruft aus Romeo und Julia.")

"During a walk I mentioned to Beethoven two pure fifth progressions which sound striking and beautiful in his C minor Quartet (Op. 18). He did not know them and denied that they were fifths. It being his habit always to carry ruled paper with him, I asked him for a sheet and wrote down the passage in all four voices; seeing that I was right he said: 'Well, and who has forbidden them?' Not knowing how to take the question, I had him repeat it several times until I finally answered in amazement: 'But they are first principles!' The question was repeated again, whereupon I answered: 'Marpurg, Kirnberger, Fux, etc., etc. all theoreticians!'--'And I allow them thus!' was his answer" (Thayer: 367; Thayer zitiert hier Ferdinand Ries aus seinem Teil der Biographischen Notizen auf Seite 87, in dem Ries einen Spaziergang mit Beethoven schildert, bei dem er Beethoven auf zwei reine Fünftel-Fortschreitungen in seinem c-Moll-Quartett, op. 18, hinwies, die sehr eindrucksvoll und schön klangen. Er konnte sich nicht an sie erinnern und verneinte, dass es Fünftel waren. Da er immer Notenpapier bei sich trug, bat ich ihn um ein Blatt und schrieb die Passage für ihn in allen vier Stimmen auf; als er sah, dass ich Recht hatte, sagte er, 'Nun, wer hat sie verboten?'. Da ich nicht wusste, wie ich diese Frage verstehen sollte, bat ich ihn mehrmals, sie zu wiederholen und antwortete endlich erstaunt, 'Aber sie sind doch erste Prinzipien!' Die Frage wurde wiederholt, worauf ich antwortete: 'Marpurg, Kirnberger, Fux, usw., usw., alle Theoretiker!'--'Und ich erlaube sie so! war seine Antwort.)

Was sollen wir diesem Spektrum der Möglichkeiten, die in diesen Quartetten liegen, hier noch hinzufügen, das Sie sich nicht selbst aus einer Betrachtung der Lebensumstände Beethovens zu dieser Zeit in Verbindung mit aufmerksamem Zuhören erarbeiten, oder durch weitere Expertenkommentare dazu erfahren können?

Anmerkungen:

(1) Mit Ausnahme von Hess 33, dem As-Dur-Menuett in Streichquartettform, das er etwa um 1790 komponiert hatte, und zwar auch in Klavierfassung, was aber wohl nicht als klassiches Streichquartett im eigentlichen Sinne gesehen werden mag.

(2) Interessanterweise zog Josephine von Brunsvik nach ihrer Eheschließung mit Graf Joseph von Deym, aus ihrem ungarischen Heimatgut Martonvasar kommend, nur wenige Tage später, am 29. Juni 17999, in einem Flügel des aus 38 Zimmer bestehenden Wiener Kunstmuseums ein.  [Während ihres Wien-Aufenthalts im Mai 1799 lernten die beiden jungen ungarischen Comtessen Therese und Josephine von Beethoven kennen, und zumindest Therese, aber vielleicht auch Josephine, erhielten für 16 Tage täglich Klavierunterricht von ihm.]

