Schubert und Beethoven




 



Beethoven im Jahr 1824



Zum Studium der Frage, ob und in welchem Umfang sich Beethoven und Schubert begegnet sein mochten und sich kannten, standen mir vier Quellen zur Verfügung, von der die erste und älteste als reine Originaltextquelle benutzt wurde, ohne jedoch den Tatsachengehalt dieser Originaltexte bestätigen zu können. Es handelt sich hierbei um einen von Hans Rutz zusammengestellten kleinen Schubert- Band mit dem Titel: "Franz Schubert. Dokumente seines Lebens und Schaffens", der 1952 bei C.H. Beck in München erschien. Daraus will ich Ihnen die relevanten zeitgenössischen Berichte präsentieren, bevor wir uns auf eine chronologische Reise durch weitere Quellen begeben:

Dies wird eingeleitet durch den Bericht von Josef Hüttenbrenner aus dem Jahr 1822:

"Die Beethoven gewidmeten Variationen op. 10 trug Schubert im Stich zu Beethoven, der aber nicht zu Hause war. Sowohl Karl Beethoven als Schindler sagten aber wiederholt, daß sie Beethovens Beifall erhielten; denn ein paar Monate hindurch spielte sie Beethoven mit seinem Neffen fast täglich. Ansonsten kam Schubert mit Beethoven nie in Berührung, nur zum ersten und letzten Male an Beethovens Sterbebett mit Anselm, mir und Teltscher, wohin uns Schindler führte . . ." (Rutz: 119).

Zum Bericht Anton Schindlers werden wir nachfolgend mit einigen Kommentaren versorgt werden, jedoch sollten wir uns erst einmal mit dem Text vertraut machen:

"Im Jahre 1822 machte sich Franz Schubert auf, um seine vierhändigen, Beethoven gewidmeten Variationen über ein französisches Lied, op. 10, dem von ihm hochverehrten Meister zu überreichen. Ungeachtet Diabellis Begleitung und Verdolmetschung seiner Gefühle für diesen spielte er doch bei der Vorstellung eine ihm selber mißfällige Rolle. Die bis ans Haus fest gewahrte Courage verließ ihn ganz beim Anblick der Künstler-Majestät. Und als Beethoven den Wunsch geäußert, Schubert möge die Beantwortung seiner Fragen niederschreiben, war die Hand wie gefesselt. Beethoven durchlief das überreichte Exemplar und stieß auf eine harmonische Unrichtigkeit. Mit sanften Worten machte er den jungen Mann darauf aufmerksam, beifügend, das sei keine Todsünde; indessen ist Schubert vielleicht gerade infolge dieser begünstigenden Bemerkung vollends aus aller Fassung gekommen. Erst außer dem Hause raffte er sich wieder zusammen und schalt sich selber derb aus. Das war seine erste und letzte Begegnung mit Beethoven; denn er hatte niemals wieder den Mut, sich ihm vorzustellen . . ." (Rutz: 119 - 120).

Schindler berichtet ferner auch noch über die Ereignisse im Februar 1827:

"Da die Krankheit, der Beethoven . . . erlag, ihm von Anbeginn derselben die gewohnte Geistestätigkeit unmöglich machte, so mußte man an eine Zerstreuung für ihn denken, die seinem Geiste und seiner Neigung entsprach. So kam es auch, daß ich ihm eine Sammlung von Schubertschen Liedern und Gesängen, ungefähr 60 an der Zahl, und darunter viele damals noch als Manuskripte, vorlegte. Dies geschah nicht allein in der Absicht, ihm eine angenehme Unterhaltung zu verschaffen, sondern ihm auch Gelegenheit zu geben, Schubert in seiner Wesenheit kennenzulernen, um eine günstigere Meinung von seinem Talente zu bekommen . . . Der große Meister, der früher nicht fünf Lieder von Schubert kannte, staunte über die Zahl derselben und wollte gar nicht glauben, daß Schubert bis zu jener Zeit deren bereits über 500 geschrieben hatte. Aber staunte er schon über die Zahl, so geriet er in die höchste Verwunderung, als er ihren Inhalt kennenlernte. Mehrere Tage hindurch konnte er sich gar nicht davon trennen und stundenlang verweilte er täglich bei "Iphigienia", "Grenzen der Menschheit", "Allmacht", "Junge Nonne", "Viola", den "Müllerliedern" und anderen mehr. Mit freudiger Begeisterung rief er wiederholt aus: "Wahrlich, in dem Schubert wohnt ein göttlicher Funke!" -- "Hätte ich dies Gedicht gehabt, ich hätte es auch in Musik gesetzt." So bei den meisten Gedichten, deren Stoff, Inhalt und originelle Bearbeitung er nicht genug loben konnte. Ebenso konnte er nicht begreifen, wie Schubert Muße hatte, "sich über so viele Dichtungen zu machen, wovon manche zehn andere enthält", wie er sich ausdrückte...Kurz, die Achtung, die Beethoven für Schuberts Talent bekam, war so groß, daß er nun auch seine Opern und Klavierwerke sehen wollte; allein seine Krankheit nahm bereits in dem Grade zu, daß er diesen Wunsch nicht mehr befriedigen konnte. Doch sprach er noch oft von Schubert und prohezeite: "daß dieser noch viel Aufsehen in der Welt machen werde", so wie er auch bedauerte, ihn nicht früher schon kennengelernt zu haben . . ." (Rutz: 120 - 121).

Lassen Sie uns als zweite Quelle Thayer heranziehen. Im Kapitel zum Jahr 1816 lassen sich die ersten Spuren, die zu Schubert führen, in dieser Weise verfolgen:

