BEETHOVENS ZWEITE SYMPHONIE
ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

op. 36, in D-Dur
1800 - 1802 komponiert
Uraufführung: 5. April  1803
im Theater an der Wien
Fürst Karl v. Lichnowsky gewidmet
1804 in Wien erschienen


 



Fürst Karl v. Lichnowsky
 



Inhalt:
Einleitung
Entstehungsgeschichte
Übersicht über den musikalischen Inhalt
Zur Uraufführung
Zur Veröffentlichung
Zum weiteren Schicksal des Werks
zu Beethovens Lebzeiten
Überleitung zur Dritten Symphonie

 

Einleitung

"Im Allgemeinen, schließt Kirby, stelle dies die Symphonie dar, wie sie sich gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts entwickelt hatte, und bot Beethovens symphonischen Ausgangspunkt."  Dieses Ende unserer Übersicht über den musikalischen Inhalt von Beethovens Erster Symphonie bietet auch unseren Ausgangspunkt für unsere Betrachtung der Entwicklung von Beethovens Zweiter Symphonie.

Viele Leser unserer Entstehungsgeschichten werden bald bemerken, dass wir uns hier bemüht haben, Barry Coopers relevante Kommentare aus seiner Beethoven-Biographie des Jahres 2000 in unsere Entstehungsgeschichte der Zweiten Symphonie mit einzugliedern.

Daher sollten wir uns hier mit unseren Lesern vom bisherigen Format dieser bestimmten Entstehungsgeschichte verabschieden und ohne weitere Umschweife Beethovens symphonischen Ausgangspunkt mit Barry Cooper hier unverzüglich weiterverfolgen.

Entstehungsgeschichte

Cooper zufolge soll Beethoven nämlich mit der Komposition dieses Werks sehr bald nach seinem ersten Benefizkonzert vom 2. April 1800 begonnen haben:  

"The start of the nineteenth century saw Beethoven embarking on a new symphony in D major.  He was evidently well pleased with the success of his benefit concert the previous April, and no doubt hoped to repeat the success in the coming April.  His sketchbook for this period (Landsberg 7) reveals that he worked intensively on the first movement at this stage, more or less finishing it in outline, and he also jotted down a few possible ideas for later movements.  Work on the symphony was, however, suddenly set aside in favour of an entirely new project, a ballet entitled Die Geschöpfe des Prometheus (The Creatures of Prometheus).  There must have been some commission, and some guarantee of performance that spring, for Beethoven to set aside his symphony, but details are unfortunately lacking" (Cooper: 98).

-- Cooper ist der Meinung, dass Beethoven mit dem Erfolg seines Benefizkonzerts zufrieden gewesen sein muss und wohl hoffte, im April 1801 ein weiteres zu veranstalten.  Er weist auf Beethovens Skizzenbuch dieser Zeit, Landsberg 7, hin und erläutert, dass dieses seine intensive Arbeit am ersten Satz dieses Werks zeige, dass dieser darin mehr oder weniger fertig skizziert sei, dass das Skizzenbuch aber auch noch einige mögliche Ideen für weitere Sätze dieser Symphonie enthielte.  Beethoven habe jedoch dann seine Arbeit daran unterbrochen, um sich der Komposition des Ballets Die Geschöpfe des Prometheus zu widmen, und das wohl aufgrund eines Auftrags für das Frühjahr 1801.  Einzelheiten dazu seien leider nicht weiter bekannt. --

Ein Blick auf die 'Ballettseite' unserer Auflistung von Beethovens Werken (die auf Grove basiert) bestätigt uns zumindest, dass dieses Ballett am 28. März 1801 im Wiener Burgtheater zur Uraufführung gelangte.

Cooper berichtet weiter, dass das von Beethoven für das Frühjahr 1801 erhoffte Benefizkonzert vom Theaterdirektor gestrichen wurde, und dass dies aus einem Brief an Breitkopf und Härtel vom 22. April hervorgehe.  Zitieren wir doch diesen Brief aus Cooper:

"'My brother would have written to you himself, but he is not in the mod for anything, because the theatre director Baron von Braun, who is clearly an ignorant, rude man, did not allow him the theatre for a benefit concert and gave it over to other, utterly mediocre artists.'16 (Alb.38)" (Cooper: 112-113).

-- "'Mein Bruder hätte selbst an Sie geschrieben, aber ist zu nichts in der Stimmung, weil der Theaterdirektor von Braun, der eindeutig ein ungebildeter, grober Mann ist, ihm das Theater für ein Benefizkonzert nicht überliess und es anderen, äußerst mittelmässigen Künstlern überließ'" --  (Ins Deutsche zurück übertragen).  Was hier klar wird ist, dass Beethovens Bruder diesen Brief schrieb, und zwar handelt es sich hier, wie auch Cooper bestätigt, um Beethovens Bruder Caspar Carl, der von etwa 1802 bis 1806 die Aufgabe des von ihm so notwendig gebrauchten Privatsektretärs übernahm. 

