Beethovens
Sonate für Pianoforte und Violoncello, Op. 69




Ludwig van Beethoven um 1808

Zeichnung von Ludwig Schnorr von Carolsfeld




Das Werk, dessen Entstehung wir hier eingehender verfolgen wollen, kann auch wiederum eine Entstehungs- und Aufführungszeitspanne zu Beethovens Lebzeiten von etwa einem Jahrzehnt für sich in Anspruch nehmen. Zum Jahr 1806, dem bereits in der Einleitungsseite erwähnten Jahr der ersten Spuren dieses Werks und zu Beethovens Schaffen dieses Jahres konnten wir hier in verschiedener Hinsicht bereits feststellen, dass sich darunter sehr viele eher lyrische als heroische Kompositionen befinden, wie zum Beispiel das Violinkonzert und das Vierte Klavierkonzert, während wir in unseren Biographischen Seiten auch vermerkten, dass sich Beethoven im Sommer dieses Jahres bei seinem Aufenthalt in Troppau mit Fürst Lichnowsky überwarf und sich von dieser Zeit an in Wien sehr wahrscheinlich ohne seine Jahreszuwendung von 600 Gulden vonseiten dieses Gönners durchzuschlagen hatte.

Intensiver scheint sich Beethoven dann 1807 mit dem Werk befasst zu haben (Thayer: 450), während sich weitere abschliessende Skizzen dazu 1808 fanden, (Thayer: 434- 435), der sich wiederum auf Nottebohm beruft, der ein Skizzenbuch beschrieben haben soll, das er auf 1808 datierte und in dem Skizzen zur Fünfte Symphonie, zum Violinkonzert, op. 61, zum Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello, op. 70 (Gräfin Erdödy gewidmet) und eben auch zur Sonate für Pianoforte und Violoncello, op. 69 zu finden seien. Thayer stellt ferner auch fest, dass Beethoven dieses Werk noch im Jahr 1808 fertigstellte.

Auf diese für Beethovens Existenzsicherung sehr wichtige Zeit kamen wir hier bereits mehrere Male zu sprechen, nämlich hauptsächlich in unseren Biographischen Seiten  und in der Entstehungsgeschichte der Ode an die Freude, aber auch in der der Klavierkonzerte. Das eigentliche Entstehungsjahr dieses Werks, das Jahr 1808, sah im Herbst Beethovens Umzug in die Krügergasse, wo er im selben Haus wie Gräfin Erdödy Wohnung nahm. Hierzu einige sehr bezeichnende Worte aus Beethovens Brief vom 1. November 1808 an den Grafen Franz von Oppersdorf:

"Bester Graf!

Sie werden mich in einem falschen Lichte betrachten, aber Not zwang mich, die Sinfonie, die für Sie geschrieben, und noch eine andere dazu an jemand anderen zu veräußern. Sein Sie aber versichert, daß Sie diejenige, welche für Sie bestimmt ist, bald erhalten werden. -- Ich hoffe, Sie werden immer wohl gewesen sein, wie auch Ihre Frau Gemahlin, der ich bitte mich bestens zu empfehlen. -- Ich wohne gerade unter dem Fürsten Lichnowsky, im Falle Sie einmal mir in Wien die Ehre Ihres Besuches [machen]; bei der Gräfin Erdödy. Meine Umstände bessern sich -- ohne Leute dazu nötig zu haben, welche ihre Freunde mit Flegeln traktieren wollen. -- Auch bin ich als Kapellmeister zum König von Westfalen berufen, und es könnte wohl sein, daß ich diesem Rufe folge.

Leben Sie wohl und denken Sie zuweilen an

Ihren ergebensten Freund

Beethoven" (Schmidt, Beethoven=Briefe: 58).

Hier kann einfefügt werden, dass am 1. Juni 1808 der Violoncellist Linke aus Breslau (ein junger Mann von 25 Jahren, leicht gehbehindert und ein Waise) in Wien eintraf und sich dem Schuppanzig-Quartett anschloss und dass Beethoven Op. 69 Breitkopf und Härtel in seinem Schreiben vom 8. Juni 1808 anbot.  Den weiteren Verlauf des Ereignisse der Jahreswende 1808/1809 kennen wir bereits aus den obengenannten Quellen.