"to the few names which this year have appeared in our narrative, there is still to be added one worthy of a paragraph: that of a wealthy young man from Graz . . .--Anselm Hüttenbrenner, who came to Vienna in 1815 to study with Salieri, and formed an intimate friendship with Franz Schubert. His enthusiasm for Beethoven was not abated when the present writer, in 1860, had the good fortune to enjoy a period of familiar intercourse with him, to learn his great and noble qualities of mind and heart, and to hear his reminiscences from his own lips. . . . He relates: 'I learned to know Beethoven through the kindness of Hr. Dr. Joseph Eppinger, Israelite. The first time Beethoven was not at home; his housekeeper opened to us his living-room and study. There everything lay in confusion--scores, shirts, socks, books. The second time he was at home, locked in with two copyists. At the name 'Eppinger' he opened the door and excused himself, having a great deal to do, and asked us to come at another time. But, seeing in my hand a roll of music--overture to Schiller's 'Robbers' and a vocal quartet with pianoforte accompaniment, text by Schiller--he took it, sat himself down to the pianoforte and turned all the leaves carefully. Thereupon he jumped up, pounded me on the right shoulder with all his might, and spoke to me the following words which humiliated me because I cannot yet explain them: 'I am not worthy that you should visit me!' Was it humility? If so it was divine; if it was irony it was pardonable.' And again: 'A few times a week Beethoven came to the publishing house of Steiner & Co. in the forenoon between 11 and 12 o'clock. Nearly every time there was held there a composers' meeting to exchange musical opinions. Schubert frequently took me there. We regaled ourselves with the pithy, often sarcastic remarks of Beethoven particularly when the talk was about Italian music'" (Thayer: 658; Hier erwähnt Thayer zum erstenmal den Namen Anselm Hüttenbrenners, der in die Beethoven-Biographie als Augenzeuge der letzten Lebensmomente Beethovens eingegangen ist. Er berichtet, daß dieser wohlhabende junge Mann aus Graz, ein Amateurmusiker und Komponist, 1815 nach Wien gekommen sei und ein Schüler Salieris und guter Freund Franz Schuberts wurde. 1860 habe er, Thayer, dann selbst Gelegenheit zu einem Gespräch mit Hüttenbrenner gehabt, worauf er dann sofort Hüttenbrenners Erinnerungen direkt zitiert: "Ich lernte Beethoven durch die Güte von Herrn Dr. Joseph Eppinger, einem Israeliten, kennen. Beim erstenmal war Beethoven nicht zuhause; seine Haushälterin öffnete für uns sein Wohnzimmer und sein Studierzimmer. Alles lag darin durcheinander--Notenblätter, Hemden, Socken, Bücher. Beim zweitenmal war er zuhause, mit zwei Kopisten eingeschlossen. Als er den Namen 'Eppinger' hörte, öffnete er die Tür und entschuldigte sich, daß er viel zu tun habe, und bat uns, ein andermal wiederzukommen. Da er jedoch eine Rolle von Notenblättern in meiner Hand sah--eine Ouvertüre zu Schillers 'Räubern' und ein Vokalquartett mit Klavierbegleitung zu einem Text von Schiller, nahm er diese zur Hand, saß am Klavier nieder und wendete alle Bltter mit großer Sorgfalt um. Danach sprang er auf, klopfte mir mit all seiner Kraft auf die rechte Schulter und richtete die folgenden Worte an mich, die mich beschämten, da ich sie heute noch nicht erklären kann: 'Ich bin es nicht wert, daß Sie mich besuchen!' War es Bescheidenheit? Falls ja, dann war sie göttlich; falls es Ironie war, war sie verzeihlich", und wiederum, "Beethoven kam einigemale in der Woche in den Laden des Musikverlags Steiner & Co., am Vormittag zwischen 11 und 12 Uhr. Fast immer wurde dort eine Komponistendiskussion zum Austausch musikalischer Ideen gehalten. Schubert nahm mich oft dorthin mit. Wir ergötzten uns an Beethovens sarkastischen Bemerkungen, besonders wenn das Gespräch auf italienische Musik kam").

Was aus diesem Bericht ersichtlich wird ist, daß der wohlhabende junge Grazer Hüttenbrenner sich sehr wohl zu Beethoven vorwagte, während Schubert ihn zu dieser Zeit nur aus einem respektvollen Abstand beobachtete.

Dieser respektvolle Abstand Schuberts zu Beethoven kann auch weitherhin, wie zum Beispiel in Rochlitz' Bericht, seinen Wienbesuch im Jahr 1822 betreffend, beobachtet werden:

"There must now be recorded some of the facts connected with the visit to Beethoven of Friedrich Rochlitz, distinguished musical literateur and first editor of the Leipzig Allgemeine Musikalische Zeitung. Rochlitz arrived in Vienna on May 24 and remained there till August 2. He wrote two letters to Härtel about his experiences in the Austrian capital, one of June 28 from Vienna and the other of July 9 from Baden. The latter contained his account of his meeting with Beethoven and is reprinted in Vol. IV of his Für Freunde der Tonkunst ((25). He had never seen Beethoven in the flesh and was eager for a meeting. A friend to whom he went (it is very obvious that it was Haslinger( told him that Beethoven was in the country and had grown so shy of human society that a visit to him might prove unavailing; but it was Beethoven's custom to come to Vienna every week and he was then as a rule affable and approachable. He advised Rochlitz to wait, and he did so until the following Saturday. The meeting was a pleasant one and enabled Rochlitz to study Beethoven's appearance and manner; but the interview was suddenly terminated by Beethoven in the midst of the visitor's confession of his own admiration of the enthusiasm which Beethoven's symphonies created in Leipzig. From the beginning Beethoven had listened, smiled and nodded; but after he had curtly excused himself on the score of an engagement and departed abruptly, Rochlitz learned that his auditor had not heard or understood a word of all that he had said. Rochlitz continues:

'Some two weeks later I was about to go to dinner when I met the young composer Franz Schubert, an enthusiastic admirer of Beethoven. The latter had spoken to Schubert concerning me. 'If you wish to see him in a more natural and jovial mood,' said Schubert, 'then go and eat your dinner this very minute at the inn(27) where he has just gone for the same purpose.' He took me with him. Most of the places were taken. Beethoven sat among several acquaintances who were strangers to me. He really seemed to be in good spirits and acknowledged my greeting, but I purposely did not cross over to him. . . . " (Thayer: 800, Schrägstellung von Schuberts Namen durch die Autorin; hier berichtet Thayer zunächst über Friedrich Rochlitz' (dem ersten Redakteur der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung) Besuch in Wien vom 24. Mai bis 2. August 1822 und daß er zwei Briefe dazu an Härtel schrieb, einen von Wien aus am 28. Juni und einen zweiten am 9. Juli von Baden aus.  Im zweiten Brief sei sein Bericht in bezug auf sein Zusammentreffen mit Beethoven enthalten, der später auch im vierten Band seines Werks Für Freunde der Tonkunst veröffentlicht worden sei.  Rochlitz habe Beethoven zuvor noch nie gesehen und sei bemüht gewesen, ein Zusammentreffen mit ihm in die Wege zu leiten.  Ein Freund (offensichtlich Haslinger, so Thayer) habe ihm zu Bedenken gegeben, daß Beethoven den Sommer auf dem Lande verbringe und Besuchern gegenüber eine solche Scheu entwickelt habe, daß ein Besuch dort nicht vielversprechend sei.  Er habe Rochlitz geraten zu warten, bis Beethoven nach Wien käme, was er wöchentlich einmal tue und wobei er sich gewöhnlicherweise zugänglicher zeige.  Ein solches Treffen fand dann am folgenden Sonnabend statt und sei sehr angenehm gewesen, nur habe sich Beethoven mitten im Gespräch abrupt mit der Entschuldigung verabschiedet, daß er anderweitig verlangt werde.  Zuror habe er Rochlitz, der ihm seine und die Bewunderung des Leipziger Publikums für seine Symphonien ausdrückte, höflich und lächelnd zugehört, dann aber den Besuch wie beschrieben abgebrochen.  Danach habe Rochlitz aber erfahren, daß der völlig taube Beethoven kein Wort seiner Ausführungen verstanden habe.  Danach habe Rochlitz wie folgt mit seinem Bericht fortgefahren:  'Etwa zwei Wochen später wollte ich gerade zum Abendessen ausgehen, als ich den jungen Komponisten Franz Schubert traf, einen begeisterten Bewunderer Beethovens.  Der letztere hatte mich ihm gegenüber erwähnt.  'Falls Sie Beethoven in einer natürlicheren und besseren Stimmung erleben wollen,' sagte Schubert, 'dann gehen Sie und essen Sie Ihr Abendessen jetzt in der Wirtschaft, in die er gerade zum selben Zweck gegangen ist.'  Er begleitete mich dorthin.  Die meisten der Plätze waren besetzt.  Beethoven saß inmitte einer Anzahl von mir nicht bekannten Freunden und Bekannten.  Es schien wirklich guter Laune zu sein und erwiderte meinen Gruß, aber ich vermied es absichtlich, zu ihm hinüberzugehen. . . . ").