Wie ein roter Faden zieht sich natürlich auch durch die Entstehungsgeschichte dieses Werks Beethovens unterschwelliger Kampf um sein künstlerisches Überleben angesichts seines sich wohl im Sommer 1801 sehr bemerkbar machenden Gehörverlusts.  Hier verweisen wir daher wieder auf den entsprechenden Abschnitt unserer Biographischen Seiten und auf seine Briefe vom Juni 1801 an Amenda und Wegeler und an seinen zweiten Brief vom November 1801 an Wegeler.

Cooper berichtet fener, dass Beethoven im Winter 1801 - 1802 an seiner Zweiten Symphonie weiterarbeitete: 

"During the winter of 1801 - 2 Beethoven resumed work on his Second Symphony, in anticipation of a benefit concert in the forthcoming Holy Week (11 - 17 April).  Most of the sketches for the two middle movements are lost and must have been made on loose leaves, but the finale is fairly fully represented in the Kessler Sketchbook, which was in use from late 1801 to mid-1802" (Cooper: 112).  

-- Cooper berichtet hier, dass Beethoven im Winter 1801 - 2 die Arbeit an seiner Zweiten Symphonie wieder aufnahm, und das wohl im Hinblick auf ein für die Karwoche des Jahres 1801 (vom 11. - 17. April) geplantes Benefizkonzert, dass die meisten Skizzen für die mittleren Sätze verlorengegangen seien und wohl auf losen Blättern notiert worden sein müssen, während der Schlußsatz voll im Kessler-Skizzenbuch, das von 1801 bis etwa 1802 in Gebrauch war, enthalten sei. --

Cooper zufolge soll die Symphonie "more or less" (mehr oder weniger) im Februar 1802 fertiggestellt gewesen sein, mit Ausnahme einiger Verbesserungen und einer Erweiterung der Coda für den Schlußsatz, was Beethoven wohl in den folgenden Monaten bewerkstelligte (Cooper: 112).

Dies deckt sich dann zumindest zeitlich wieder mit Kolodins und Thayers Ausführungen zum Zeitrahmen von Beethovens Arbeit an diesem Werk, wobei wir jedoch Coopers Ausführungen zum Fortschritt des Werks nicht ausser Acht lassen sollten:

"As a product of late 1801, when the second despairing letter to Wegeler was dispatched, and middle 1802, which ended with the blackly despondent Heiligenstadt Testament, the Second Symphony is a perpetual reminder that external miseries are not to be equated with inner humours" (Kolodin: 140). 

-- Hier drückt Kolodin aus, daß die Zweite Symphonie, als Produkt der Jahre 1801 und 1802, als Beethoven von der Verzweiflung über seinen einsetzenden Gehörverlust erfaßt wurde, und wie dies auch in seinem Brief an Wegeler zum Ausdruck kam, und die dann in die Verzweiflung des Heiligenstädter Testaments einmündete, eine ständige Erinnerung daran sein sollte, daß äußere Schwierigkeiten nicht mit jeglicher innerlich vorhandener Einstellung gleichgesetzt werden sollten. --

Auch Thayer schlägt hierzu ähnliche Töne an:

"And yet in that retirement whence came a paper of such profound sadness was wrought out the Symphony in D . . . written in the scenes which gave inspiration to the divine 'Pastorale' of which its serene tranquility seems the precursor" (Thayer: 306).

-- Hier drückt Thayer aus, daß zur Zeit der Entstehung eines solch traurigen Dokuments wie des Heiligenstädter Testatments auch die D-Dur-Symphonie entstand, in derselben Landschaft, die auch der Entstehung der "Pastorale" als Hintergrund diente und für welche die Heiterkeit der Zweiten Symphonie uns fast wie ihre Vorläuferin vorkommen mag. --

Cooper zufolge soll Beethoven nach der Fertigstellung seines Entwurfs zur Zweiten Symphonie sich einigen kleineren Werken zugewendet haben (wie dem italienischen Terzett für Sopran, Tenor, Bass und Orchester, Tremate, empi, tremate, op. 116, und einem Trio).  

Wie sich dies zeitlich gestaltete im Zusammenhang mit seinem Sommeraufenthalt in Heiligenstadt, seiner dortigen Abfassung des sogenannten Heiligenstädter Testaments und seiner Rückkehr nach Wien im Oktober 1802, kann hier nicht festgestellt werden.  Wer sich diese Zeit in Beethovens Leben noch einmal vom biographischen Standpunkt her vor Augen halten will, kann sich hierzu dem entsprechenden Abschnitt in unseren Biographischen Seiten zuwenden. 