Der im März 1809 zustandegekommene Vertrag, der Beethoven ein Jahreseinkommen von 4.000 Gulden versprach und an dessen Zustandekommen sowohl Gräfin Erdödy als auch Ignaz von Gleichenstein als Vermittler beteiligt waren, veranlasste Beethoven wohl, dieses Werk Gleichenstein zu widmen. Sein Brief vom März dieses Jahres an Gleichenstein drückt seine Erleichterung darüber aus, dass er in Wien bleiben konnte:


 



Baron Ignaz von Gleichenstein

"Du siehst, mein lieber guter Gleichenstein, aus Beigefügtem, wie ehrenvoll nun mein Hierbleiben für mich geworden -- der Titel als Kaiserl. Kapellmeister kömmt auch nach -- etc. -- Schreibe mir nun sobald als möglich, ob Du glaubst, daß ich bei den jetzigen kriegerischen Umständen reisen soll, -- und ob Du noch fest gesonnen bist mitzureisen. Mehrere raten mir davon ab, doch werde ich Dir hierin ganz folgen; daß Du mir und ich Dir eine Strecke entgegenreise -- schreibe geschwind. -- Nun kannst Du mir helfen eine Frau suchen; wenn Du dort in F[reiburg] eine schöne findest, die vielleicht meinen Harmonien einen Seufzer schenkt, doch müßte es keine Elise Bürger sein, so knüpf' im voraus an. -- Schön muß sie aber sein, nichts nicht Schönes kann ich nicht lieben -- sonst müßte ich mich selbst lieben. Leb' wohl und schreibe bald. Empfehle mich Deinen Eltern, Deinem Bruder. --

Ich umarme Dich von Herzen und bin

Dein treuer Freund

Beethoven" (Schmidt, Beethoven=Briefe: 62 - 63).

Das Werk kam auch in diesem Monat zur Uraufführung, und zwar anläßlich einer Akademie am 5. März zugunsten des Cellisten Nikolaus Kraft, unter dessen Mitwirkung und der von Baronin Dorothea von Ertmann am Klavier.

 



Baronin von Ertmann

In bezug auf das weitere Schicksal der Cellosonate ist zu berichten, dass Beethoven am oberen Rand auf Seite 17 der Materialien zum Generalbass notierte, "Printer's errors in the sonata for pianoforte with obbligato violoncello" (Thayer: 467; er notierte sich hier die Tatsache von Druckfehlern in der wohl zur Veröffentlichung vorbereiteten Cellosonate. Zu datieren sind diese Materialien durch eine andere Notiz Beethovens, "from 101 to 1000 florins a quarter--all residents or parties to rent-contracts without distinction" (Thayer: 467: "von 101 auf 1000 Gulden pro Quartal--alle Bewohner oder Partner von Mietverträgen, ohne Unterschied), was sich auf den Zwangsbeitrag, der am 28. Juni 1809 erhoben wurde, bezieht. Hierzu berichteten wir auch in unserer vor Kurzem entstandenen Entstehungsgeschichte zu den Klavierkonzerten.

Thayers Bericht zufolge soll Beethoven am 26. Juli an Breitkopf und Härtel geschrieben haben, dass er eine Liste der Fehler senden würde. In einem weiteren Schreiben vom 8. August an diesen Verleger erwähnt Beethoven im Nachwort folgendes:

"Von der Violonschell-Sonate wünschte ich noch einige Exemplare zu haben; überhaupt bitte ich Sie, mir immer noch ein halb Dutzend Exemplare zu schicken -- ich verkaufe nie welche -- es gibt unterdessen hier und da arme Musici, denen man so was nicht abschlagen kann -- " (Schmidt: Beethoven=Briefe: 64).

Die Veröffentlichung durch Breitkopf und Härtel ist von Thayer noch im Jahr 1809 vermerkt, und zwar "dediee a Monsieur le Baron de Gleichenstein" (Thayer: 478).

Das weitere Schicksal dieses Werks zu Beethovens Lebzeiten kann noch eine Aufführung im Jahr 1816 verzeichnen und reicht somit chronologisch noch über die Geschichte der Cellosonaten, op. 102, hinaus.