Hieraus wird zumindest ersichtlich, daß Schubert auch nach 1816 oft Gelegenheit fand, Beethoven zu beobachten. Was daraus jedoch nicht klar ersichtlich wird ist, ob er wirklich in direktem Kontakt zu Beethoven stand.  Dies scheint auch durch den folgende Thayer'schen Kommentar bestätigt zu werden:

"The name of Franz Schubert was introduced in the account by Rochlitz and the impression created is that the younger composer was aware of the master's habits but knew and admired him from afar. In an earlier chapter was given the description by Anselm Hüttenbrenner of the gathering of composers, of whom Schubert was one, between 11 and 12 o'clock a few times a week at Steiner's store in the Paternostergässchen to exchange musical opinions. On April 19, 1822, the firm of Cappi and Diabelli announced their publication of Schubert's variations on a French song for pianoforte, four hands, which was 'dedicated to Herr Ludwig van Beethoven by his Worshipper and Admirer Franz Schubert.'(29) That this work made Beethoven more aware of Schubert as a person and an artist is suggested by the following evidence from Kreissle's biography of Schubert: 'It should be stated, however, that a gentleman still living at Vienna, an intimate and trusted friend of Schubert's [Herr Josef Hüttenbrenner](40) shortly after the presentation of his musical work [the four-hand variations to Beethoven], heard from Schubert's own mouth that he certainly visited Beethoven, but that he was not at home, and that Schubert entrusted his variations to the care of the housemaid, or man-servant, and consequently that at that time he neither saw and still less spoke to Beethoven. Hüttenbrenner remarks further that Schubert subsequently heard with great pleasure of Beethoven's enjoying these variations and playing them frequently and gladly with his nephew Karl'(41)" (Thayer: 805 - 806; Thayer berichtet hier, daß Schuberts Name bereits in einem früheren Kapitel erwähnt wurde, daß Schubert die Gewohnheiten des Meisters kannte, sie aber aus der Ferne beobachtete, und er erwähnt auch noch einmal kurz Anselm Hüttenbrenners Bericht über die mittäglichen Zusammentreffen verschiedener Komponisten bei Steiner & Co. und geht dann darauf ein, daß die Firma Cappi und Diabelli am 19. April 1822 die von Schuberts Variationen zu einem französischen Lied für vierhändiges Klavier veröffentlichte, die "Herrn Ludwig van Beethoven von seinem Verehrer und Bewunderer Franz Schubert" gewidmet waren. Thayer bemerkt danach, daß dieses Werk Beethoven mehr auf Schubert als Mensch und Künstler aufmerksam gemacht hatte, und daß dies durch einen Bericht des Schubertbiografen Kreissle, in dem jener den Bericht Josef Hüttenbrenners, des Schubert-Freundes und Bruders Anselm Hüttenbrenners, bringt, bestätigt werde, der von Schubert erfahren habe, daß jener kurz nach der Veröffentlichung seines Werks Beethoven aufsuchte, der nicht zuhause war, sodaß er sein Werk dem Dienstboten hinterließ. Daraufhin habe er, Schubert, jedoch erfahren, daß Beethoven dieses Werk sehr gerne mit seinem Neffen Karl spielte).

Ein weiterer Hinweis auf Schuberts respektvollen Abstand zu Beethoven liefert Thayers Bericht zu Beethovenereignissen aus dem Jahr 1823, von welchen dieses sich jedoch auf den Herbst 1822 bezieht:

"Louis Schlösser (1800-1886) was a violinist in the Darmstadt court orchestra and in the spring of 1822 he received a leave of several years in which to travel and broaden his knowledge through study with foreign artists. He went first to Vienna and then to Paris before returning to Darmstadt where he eventually became kapellmeister. His 'Personal Reminiscences of Beethoven,' an account written some 50 years later of his stay in Vienna, may be summarized here.(59) For months he was unsuccessful in his attempts to meet Beethoven. Finally on November 4, 1822, at the second performance of Fidelio he got his chance to see him at least from a distance.--He was leaving the theatre with his friend Franz Schubert. 'Together with us, three gentlemen, to whom I paid no further attention because their backs were turned to me, stepped out of a lower corridor; yet I was not a little surprised to see all those who were streaming by toward the lobby crowding to one side, in order to give the three plenty of room. Then Schubert very softly plucked my sleeve, pointing with his finger to the gentleman in the middle, who turned his head at that moment so that the bright light of the lamps fell on it and--I saw, familiar to me from engravings and paintings, the features of the creator of the opera I had just heard, Beethoven himself. My heart beat twice as loudly at that moment; all the things I may have said to Schubert I now no longer recall; but I well remember that I followed the Desired One and his companions (Schindler and Breuning, as I later discovered) like a shadow through crooked alleys and past high, gable-roofed houses, followed him until the darkness hid him from sight" (Thayer: 848; Schrägstellung von Schuberts Namen durch die Autorin; Thayer berichtet hier, daß der junge Violinist Louis Schlösser 1822 vom Darmstadter Hof beurlaubt wurde, um seine Ausbildung als Musiker auf einer mehrjährigen Reise zu vervollkommnen, daß er sich zuerst in Wien und dann in Paris aufhielt, um nach seiner Rückkehr nach Darmstadt dann eventuell Kapellmeister zu werden, und daß man hier nun seine 'Persönlichen Erinnerungen' wiedergeben wolle. Nach diesen soll Schlösser zuerst monatelang erfolglos nach einer Begegnung mit Beethoven gestrebt haben, daß aber am 4. November 1822 ihm sich Gelegenheit bot, Beethoven wenigstens von Ferne zu betrachten. Dies war nach dem Ende der zweiten Aufführung von Fidelio, als er zusammen mit seinem Wiener Freund Franz Schubert das Theater verließ, und daß in der Menge auch eine Gruppe von drei Herren war, denen er zunächst wenig Beachtung schenkte, da sie ihm ihre Rücken zugewandt hatten. Jedoch habe die Menge für diese drei Herren Platz gemacht, und gerade dann, als etwas Licht auf sie fiel, habe Schubert in auch sanft am Ärmel gezupft und ihn auf Beethoven hingewiesen, daß er sich selbst nicht erinnern könne, was er dann zu Schubert gesagt habe, aber der Dreiergruppe (die, wie er später erfahren haben will, aus Beethoven, Schindler und Breuning bestand) solange durch die Stadt gefolgt sei, wie er sie im Abendlicht noch erkennen konnte").