 



Ansicht Heiligenstadts zur Zeit Beethovens
 


Übersicht über den musikalischen Inhalt

(aus Kolodins Buch "The Interior Beethoven")

Nach Ihrer möglichen Rückkehr von einer nochmaligen Betrachtung dieser Lebensumstände Beethovens sollten wir uns vielleicht einer Übersicht über den musikalischen Inhalt dieses Werks zuwenden, die wir aus Kolodins Buch "The Interior Beethoven" entnommen haben.   In deutscher Sprache bewerkstelligen wir dies jedoch nicht durch eine unmittelbare Übersetzung, sondern durch eine Inhaltsbeschreibung:

Kolodin ist zunächst der Meinung, daß die D-Dur-Symphonie ausdrücklich ein Werk ist, das wie ein Januskopf in zwei Richtungen blicke: in die Vergangenheit in seiner langsamen Einführung, die jedoch im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin in der ersten Symphonie viel forscher sei in ihrer Ausdruckskraft, und zum anderen, so Kolodin, blicke dieses Werk auch in die Zukunft in seiner breiteren, reichhaltigeren Klangfülle, also nicht mehr nur mit den zwölf dürftigen Takten, die für die erste Symphonie auszureichen schienen, nein, die Einführung der zweiten Symphonie sei ganze dreißig breite Takte lang. Hier konnte Beethoven weit in benachbarte und weiter entfernte Tonarten abschweifen, auf seiner Reise zurück zum Ausgangspunkt. Auf dem Weg konnte er auch seiner Vorliebe für Blasinstrumente frönen, die ihm nicht nur als Gegensatz zur Mehrheit der Streichinstrumente dienten, sondern auch als solider Klangkörper, der bis dahin in einer Symphonie noch nicht zu hören war (Kolodin ist hier der Auffassung, daß Beethoven vielleicht von Mozarts auch langsamer und blasinstrumentreicher Es-Symphonie inspiriert wurde). Zusammen, so Kolodin, erwecken diese Komponenten die Erwartung, die eine Einführung erwecken sollte: Eine Erwartung auf das, was kommt und die Mittel, mit denen die Durchführung dann diesem zuleibe rückt.

Die ersten zwölf Takte des Allegro, so Kolodin, erfüllen dann diese Erwartungen. Nicht mehr geneigt, die Art von Stimmung zu erzeugen, die Mozart so leicht fiel, oder ein Motiv Haydn'scher, sorgfältig geplanter Art zu spinnen, sei Beethoven hier in Richtung dessen motiviert gewesen, was Reti eine Zellenstruktur nennen würde. Dessen Charakteristiken seien in diesem Fall ein rhythmisch-melodischer Zusammenklang in den tiefen Streichern, die von einem wirbelnden Zukunftsgeist in den ersten Violinen beantwortet würde. Bevor dann eine stark kontrastierende Idee eingeführt werde, bereite der 60. Takt ein Pendant zum Vorangegangenen, auch lebhaft, auch angriffslustig, und auch in den "weiteren musikalischen Verhandlungen" zu finden. Mit dem zweiten Sujet stellten sich dann stark markierte Akzente (sfs für sforzando) und Gegenzeiten (mit Betonung auf dem schlechten Taktteil) ein.

Es sei kaum überraschend, so Kolodin, daß bei einer solchen Fülle von Material auch einiges zur Durchführung für später aufgehoben werden muß. An einer Stelle, nämlich dem 120. Takt, liefert der Bass die Stimme für diese Idee:




Während diese auch das vorhergehende dynamische Muster variiere, so Kolodin, setze sie auch eine aufwühlende, kreisförmige Figurierung in Bewegung, die sich allmählich im unterirdischen Gemurmel der Bässe im Finale auflöse (358. Takt):




Im Hinblick auf den oben erwähnten gesamtorchestralen Umfang soll nach Kolodin hier erwähnt werden, daß die Baßlinie viel mehr Beweglichkeit besitze und einen viel aktiveren Anteil im Gesamtklang einnehme und dadurch wesentlich zu seiner Substanz und zu seinem Gewicht beitrage. Gerade in dieser Symphonie läge der musikgeschichtlich bemerkenswerte Scheideweg der damit erreicht wurde, daß die Baß- und Cellobegleitung am tieferen Ende der Tonstruktur, die im 18. Jahrhundert gemeinsam erschienen seien, ihres jeweils eigenen Weges gehen würde (hier weist Kolodin auf ein Beispiel auf Seite 145 seines Werks hin).