Hierzu sollte berichtet werden, dass Gräfin Erdödy im Herbst 1815 ihr kleines Landgut Jedlesee verkaufte und mit ihrem gesamten persönlichen Haushalt den Raum Wien verliess, einschliesslich des von ihr angestellten Cellisten Linke. Dieser kehrte jedoch noch vor Ende dieses Jahres nach Wien zurück, um mit Schuppanzigh dessen erste Quartettaufführung der Der Wintersaison zu bestreiten. Da er ja wieder in den Dienst von Gräfin Erdödy zurückkehren würde und Schuppanzigh sein Tätigkeitsfeld nach Rußland verlegen würde, standen im Winter 1816 zwei Abschiedskonzerte bevor. Schuppanzighs Konzert fand im Palast von Graf Deym statt, und das Programm bestand ausschliesslich aus Werken von Beethoven: Dem C-Dur-Quartett op. 59 (das Razumowsky-Quartett), Nr. 3, dem Quintett für Bläser und Pianoforte, op. 16, mit Carl Czerny am Klavier, und dem Septett, op. 20. Thayer berichtet, dass Beethoven "'entered at the beginning of the quartet' and shared in the deafening applause of the crowded audience" (Thayer: 640; Beethoven soll Thayers Bericht zufolge zu Anfang des Quartetts erschienen sein und sich den dröhnenden Beifall des zahlreich erschienenen Publikums mit den Musikern geteilt haben). Hierbei, so Thayer, soll Czerny,


 



Carl Czerny


"When once, for instance, I played the Quintet with Wind-Instruments with Schuppanzigh, I permitted myself, in a spirit of youthful carelessness, many changes, in the way of adding difficulties to the music, the use of the higher octave, etc.--Beethoven quite rightly took me severely to task in the presence of Shuppanzigh, Linke and the other players. The next day I received the following letter from him, which I copy carefully from the original draft:

'Dear Czerny!

Today I cannot see you, but tomorrow I will call on you myself to have a talk with you.-- I burst forth so yesterday that I was sorry after it had happened; but you must pardon that in a composer who would have preferred to hear his work exactly as he wrote it, no matter how beautifully you played in general--I shall make amends publicly at the Violoncello Sonata. Be assured that as an artist I have the greatest wishes for your success and will always try to show myself--

Your true friend Beethoven'

This letter did more than anything else to cure me of the desire to make changes in the performance of his works, and I wish that it might have the same influence on all pianists" (Thayer: 640-641; "Als ich zum Beispiel einmal das Quintett für Bläser mit Schuppanzigh spielte, erlaubte ich mir in meinem jugendlichen Übermut viele Änderungen, indem ich Schwierigkeiten einbaute, eine höhere Oktave einsetzte, usw. - Beethoven hielt mich dafür berechtigter Weise im Beisein Schupannzighs und Linkes zur Rechenschaft. Am nächsten Tag erhielt ich von ihm einen Brief, den ich hier sehr genau wiedergebe: 'Lieber Czerny! Heute kann ich Sie nicht sehen, aber morgen werde ich Sie selbst aufsuchen, um mit Ihnen zu sprechen. - Ich entrüstete mich gestern sosehr, dass es mir danach wieder leid tat; aber Sie müssen entschuldigen, daß ein Komponist es vorzieht, seine Werke genau so gespielt zu hören, wie er sie schrieb, egal, wie schön Sie sonst im allgemeinen gespielt haben. - Ich werde dies morgen öffentlich bei der Violoncellosonate wieder in Ordnung bringen. Seien Sie versichert, dass Sie als Künstler meine besten Wünsche für Ihren Erfolg haben und dass ich immer versuchen werde, mich als Ihr wahrer Freund Beethoven zu erweisen.' Dieser Brief bewirkte mehr als alles andere, daß ich davon geheilt wurde, Änderungen an seinen Werken in deren Aufführung durch mich vorzunehmen, und ich wünschte, dass dies auch denselben Einfluss auf alle Pianisten haben möge").

Linkes Konzert fand dann am 18. Februar 1816 in der Halle "Zum Römischen Kaiser" statt, und die gespielten Werke, mit Ausnahme eines Rondolettos für Violoncello von Romberg, waren auch ausschliesslich Werke Beethovens. Stainer von Felsburg übernahm den Cellopart, während Czerny den Klavierpart übernham und Beethoven öffentlich für ihn eintrat und sich wohl für seine Heftigkeit beim Schuppanzigh-Konzert entschuldigte. Nach diesem Konzert zu seinen Ehren kehrte Linke wieder in den Dienst von Gräfin Erdödy zurück.



ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON OP. 102