Fast vier Jahre sollten vergehen, bis die Beethovenchronologie Thayers wieder auf Schubert zu sprechen kam, und zwar diesmal im Zusammenhang mit einer aufgezeichneten Konversation von Karl Holz mit Beethoven:

"A remark in a Conversation book of 1826 indicates that Stadler has urged Beethoven to write a mass. Holz says:

If Stadler tells you to write a mass it is certain that something will be done for it. He knows best of anybody which way the wind blows.

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He has Dietrichstein and Eybler in his pocket.

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You are well cared for if Stadler favors it.

The conversations of Holz also provide a fleeting glimpse of Schubert in this year. Holz told Beethoven that he had seen the young composer with some one (perhaps Artaria or Mosel) and that the two were reading a Handel score together.

He [Schubert] was very amiable and thanked me for the pleasure which Mylord's [Schuppanzigh's] Quartets gave him; he was always present.

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He has a great gift for songs.

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Do you know the Erlkönig?

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He spoke very mystically, always" (Thayer: 988 - 989; Hier berichtet Thayer über in einem Konversationsheft aufgezeichnete Gespräche zwischen Holz und Beethoven, von denen sich das erste mit einem Vorschlag Stadlers an Beethoven, eine neue Messe zu schreiben, befasst, in der Holz Beethoven für diesen Plan zu erwärmen versucht. Die zweite Konversation ist hier relevanter, weil sie sich mit einem Bericht von Holz an Beethoven über Schubert befaßt, und so sollte deren Verlauf hier direkt wiedergegeben werden: Holz: 'Er, Schubert, war sehr freundlich und dankte mir für das Vergnügen, das ihm die Quartette von 'Mylord' (Schuppanzigh) bereoteten; er war immer anwesend.' Beethovens Antwort darauf ist nicht aufgezeichnet. Wiederum Holz: 'Er hat ein Talent für Lieder.' Beethovens Antwort darauf ist wiederum nicht festgehalten. Holz: 'Kennen Sie den 'Erlkönig?' Wiederum keine Antwort Beethovens im Konversationsheft. Daraufhin wiederum Holz: 'Er sprach immer sehr geheimnisvoll').

Hier ist es nun nicht zu umgehen, den im letzten Kapitel Thayers enthaltenen Bericht Anton Schindlers zum Thema Schubert und Beethoven wiederzugeben:

"Beethoven's preoccupation with the works of Handel has already been mentioned. He also received great pleasure from the compositions of Schubert with which he became acquainted through Schindler.--In the first edition of his biography Schindler writes:(40) 'And how much Beethoven respected the talent of gifted Franz Schubert, which he really began to know only on his final sick-bed because previously certain people had lacked trust in him and belittled his name! After he had come through me to know the 'Ossian's Gesänge,', 'Die Bürgschaft,' 'Die junge Nonne,' 'Die Grenzen der Menschheit,' etc., he cried out with inner emotion, 'Truly a divine spark dwells in Schubert!'"

Schindler at one time had expressed the opinion that Schubert was a greater song-composer than Beethoven and excited criticism thereby. As a defense of his opinion he wrote an article which was published in the Theaterzeitung (May 3, 1831):

