Beethovens
Fünf Klavierkonzerte



Beethovens Klavierkonzert Nr. 2, op. 19,
2. Satz - Adagio (Midi File)

 



Ludwig van Beethoven

(Gemälde von Willibrod Mähler)




Alle, die diese Beethoven-Website öfters besuchen, konnten feststellen, daß sie verschiedene Entstehungsgeschichten zu Beethovens Werken enthält.


Damit ich mit den Lesern hier auf einer noch lebendigeren Basis kommunizieren kann, werde ich, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet, ein neues Konzept in dieser Hinsicht entwickeln, um solche Seiten hier einzuführen.


In diesem Frühjahr ergab sich für mich eine solche Möglichkeit, als ich am 3. und 4. März 2000 eine Sonderveranstaltung mit dem Titel EXTREME BEETHOVEN in Edmontons Winspear Centre for Music besuchte.  Diese bot eine in ihrer Art einmalige Darbietung ALLER BEETHOVEN'SCHER KLAVIERKONZERTE unter dem Dirigat von Mario Bernardi  und mit der ehemaligen Edmontonerin Angela Cheng am Klavier.  Hatten Sie schon einmal Gelegenheit, eine solche Veranstaltung zu sehen und zu hören?


Was ich hier nun versuchen will, ist, Ihnen davon einen so lebhaften Eindruck wie möglich zu übermitteln.  Dabei werde ich jedoch als Laiin auf Quellen zurückgreifen, die mir in meiner eigenen Beethovenlektüre zur Erarbeitung dieser Seiten zur Verfügung steht und mir selbst auch Gelegenheit geben, mein eigenes Beethovenverständnis weiterzuentwickeln.

Am Freitag, dem 3. März, wurden


die Klavierkonzerte Nr. 2, 3 und 4 geboten,


und am Samstag, dem 4. März

die Klavierkonzerte Nr. 1 und 5.

Während es hier zu weit gehen würde, Ihnen jede Einzelheit dieser Darbietungen zu übermitteln, werde ich versuchen, Ihnen hier einige meiner allgemeinen Eindrücke und einige meiner bleibenden Eindrücke zu vermitteln.


Einleitend sollte ich nicht vergessen darauf hinzuweisen, daß Angela Chengs auswendige Widergabe dieser Werke (ich war so frech, während jeder Pause nach vorne zu gehen und genau nachzusehen, ob sich auf dem Klavier die geringste Spur von Notenheften befand!) einen Grad von Professionalismus und Könnerschaft darstellt, der für sich selbst spricht!

Bevor ich Sie hier auf die Einzelheiten hinweisen will, auf die ich bei diesen Vorstellungen ein besonderes Augenmerk lenkte, lassen Sie mich kurz meinen Eindruck vom Einsatz des zweiten Klavierkonzertes am 3. März beschreiben, das in mir den folgenden Vergleich hervorrief:  In seiem Beethoven-Aufsatz von 1870 spricht Richard Wagner vom Träumer, dessen Erwachen aus einer leichteren Traumphase und dessen erste Äußerungen seiner Meinung nach mit dem Eintreten der Musik aus ihrem eigenen, verborgenen Reich, in die Welt des Hörens verglichen werden kann. Hier die musikwissenschaftliche und wissenschaftliche Validität dieser Auffassung außer Acht lassend, schien mir diese Beschreibung doch einige Vergleichsmöglichkeiten zum ersten tutti des ersten Satzes unter Bernardis Dirigat zu bieten, währenddessen Angela Cheng wie in Trance saß, wohl auf ihren Einsatz wartend, bevor ihre Hände auf die Tasten herabsanken.

Im Hinblick auf die Einzelheiten, auf die ich ein besonderes Augenmerk lenken wollte, kann ich berichten, daß ich, falls ich diese Veranstaltung nicht miterleben hätte können, einen Teilnehmer danach gefragt hätte, ob und wie seiner/ihrer Meinung nach Angela Cheng in der Lage war, diese Konzerte zu interpretieren, aber auch, ob und wie es ihr gelang, Beethovens Stärke in seinen forte-Sätzen und seine unterschiedliche Sanftheit in seinen langsamen Sätzen widerzugeben, was sie dann ja alles vor meinen Augen souverän und einfühlsam zu verwirklichen wußte. 