(3) Thayer lässt die Aufzeichnungen der Familie Amenda das Kennenlernen der beiden Freunde beschreiben:  "After the completion of his theological studies K.F. Amenda goes to Vienna, where he several times meets Beethoven at the table d'hote, attempts to enter into conversation with im, but without success, since Beeth. remains very reserve.  After some time Amenda, who meanwhile had become music-teacher at the home of Mozart's widow, receives an invitation from a friendly family and there plays first violin in a quartet.  While he was playing somebody turned the pages for him, and when he turned about at the finish he was frightened to see Beethoven, who had taken the trouble to do this and now withdrew with a bow.  The next day the extremely amiable host at the evening party appeared and cried out:  "What have you done?  You have captured Beethoven's hart!  B. requests that you rejoice him with your company."  A., much pleased, hurries to B., who at once asks him to play with him.  This is done and when, after several hours, A. takes his leave, B. accompanies him to his quarters, where there was music again.  As B. finally prepared to go he said to A.:  "I suppose you can accompany me."  This is done, and B. kept A. till evening and went with him to his home late at night.  From that time the mutual visits became more and more numerous and the two took walks together, so that the people in the streets when they saw only one of them in the street at once called out:  "Where is the other one?"  . . .  B. complained that he could not get along on the violin.  Asked by A. to try it, nevertheless, he played so fearfully that A. had to call out:  "Have mercy--quit!"  B. quit playing and the two laughed till they had to hold their sides.  ..." (Thayer: 223-224;  [Nach Beendigung seines Theologiestudiums geht Amenda nach Wien, wo er Beethoven mehrere Male in Gesellschaft trifft und versucht, ein Gespräch mit ihm zu beginnen, aber ohne Erfolg, da Beethoven sehr reserviert bleibt.  Nach einiger Zeit erhält Amenda, der inzwischen als Musiklehrer der Kinder im Haus der Witwe Mozart eine Anstellung gefunden hatte, eine Einladung von einer freundlichen Familie und spielt dort die erste Violine in einem Quartett.  Während er spielte, wendete jemand für ihn die Noten um, und als er sich zum Schluss umdrehte, erschrak er, da Beethoven es war, der sich die Mühe gemacht hatte und sich nun mit einer Verbeugung entfernte.  Am nächsten Tag rief der sehr freundliche Gastgeber Amenda gegenüber aus:  "Was haben Sie angestellt?  Sie haben Beethovens Herz erobert!  B. bittet Sie darum, ihm Gesellschaft zu leisten."  A., sehr erfreut, eilt zu B., der ihn sofort bittet, mit ihm zu spielen.  Als sie nach einigen Stunden damit aufhören und A. sich verabschiedet, begleitet ihn B. in seine Wohnung, wo wieder musiziert wird.  Als B. dort endlich aufbricht, sagt er zu A.:  "Ich denke, Sie können mich begleiten!" Gesagt, getan, und Beethoven behielt A. bis zum Abend bei sich und begleitete ihn spät nachts wieder nachhause.  Seit dieser Zeit häuften sich die Besuche der beiden, und sie unternahmen auch Spaziergänge miteinander, so dass die Leute auf der Straße, wenn sie nur einen von ihnen sahen, gleich fragten:  "Wo ist der andere?"  . . .  B. klagte (einmal), dass er sehr schlecht auf der Violine spiele.  Als A. ihn bat, ihm vorzuspsielen, spielte B. so schauerlich, dass A. ausrief:  "Hab ein Einsehen, hör' auf!"  B. hörte zu spielen auf, und die zwei lachten solange, bis sie beide Seitenstechen hatten. . . .] )