"As the illness to which Beethoven finally succumbed after four months of suffering from the beginning made his ordinary mental activity impossible, a diversion had to be thought of which would fit his mind and inclinations. And so it came about that I placed before him a collection of Schubert's songs, about 60 in number, among them many which were then still in manuscript. This was done not only to provide him with a pleasant entertainment, but also to give him an opportunity to get acquainted with Schubert in his essence in order to get from him a favorable opinion of Schubert's talent, which had been impugned, as had that of others by some of the exalted ones. The great master, who before then had not known five songs of Schubert's, was amazed at their number and refused to believe that up to that time (February, 1827) he had already composed over 500 of them. But if he was astonished at the number he was filled with the highest admiration as soon as he discovered their contents. For several days he could not separate himself from them, and every day he spent hours with Iphigenia's monologue, 'Die Grenzen der Menschheit,' 'Die Allmacht,' 'Die junge Nonne,' 'Viola,' the 'Müllerlieder,' and others. With youous enthusiasm he cried out repeatedly 'Truly, a divine spark dwells in Schubert; if I had had this poem I would have set it to music'; this in the case of the majority of poems whose material contents and original treatment by Schubert he could not praise sufficiently. Nor could he understand how Schubert had time to 'take in hand such long poems, many of which contained ten others,' as he expressed it. . . . What would the master have said had be seen, for instance, the Ossianic songs, 'Die Bürgschaft,' 'Elysium,' 'Der Taucher' and other great ones which have only recently been published? In short, the respect which Beethoven acquired of Schubert's talent was so great that he now wanted so see his operas and pianoforte pieces; but his illness had now become so severe that he could no longer gratify this wish. But he often spoke of Schubert and predicted of him that he 'would make a great sensation in the world,' and often regretted that he had not learned to know him earlier" (Thayer: 1043 - 1044; Thayer weist hier zunächst darauf hin, daß Schindler Beethoven während seiner letzten Krankheit mit den Werken Schuberts näher bekanntmachte, und daß Schindler zunächst in seiner Beethovenbiografie schrieb: 'Und wie sehr Beethoven die Begabung Schuberts respektierte, die er erst auf seinem letzten Krankenbett näher kennenlernte, da vorher viele Menschen wenig Vertrauen in ihn zeigten und ihn verunglimpft hatten! Nachdem er durch mich 'Ossians Gesänge,' 'Die Bürgschaft', 'Die junge Nonne,' 'Die Grenzen der Menschheit' etc. kennenlernte, rief er aus, 'Wahrlich, ein göttlicher Funken wohnt in Schubert!'" Thayer erwähnt danach, daß Schindler auch einmal die Ansicht vertrat, daß Schubert ein größerer Liederkomponist war als Beethoven, wofür er Kritik erntete und worauf er zu seiner Verteidigung einen Artikel schrieb, der in der Theaterzeitung vom 3. Mai 1831 veröffentlicht wurde: 'Als Beethovens Krankheit ihn nach vier Monaten des Leidens endlich niederriß, war ihm seine übliche geistige Aktivität dadurch von Anfang an unmöglich geworden. Daher mußte für eine seinem Geist entsprechende Abwechslung gesorgt werden. So kam es, daß ich ihm eine Sammlung von Schuberts Liedern vorlegte, etwa 60 an der Zahl, von denen viele erst im Manuskript vorlagen. Dies geschah nicht nur, um ihm eine angenehme Unterhaltung zu verschaffen, sondern auch, um ihm Gelegenheit zu geben, mit Schuberts Werken und seiner eigentlichen Natur als Künstler bekanntzuwerden, um von ihm eine vorteilhafte Beurteilung von Schuberts Begabung zu erhalten, welches bis dahin, wie das über andere, von einigen Hochgestellten, angezweifelt worden war. Der große Meister, der zuvor kaum fünf Lieder Schuberts kannte, war erstaunt über deren große Zahl und wollte nicht glauben, daß es bis dahin (im Februar 1827) bereits 500 von ihnen gab. Wenn er aber bereits über die Anzahl erstaunt war, wurde er von der höchsten Bewunderung erfüllt, sobald er deren Inhalt kennengelernt hatte. Für einige Tage konnte er sich von ihnen nicht trennen und verbrachte jeden Tag mit Iphigeniens Monolog, mit den 'Grenzen der Menschheit,'Die Allmacht,' 'Die junge Nonne,' 'Viola,', den 'Müllerliedern' und anderen. Mit freudiger Begeisterung rief er wiederholt aus: 'Wahrlich, ein göttlicher Funke wohnt in Schubert; falls ich dieses Gedicht gehabt hätte, hätte ich es auch vertont'; dies war bei der Mehrzahl der Gedichte der Fall, deren Inhalt und deren Behandlung durch Schubert er nicht genug loben konnte. Auch konnte er nicht verstehen, wie Schubert Zeit dazu gefunden habe, 'solch lange Gedichte zur Hand zu nehmen, von welchen viele zehn andere enthielten,' wie er sich ausdrückte. . . . Was hätte der Meister gesagt, hätte er zum Beispiel die 'Ossianischen Gesänge,' 'Die Bürgschaft,' 'Elysium', 'Der Taucher' und andere große Lieder gesehen, die erst kürzlich veröffentlicht wurden? Kurzum, der Respekt, den Beethoven vor Schuberts Begabung gewann, war so groß, daß er nun auch seine Opern und Klavierwerke sehen wollte; aber seine Krankheit war nun so weit fortgeschritten, daß er sich diesen Wunsch nicht mehr erfüllen konnte. Er sprach after oft über Schubert und prophezeite, daß er 'in der Welt große Aufmerksamkeit erregen werde,' und bedauerte oft, daß er ihn nicht früher kennengelernt hatte").

Thayer berichtet darauf, daß Anselm Hüttenbrenner in einem Brief vom 21. Februar 1858 an Ferdinand Luib geschrieben hätte: "Beethoven said of Schubert one day: "That man has the divine spark" (Dieser Mensch hat den göttlichen Funken, Thayer: 1044), und in einem anderen Brief an Luib habe jener geschrieben: "But this I know positively, that about eight days before Beethoven's death Prof. Schindler, Schubert and I visited the sick man. Schindler announced us two and asked Beethoven whom he would see first. He said: 'Let Schubert come first!' (Dies weiß ich aber gewiß, daß Prof. Schindler, Schubert und ich ungefähr acht Tage vor Beethovens Tod den kranken Mann besuchten. Schindler kündigte uns zwei an und fragte Beethoven, wen er zuerst sehen wolle. Er sagte: 'Lassen sie Schubert zuerst kommen!--Thayer: 1044).

Als Namen der Fackelträger bei Beethovens Begräbniszug erwähnt Thayer folgende Namen: "On both sides of the coffin came the torchbearers: Anschütz, Bernard, Blahetka, Joseph Böhm, Castelli, Karl Czerny, David, Grillparzer, Konrad Graf, Grünbaum, Haslinger, Hildebrandt, Holz, Kaller, Krall, Lannoy, Linke, Mayseder, Meric, Merk, Mechetti, Meier, Paccini, Priinger, Rodicchi, Raimund, Riotte, Schoberlechner, Schubert, Schickh, Schmiedl, Streicher, Schuppanzigh, Steiner, Weidmann, Wolfmayer, and others, with lily bouquets adorning their shoulders. . . . " (Auf beiden Seiten des Sarges kamen die Fackelträger: Anschütz, Bernard, Blahetka, Joseph Böhm, Castelli, Karl Czerny, David, Grillparzer, Konrad Graf, Grünbaum, Haslinger, Hildebrandt, Holz, Kaller, Krall, Lannoy, Linke, Mayseder, Meric, Merk, Mechetti, Meier, Paccini, Priinger, Rodicchi, Raimund, Riotte, Schoberlechner, Schubert, Schickh, Schmiedl, Streicher, Schuppanzigh, Steiner, Weidmann, Wolfmayer, und andere, mit Lilienbouqets auf ihren Schultern . . . ).

Während wir aus Robert Schumanns Bericht bereits wissen, daß Schubert nicht unweit von Beethoven auf dem Währinger Friedhof begraben wurde, schließen Thayers Hinweise auf Schubert folgendermaßen ab:

"The grave in the cemetery at Währing was marked by a simple pyramid bearing the one word

BEETHOVEN

It fell into neglect, and on October 13th, 1853, the Gesellschaft der Musikfreunde of Vienna caused the body to be exhumed and reburied. On June 21st, 1888, the remains of Beethoven and Schubert were removed to the Central Cemetery in Vienna, where they now repose side by side: (Thayer: 1056; Das Grab im Friedhof in Währing war durch eine einfache Pyramide gekennzeichnet, die nur ein Wort trug: BEETHOVEN. Es wurde vernachlässigt, und am 13. Oktober 1863, so Thayer, exhumierte die Gesellschaft der Musikfreunde die Überreste und grub sie wieder ein. Am 21. Juni 1888 seien dann die Überreste von Beethoven und Schubert von dort entfernt worden und im Zentralfriedhof nebeneinander begraben worden).