Besonders in den langsamen Sätzen seiner Klavierkonzerte war Beethoven ja in der Lage, die verschiedensten Gefühlsstadien auszudrücken, und der Charakter dieses Ausdruck mag sich vielleicht auch mit seiner fortschreitenden Entwicklung verändert haben. Da die Erschaffung dieser Konzerte sich über fast zwei Jahrzehnte erstreckt, von den frühen 1790er Jahren mit dem zweiten Klavierkonzert bis zur Vollendung des fünften Klavierkonzerts im Herbst 1809, und da wir aus unseren Biographischen Seiten einen allgemeinen Eindruck seiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung gewinnen konnten, können wir erkennen, zuerst Beethoven und danach seinen Interpreten eine Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten bot.

In bezug darauf, wie Angela Cheng in der Lage war, sich diesen Herausforderungen zu stellen, kann ich nur berichten, daß ich in ihrem Gesicht eine gewisse 'beethoven'sche' Entschlossenheit zu sehen glaubte, die wohl ihr Einfühlungsvermögen widerspiegelte, das ihr ja als Leitfaden zur Verfügung stand und sie dann in den langsamen Sätzen zu einer zwar zarten, aber nicht sentimentalen Widergabe hinführte, während ihre 'beethoven'sche Stärke' in den forte-Sätzen von Beethoven selbst wohl am ehesten mit der seiner Liebingsinterpretinnen Ertmann und Pachler-Koschak verglichen worden wäre!  Auch bemerkte ich, daß ihr Einsatz immer sehr nahtlos erfolgte, sodaß sie mit dem Orchester zu einer vollkommenen Einheit verschmolz.

Während ich mich hier zum Gehalt der Wagner'schen Musik aufgrund der geringen Relevanz nicht äußern sollte, muß ich hier feststellen, daß dieser Vollblutmusiker auch in seinen tendenziösen Schriften wie dem Beethoven-Aufsatz nicht umhin konnte, auch einige allgemeingültige Aussagen anzubringen. Dort vertritt er die Meinung, daß wir, wenn wir von einem Werk sehr bewegt sind, immer weniger auf die Umgebung aufmerksam werden, während uns dabei die Bewegungen der Musiker und des Dirigenten als banal und lächerlich vorkommen müssen. Obwohl auch diese Auffassung nicht voll widerlegt werden kann, hängt dies alles wohl auch sehr von der jeweiligen Stimmung und Einstellung des Zuhörers ab.

Als Zuhörerin, die, um hier einen brauchbaren Bericht zu liefern, auch auf solch banale Dinge zu achten hatte, konnte ich einige diezbezügliche Beoabachtungen machen. Eine davon war, daß Maestro Bernardi ein Grad der Menschlichkeit und des musikalischen Takts bewies, den ich sehr zu schätzen wußte.  Nach dem Ende jedes Satzes wandte er sich um und blickte auf Angela Cheng, aber auch ins Publikum, bevor er den Einsatz zum zweiten Satz gab, und das wohl, um festzustellen, ob die Zuhörer sofort applaudieren wollten oder ihren Applaus für das Ende eines Werks aufheben wollten.  Das Edmontoner Publikum sollte hier auch lobenswert erwähnt werden, da es sich immer für die zweite Möglichkeit entschied..

Während der erste Abend für alle wohl eine vollkommene 'musikalische Überraschung' bot, waren wir wohl ab zweiten Abend bereits 'eingewöhnt', sodaß nur zu hoffen bleibt, daß wir die weitere perfekte Darbietung genauso zu schätzen wußten.  Während ich mir vorstellen kann, daß viele Zuhörer diese 'tour de force' durch die Musikgeschichte genauso wich ich genossen, wird es ihnen vielleicht auch wie mir gehen, daß sie diese Werke danach so oft wie möglich zuhause mit den Interpreten ihrer Wahl genießen werden.

Dieses Ereignis bot mir einen hervorragenden Ausgangspunkt für meine eigene Reise durch diesen Teil der Musikgeschichte, die ich nun hier mit Ihnen gerne teilen möchte!


Zum ersten Teil der Entstehungsgeschichte