(4) In seiner Diskussion der zeitlichen Reihenfolge der Entstehung dieser sechs Streichquartette greift Thayer zunächst auf Nottebohm und der Skizzen der sich in Wien befindlichen Petter-Sammlung zurück, die unter anderem aus dem letzten Satz des G-Dur- Streichquartetts, Nr. 2 (von welchen er eine später verworfen haben soll), denen des letzten Satzes des B-Dur-Quartetts Nr. 6 und sowohl des dritten und des letzten Satzes des F-Dur-Quartetts, Nr. 2 enthalten sollen und stellt dazu fest, dass von diesen die Skizzen zu op. 18, Nr. 1, am weitesten entwickelt gewesen seien und dass diese in einem engen Zusammenhang zu denen der B-Dur-Sonate op. 22 und den G-Dur-Varationen, die Beethoven begonnen habe, während er am letzten Satz von op. 18, Nr. 2 gearbeitet habe.  Thayers Angaben zufolge soll Beethoven zu gleicher Zeit am ersten Satz von op. 22 und am Scherzo des ersten Quartetts gearbeitet haben, und während er am letzten Satz des B-Dur-Quartetts arbeitete, habe er das Rondo der bereits erwähnten Sonate begonnen, und alle diese Skizzen seien in den Jahren 1799 und 1800 entstanden.  Thayer stellt weiter fest, dass diese jedoch noch vor Beethovens schnellem Arbeiten an der Horn-Sonate, die am 18. April 1800 zum erstenmal aufgeführt wurde, beendet worden sein müssten.  Thayer weist dann darauf hin, dass eine der Variationen zum A-Dur-Quartett (Nr. 5) bereits viel früher, nämlich 1794 oder 1795 entstand, und dass eine kleine Skizze für den ersten Satz des F-Dur-Quartetts (Nr. 1) neben Skizzen zur Violinsonate, op. 24, gefunden wurden, welche zweifelsohne zur revidierten Version dieses Werks gehört.  Darauf kommt Thayer auf das sogenannte Grasnik-Skizzenbuch (vormals im Besitz Grasnicks in Berlin) zu sprechen, das Skizzen zum D-Dur-Quartett enthalte, und zwar in dessen beinahe endgültiger Fassung mit Ausnahme eines anderen Themas für den letzten Satz, gefolgt von einem Anfang in G-Dur, der als "Quartett Nr. 2" bezeichnet sei, was wohl den Keim eines Themas für ein zweites Quartett darstelle.  Darauf folgen laut Thayer in diesem Skizzenbuch andere Werke wie "Der Kuss", Skizzen für das "Opferlied", für das G-Dur-Rondo, op. 51, Nr. 2, für eine Passage aus Schillers "Ode an die Freude", für Gellerts "Meine Lebenszeit verstreicht", für ein Klavierintermezzo, für die revidierte Version des B-Dur-Klavierkonzerts (das er 1798 in Prag spielte) und für verschiedene andere Lieder.  Aus diesem Grund, argumentiert Thayer, seien diese Skizzen im Jahr 1798 anzusiedeln.  Diesen Skizzen folgen laut Thayer jene für die Variationen auf "La stessa, la stessissima", die Anfang 1799 entstanden und verlegt wurden, gefolgt von Skizzen für die ersten zwei Sätze des F-Dur-Quartetts, Nr. 1, wovon die des ersten Satzes bereits sehr weit entwickelt seien und die des zweiten Satzes weniger.  Einige Skizzen für ein "drittes", noch nicht existierendes Quartett, die als solche markiert seien,  zeigten, dass zu dieser Zeit noch kein drittes Quartett fertiggestellt war.  Demnach sei das F-Dur-Quartett das zweite Quartett und war 1799 geplant.  Ein anderes Skizzenbuch enthält laut Thayer die Fortsetzung der Skizzen für das F-Dur-Quartett, nämlich für alle Sätze, gefolgt von einem nicht ausgewerteten Entwurf für ein "drittes" Quartett (auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegend), dann zwei Goethe-Lieder (eines davon "Ich denke dein"), gefolgt von Skizzen zu den Sätzen des G-Dur-Quartetts (Nr. 2), was anzeigt, dass dieses Quartett als drittes geschrieben wurde, von dem jedoch das Intermezzo im zweiten Satz später entstanden sei), ferner Entwürfe zum A-Dur-Quartett (Nr. 5), das als viertes Quartett entstand.  Unter diesen Entwürfen befinden sich laut Thayer auch jene für das Septet und die Variationen auf "Kind, willst du ruhig schlafen?", die im Dezember 1799 erschienen, und daher früher entstanden sein muss.  Diese Skizzen gehen laut Thayer auf die Jahre 1798 und 1799 zurück; die Quartette waren jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt.   In einem nicht verwendeten Entwurf zum Adagio des F-Dur-Quartetts habe Beethoven die Worte "les derniers soupirs" hinzugesetzt, was durch Amenda bestätigt wird [wir werden darauf im Haupttext noch zu sprechen kommen].  Die Fortsetzung des G-Dur-Quartetts ist laut Thayer im Jahr 1800 anzusiedeln, während bis zur Erstellung dieser Standardbiografie noch keine Skizzen zum c-moll-Quartett gefunden worden seien. (Thayer: 262-263).

(5) "--Die Instrumente von Fürst L. wünsche ich, daß sie doch mögen aufbewahrt werden von einem von Euch, doch entstehe deswegen kein Streit unter Euch; sobald sie Euch aber zu etwas Nützlichem dienen können, so verkauft sie nur; wie froh bin ich, wenn ich auch noch unter meinem Grabe Euch nützen kann. . . . " (Schmidt, Beethoven=Briefe: 34).

Quellen:

Beethoven=Briefe.  Ausgewählt und herausgegeben von Dr. Leopold Schmidt.  Berlin 1922.  Volksverband der Bücherfreunde.  Wegweiser-Verlag G.m.b.H.

HUFNER, Martin. Ludwig van Beethoven. Streichquartette op. 18.  Huflaikhan Die Welt der Gegenwartskulturen, 1997.  {Zuletzt aktualisiert: 20.08.99], {Zitiert:  15. September 2000].S. 1 - 4.  Erhältlich aus dem Internet: "http://www.nmz.de/huflaikhan/musik/beeth18.htm".

Thayer's Life of Beethoven.  Resided and Edited by Elliot Forbes.  Volume I.  Princeton, New Jersey.  Princeton University Press.  1967.  Paperback Edition.