Die ausgezeichnete Erörterung dieses Themas durch den Beethoven- und Schubertbiographen George Marek in dessen Schubertbiografie aus den 80er Jahren bestätigt in der Einleitung zum Kapitel "Schubert and Beethoven" zunächst einmal das scheue Beobachten Beethovens durch Schubert aus der Ferne, und zwar anläßlich Schuberts und Louis Schlössers Fidelio-Besuches vom 3. November 1822, auf den Thayer bereits ausführlich einging. Die darauffolgende Beschreibung der ersten wirklichen Begegnung zwischen Schlösser und Beethoven, die auch in Thayer enthalten ist, umrahmt das Gesamtthema eher, als daß sie den Kern der Sache trifft.

Marek bestätigt danach auch Rochlitz' Begegnung mit Schubert im selben Jahr, jedoch in chronologisch umgekehrter Reihenfolge, da dieser Wirtshausbesuch der beiden, bei dem sie Beethoven durch Schuberts Vermittlung aus der Ferne betrachteten, im Frühjahr 1822 stattfand und die Begegnun mit Schlösser im November des selben Jahres.

Hier interessanter ist Mareks Hinweis auf Schindlers Version von Schuberts Bemühungen des Jahres 1822, Beethoven die ihm gewidmeten Variationen, Op. 10 persönlich zu überbringen. Hierzu wird uns noch der Bericht aus Thayer/Forbes in frischer Erinnerung sein, demzufolge Schubert Beethoven nicht zuhause antraf, sein Werk dem Dienstboten übergab und später erfuhr, daß Beethoven die Variationen sehr gerne mit seinem Neffen spielte. Marek beruft sich in seinem Kommentar auf die Krehbiel-Ausgabe Thayers, während wir diesen Bericht Rutz in deutscher Sprache entnahmen und ziemlich am Anfang unserer Seite einführten. Thayer/Forbes Erörterung beruft sich durch sein Kreissle-Zitat auch auf Josef Hüttenbrenners anderslautenden Bericht. Hier nun aber Mareks Zitat aus Thayer/Krehbiel:

" . . . Schindler's story is to the effect that Schubert, accompanied by Diabelli, went to Beethoven and handed him the variations for pianoforte for four hands, which he had dedicated to him; but that Schubert was so overwhelmed at the majestic appearance of Beethoven that his courage oozed away and he was scarcely able to write the answers to the questions which were put to him. At length, when Beethoven pointed out a trifling error in harmony, remarking that it was "not a mortal sin," Schubert lost control of himself completely, regained his composure only after he had left the house, and never again had courage enough to appear in Beethoven's presence. As opposed to this, Heinrich von Kreissle, Schubert's biographer, adduces the testimony of Joseph Hüttenbrenner, a close friend of Schubert's, who had it from the song composer himself that he had gone to Beethoven's house with the variations, but the great man was not at home and the variations were left with the servant. He had neither seen Beethoven nor spoken with him, but learned with delight afterwards that Beethoven had been pleased with the variations and often played them with his nephew Karl" (Marek: 188).

Da diese Texte bereits im deutschen Original hier aus Rutz eingeblendet wurden, erübrigt sich die Übersetzung des eben angeführten Kommentars, wozu nur bemerkt sei, daß in ihm der Schindler'schen Version die Hüttenbrenner'sche Version kritisch gegenübergestellt wird. Marek selbst liefert dazu folgenden Kommentar:

"Almost certainly untrue is Schindler's story of a meeting between Schubert and Beethoven. . . . " (Marek: 188; Beinahe mit Sicherheit, so Marek, könne angenommen werden, daß Schindlers Geschichte eines Treffens zwischen Schubert und Beethoven unwahr ist).

Marek geht dann auch sofort auf Schindlers Bericht zu den Ereignissen aus dem Winter 1827 ein und stößt dabei auf dieselben Ungereimtheiten, die jedem aufmerksamen Leser der hier bereits eingeschobenen Zitate aufgefallen sein wird.

Dabei geht er zunächst auf den hier aus Thayer/Forbes zitierten kurzen Schindler'schen Text aus seiner Beethoven-Biografie ein, in dem Schindler ausdrücklich darauf hinweist, daß er Beethoven mit Schuberts Liedern "Die junge Nonne," "Die Bürgschaft," "Der Taucher," "Elysium," und den "Ossianischen Gesängen" vertraut machte und dieser daran große Freude hatte, obwohl, wie Marek feststellt, "At the time, however, only a small number of Schubert's works had appeared in print" (Marek: 189, worin Marek feststellt, daß zu dieser Zeit nur eine kleine Anzahl von Schuberts Werken im Druck erschienen sei).

Marek zitiert Thayers Stellungnahme dazu folgendermaßen:

"here no date is fixed for the incident and a little suspicion was cast upon the story because of the fact that only "Die junge Nonne" of all the songs mentioned had been published at the time of Beethoven's death. Schindler helped himself measurably out of the dilemma by saying in an article published in the "Theaterzeitung" of May 3, 1831, that many of the songs which he laid before Beethoven were in manuscript. He contradicts his statement made in the biography, however, by saying: "What would the master have said had he seen, for instance, the Ossianic songs, 'Die Bürgschaft,' 'Elysium," 'Der Taucher' and other great ones which have only recently been published?" . . . " (Marek: 189; Die Thayer/Krehbiel- Ausgabe? argumentiert hier, daß dem berichteten Ereignis kein Datum beigefügt war und daß etwas Verdacht auf diese Geschichte fiel, da von allen erwähnten Liedern nur "Die junge Nonne" zur Zeit von Beethovens Tod im Druck erschienen war. Schindler habe sich aber zu helfen gewußt, indem er in einem Artikel in der "Theaterzeitung" vom 3. Mai 1831 sagte, daß viele der Lieder, die er Beethoven vorlegte, noch in Manuskriptform waren. Er widerspricht jedoch dann wieder seiner Erzählung in der Biografie, wenn er schreibt: "Was hätte der Meister gesagt, hätte er zum Beispiel die 'Ossianischen Gesänge,' 'Die Bürgschaft,' 'Elysium,' 'Der Taucher,' und andere große Lieder gesehen, die erst kürzlich veröffentlicht wurden? . . . ").

Es ist sehr beruhigend, festzustellen, daß sowohl Laien als auch Experten auf dieselben offentsichtlichen Ungereimtheiten aufmerksam werden können.

Marek weist danach auch auf das Gespräch von Karl Holz mit Beethoven aus dem Jahr 1826 hin, dessen Inhalt jedoch keine Diskussion entfacht außer den weiteren Hinweis auf Schuppanzigh und Schuberts Bekanntschaft mit ihm.

Marek weist auch darauf hin, daß Anselm Hüttenbrenner [in Thayer/Kehbiel?] davon berichtete, daß:

"--Schindler, Schubert and Hüttenbrenner called on the moribund man. Schindler asked whom Beethoven would want to see first. He answered: "Let Schubert come first." . . . " (Marek: 190, wonach Schindler, Schubert und Hüttenbrenner den Sterbenden aufsuchten und Schindler Beethoven fragte, wen er zuerst sehen wollte und jener geantwortet haen soll: "Lassen Sie Schubert erst kommen" . . .).

Marek bewertet diese Begegnung als "meaningless encounter probably lasting only a few minutes, beside a sickbed" (Marek: 190; eben als bedeutungsloses Treffen von wenigen Minuten an einem Krankenbett).

Da Mareks darauffolgende Diskussion, warum sich die beiden Komponisten nicht besser kannten, einerseits auf seinen persõnlichen Ansichten, andererseits auf sehr allgemeinen Betrachtungen beruht, sollten wir hier vielleicht gleich weiterfahren in Mareks Betrachtungen. Diese schildern als nächstes Ereignis nach Beethovens Tod am 26. März 1827 den Besuch des Schubert-Freundes Franz Hartmann im Schwarzspanierhaus, bei welchem Anlaß er sich Beethovens Leiche ansehen konnte. Da dies hier weniger zum Thema passt, sei nur vermerkt, daß Mareks Absicht hier wohl war, damit Lesern des ausgehenden 20. Jahrhunderts das ganz anders geartete Verhältnis der Menschen des frühen 19. Jahrhundertz zum Tod und zu den Toten vor Augen zu halten.

Am Abend des Beerdigungstages, der Schubert in der Reihe der Fackelträger sah, hatten Schubert, Hartmann, Schwind und Schober das "Burg-Eisenstadt-Cafe" aufgesucht und dort nur von Beethoven gesprochen, daß aber die Geschichte von Schuberts Trinkspruch auf den, der Beethoven folgen sollte, mit größter Wahrscheinlichkeit der Fiktion angehöre.

Mareks Bericht fährt dann mit den weiteren Ereignissen aus Schuberts Leben und Schaffen im Jahr 1827 fort, wie der Komposition des Liederzyklus "Winterreise", die er bereits im Winter begonnen hatte, der Veröffentlichung seiner Valses Nobles op. 77 und der G-Dur- Sonate op. 78 durch Diabelli, beschreibt dann auch die anfängliche Befremdung und spätere Begeisterung seiner Freunde über die "Winterreise," um auf ein weiteres, hier noch nicht zu Sprache gebrachtes angenehmes Ereignis für Schubert im Spätsommer 1827 einzugehen.

Es handelt sich dabei um die Einladung zu einem Aufenthalt in Graz, die ihm Marie (Pachler)-Koschak erteilte, jene Beethovenfreundin aus der zweiten Hälfte der 1810er Jahre, die Schindler irrtümlicherweise als Beethovens "autumnal love" (herbstliche Liebe) bezeichnete, deren wirkliche Freundschaft mit Beethoven von diesem selbst sehr treffend in diesen Zeilen beschrieben wurde:

"I am delighted that you are sparing us another day. We will make a great deal more music. Surely you will play for me the Sonatas in F major and C minor, won't you? I have not yet found anyone who performs my compositions as well as you do, and I am not excluding the great pianists, who often have merely mechanical ability or affectation. You are the true fosterer of my spiritual children" (Marek: 198).

Dazu hier der deutsche Originaltext:

"Ich bin sehr erfreut, daß Sie noch einen Tag zugeben, wir wollen noch viel Musik machen; die Sonaten aus F-Dur und C-Moll spielen Sie mir doch? nicht wahr?

Ich habe noch niemand gefunden, der meine Kompositionen so gut vorträgt als Sie. Die großen Pianisten nicht ausgenommen. Sie haben nur Mechanik oder Affektation. Sie sind die wahre Pflegerin meiner Geisteskinder. --" (Schmidt, Beethoven=Briefe: 122 - 123).

Marek berichtet, daß Johann Baptist Jenger, Sekretär der Grazer (Steirischen) Musikgesellschaft Schubert mehrere Male aufgefortert hatte, Graz zu besuchen, und daß Schubert durch den Verkauf von mehr als 50 Kompositionen zwischen 1825 und 1827 vielleicht genug Geld zur Seite legen konnte, um nun die Reisekosten zu bestreiten. Hier nun Schuberts erster Brief an seine Grazer Gönnerin:

"Vienna, the 12th June 1827

Madam,

Although I cannot imagine in what way I may have deserved so kind an offer as your honour has informed me of by letter sent to Jenger, nor whether I shall ever be able to offer anything in return, I nevertheless cannot forbear to accept an invitation whereby I shall not only set eyes at last on much-vaunted Graz, but have the privilege, moreover, of making your honour's acquaintance.

I remain with all respect

your honour's most devloted Frz. Schubert" (Marek: 198 - 199),

und dazu der deutsche Originaltext:

" . . . owohl ich nicht einsehe, wie ich ein solch freundliches Anerbieten als Eurer Gnaden mir durch das an Jenger gesandte Schreiben bekannt machten, irgend verdiene, noch, ob ich je etwas entgegen zuii bieten im Stande sein werde, so kann ich doch nicht umhin, einer Einladung zususagen, wodurch ich nicht nur das viel gepriesene Graz endlich zu sehen bekomme, sondern überdies Euer Gnaden persönliche Bekanntschaft zu machen die Ehre habe.

Mit aller Hochachtung

Euer Wohlgb.

Ergebenster Frz. Schubert" (Annette Kolb, Franz Schubert: 235).

Nach Mareks Bericht verließen Jenger und Schubert Wien am Sonntag, den 2. September 1827 um 0:30 Uhr nachts mit der Expresskutsche und kamen in Graz am Montag um neun Uhr mogens an.

Hoffmann v. Fallersleben, der sich auch in Graz aufhielt, beschreibt Schubert wie folgt:

"He seemed to me to have quite a healthy, vigorous nature. He spoke Viennese, wore, like everybody in Vienna, fine linen, a clean coat and a shiny hat, and thee was nothing in his face, or in his whole being, that resembled my [conventional picture of] Schubert" (Marek: 200; "Er schien mir eine ziemlich gesunde, lebhafte Natur zu haben. Er sprach Wienerisch, trug, wie jedermann in Wien, feines Leinen, einen sauberen Mantel und einen glänzenden Hut, und es war nichts in seinem Gesicht oder in seiner gesamten Erscheinung, das mein [konventionelles Bild von] Schubert wiederspiegelte").

Marek berichtet, daß die Pachlers und Anselm Hüttenbrenner ein Benefizkonzert für ihn in die Wege leiteten, das am 8. September seh erfolgreich abgehalten wurde, und daß es sogar wiederholt werden mußte. Er fühlte sich nach Mareks Bericht auch sehr wohl im Pachler'schen Familienkreis, in dem durch seine Anwesenheit zusammen wohl viel musiziert wurde, daß Schubert aber in seinem Ferienglück nicht viel komponierte und nur zwei Leider und zwölf kleine Walzer schrieb, die Grazer Walzer op. 91.

Jenger und Schubert traten ihre Heimreise nach Wien am 20. September an. In Wien angekommen, schrieb Schubert den folgenden Dankesbrief an Frau Pachler-Koschak:

"Vienna, September, 1827

Madam,

Already it becomes clear to me that I was only too happy at Graz, and I cannot as yet get accustomed to Vienna. True, it is rather large, gut then it is empty of cordiality, candour, genuine thought, reasonable words, and especially of intelligent deeds. There is so much confused chatter that one hardly knows whether one is on one's head or one's heels, and one rarely or never achieves any inward contentment. 'Tis possible, of course, that the fault is largely my own, since I take a long time to warm up. At Graz I soon recognized an artless and sincere way of being together, and a longer stay would have allowed me to take to it even more readily. Above all, I shall never forget the kindly shelter, where, with its dear hostess and the sturdy "Pachleros," as well as little Faust, I spent the happiest days I have had for a long time. Hoping to be yet able to prove my gratitude in an adequate manner, I remain, with profound respect,

most devotedly yours,

Frz. Schubert" (Marek: 201).

Und hier der deutsche Originaltext:

"Euer Gnaden,

Schon jetzt erfahre ich, daß ich mich in Graz zu wohl befunden habe, und Wien will mir noch nicht recht in den Kopf, 's ist freilich ein wenig groß, dafür ist es leer an Herzlichkeit, Offenheit, and wirklichen Gedanken, an vernünftigen Worten und besonders an geistreichen Taten. Man weiß nicht recht, ist man gescheit oder dumm, so viel wird hier durcheinander geplaudert, und zu einer innigen Fröhlichkeit gelangt man selten oder nie, 's ist zwar möglich, daß ich selbst daran schuld bin mit meiner langsamen Art zu erwarmen. In Graz erkannte ich bald die ungekünstelte und offene Weise mit und nebeneinander zu seyn in die ich bey längerem Aufenthalt sicher noch mehr eingedrungen seyn würde. Besonders werde ich nie die freundliche Herberge mit ihrer lieben Hausfrau, dem kräftigen Pachleros und dem kleinen Faustus vergessen, wo ich seit langer Zeit die vergnügtesten Tage verlebt habe. In der Hoffnung, meinen Dank auf eine würdige Art noch an den Tag legen zu können, verharre ich mit aller Hochachtung

Eur Gnaden Ergebenster

Frz. Schubert" (Kolb: 237 - 238).

Marek erwähnt noch, daß Schubert für den Sohn der Pachlers, Faustus, einen Kindermarsch für seinen Namenstag schrieb, den er am 12. Oktober nach Graz sandte, und schließt mit dem Hinweis darauf, daß Jenger Schubert keine vier Wochen später zum Mittagessen im Haus des Wiener Bankiers Josef von Henrikstein einführte, der bereits als Mozartfreund und Mittelsmann zwischen Beethoven und Fürst Gallitzin in Rußland aktiv am Musikleben teilgenommen hatte und Schubert eventuell hätte nützlich werden können, sodaß, nach Mareks Meinung,

"In more ways than one, there was a connection between the great Ludwig and the great Franz" (Marek: 203; also daß demnach auf mehr als einer Ebene Verbindungen bestanden zwischen Beethoven und Schubert).

Diesem ausgezeichneten Kommentar Mareks zum Thema "Beethoven und Schubert" wollen wir hier zur Abrundung noch einige Hinweise von Elizabeth Norman McKay aus ihrer Schubertbiografie von 1996 folgen lassen:

In bezug auf Schindlers Berichte und deren Verläßlichkeit kommentiert McKay nur kurz folgendermaßen:

" . . . Schindler continued, if with some of his customary unreliable coloring" (McKay: 273; die Autorin berichtet hier, daß Schindler fortfuhr, wenn auch in seiner etwas unzuverlässigen Färbung).

In bezug auf die Frage, ob Schubert Beethoven eine Woche vor seinem Tod aufsuchte, schreibt sie:

"Whether or not Schubert visited Beethoven on his deathbed, as claimed by Schindler (24) and the Hüttenbrenner brothers (25), but denied by Spaun (26) cannot be determined on the evidence available" (McKay: 274; die Autorin ist hier der Auffassung, daß anhand der Bejahung Schindlers und der Gebrüder Hüttenbrenner und der Verneinung durch Spaun nicht eindeutig bestätigt werden kann, ob Schubert Beethoven besuchte oder nicht).

Den folgenden Satz aus Rochlitz' Bericht von 1822,

"The latter had spoken to Schubert concerning me" (Thayer: 800; "Der letztere hatte mit Schubert in bezug auf mich gesprochen"),

interpretiert McKay als:

" . . . that the two composers were to some degree personally acquainted at that time" (McKay: 274; was bedeutet, daß die Autorin darin einen Hinweis auf einen gewissen Kontakt zwischen Beethoven und Schubert sieht).

McKay bestätigt auch Schuberts Teilnahme an Beethovens Beerdigung als Fackelträger, was aufgrund der vielen öffentlichen Dokumente dazu unumgänglich ist.

McKays weitere Beschreibung des Schaffens und alltäglichen Lebens Schuberts in den Jahren 1827 und 1828 enthält keine weiteren zwingenden Hinweise auf eine Verbindung zwischen den beiden Komponisten, sodaß wir hier wohl durch das Einfügen ihrer relevanten Kommentare dem Versuch, möglichst neue Anmerkungen dazu bereitzustellen, in gewisser Weise nachgekommen sind, aber aus der einerseits recht trockenen, sachlichen Erörterung aller Fakten andererseits am besten Mareks fundierte, aber auch sehr inspirierte Einsichten zu diesem Thema als Leitfaden unserer eigenen weiteren Lektüre als den eigentlichen Gewinn dieser Betrachtung erarbeiten konnten.

Ingrid Schwaegermann.

Quellen:

Beethoven=Briefe, Ausgewählt und herausgegeben von Dr. Leopold Schmidt, Berlin: 1922, Volksverband der Bücherfreunde Wegweiser=Verlag G.m.b.H.

Kolb, Annette.  Franz Schubert.  Sein Leben.  Erlenbach-Zürich: 1947.  Eugen Rentsch Verlag.

Marek, George R.,.Schubert.   New York: 1985.  Viking Penguin Inc..

Rutz, Hans, Franz Schubert - Dokumente seines Lebens und Schaffens,  München, 1952: Verlag C.H. Beck.

Thayer's Life of Beethoven, Revised and Edited by Elliot Forbes, Vol. I and II, Princeton, 1967.  Princeton University Press.