Wie anderswo betont, fährt Kolodin fort, sei die sehr fein gezeichnete Linie des Larghetto nicht nur von einer eigenen heiteren Schönheit, sondern auch eine Quelle der Inspiration für zukünftige Anwendungen(2). Wenn dies dann mit der Art von zunehmend persönlicher Verzierung, die in Beethoven mit zunehmendem Alter anwuchs, verbunden werde, würden sowohl die Heiterkeit als auch die Schönheit auf eine noch höhre Ausdrucksebene erhoben werden, die mit der Neunten Symphonie verbunden sei.

Solch ein Gedankengang im langsamen Satz der Zweiten Symphonie wie:




sei nur das Anfangskonzept oder die Saat, aus der die Eloquenz des Adagio Cantabile der Neunten Symphonie erblühen würde (100. Takt):




Man könne auch im Larghetto (beim 185. Takt):




ein anderes stilistisches Element erahnen, das in die phantasiereiche Filigranform reifen und sich vertiefen würde, die dann im Adagio der Neunten eine solch zärtlich-vertraute Kommunikation darstelle wie in:




Der Geist dieses Werks, das zeitlich in zwei Richtungen blicke, so Kolodin, werde durch das Tempo und den Charakter des dritten Satzes noch erhöht. Nun blicke dieses gerade nach vorne, in die Zukunft. Abgelegt sei hier die Bezeichnung "Menuetto", um dahinter ein Scherzo zu verbergen. Dies sei ein Scherzo sowohl dem Namen nach als auch in Wirklichkeit, getränkt mit den S¨ften von Beethovens explosivem Humor, die sich als leicht entzündbare Mixtur erweise. Jeglicher Funke interpretativen Lebens würde diese als Rakete in jene musikalischen Lüfte senden, die uns dann immer als das in Erinnerung bleiben würden, was dem symphonischen Scherzo seinen ersten eigenen Höhenflug erlaubte.

Im Finale, so Kolodin, hole Beethoven noch weiter aus und schreite weiter voran in der symphonischen Entwicklung als in jedem bisherigen Satz. So sei es diesem Finale anheimgefallen, bahnbrechend auf seine weiteren Finales hinzustreben und mag wohl (a) mit einem Impuls, die harmonischen Normen, die in den vorangegangenen Sätzen ausgelotet worden seien, zu variieren und (b) mit einem Verlangen, den Hörern andere harmonische Verbindungen nahezubringen, und (c) einfach mit dem Wunsch, Konventionen zu sprechen, verbunden sein. Unter seinen epochemachenden Formulierungen befinde sich die endgültige Lösung des Kontrabasses aus seiner traditionellen Partnerschaft mit dem Cello und seiner Designation als Instrument mit Eigenfunktion.

Der Impuls zeige sich zuerst im 5. Takt des Allegro molto, wo es Beethoven einfiel, eine Gegenstimme zur Hauptstimme der ersten Violine zu schreiben. Anfänglich sei dies vor allem ein ideales Register Für die Bratschen, aber jenen fehle die Kraft, als selbständige Einheit vom Gehör wahrgenommen zu werden. Die Cellos würden dann zu ihrer Unterstützung herangezogen. Konfrontiert mit der Wahl, die Gegenstimme oder die traditionelle Partnershaft der Bässe und Cellos zu verlassen, zögere Beethoven überhaupt nicht. Sein musikalischer Sinn behaupte sich, und die Cellos erklängen mit vollem Gesang, während die Bässe am unteren Ende der tonalen Struktur angesiedelt werden, um dort so zur Wirkung zu kommen, wie nur sie es können.






Mit dieser Befreiung des Cellos aus seiner Sklavenrolle als Begleiter des Kontrabasses (3), so Kolodin, kultiviere Beethoven dessen Klangfülle wo immer seine lyrische Neigung ihn dazu anrege (Zweite Symphonie, Finale, 210. Takt):




Er ermutige das Cello auch, sich auf einen "Liebesdialog" mit den Bläsern einzulassen. Bald konversierten diese nicht nur in einer Schubert'schen Art, sondern auch mit Schubert'schem Vokabular:








Nach diesem Überblick sind wir vielleicht auch bereit, bei der "Beethoven Connection" von Midi World  Midi-Files der vier Sätze dieser Symphonie anzuhören.

 Zur Uraufführung

Wie wir bereits in unserem Abschnitt zum weiteren Schicksal der Ersten Symphonie Beethovens zu seinen Lebzeiten erwähnten, wurde Beethoven Anfang 1803 vom Theater an der Wien als Hauskomponist engagiert und hatte damit den Vorteil, dieses Theater auch für ein Benefizkonzert zur Verfügung zu haben.  

Da beim Benefizkonzert am 5. April 1803 in diesem Theater auch Beethovens Erste Symphonie nochmals aufgeführt wurde, kamen wir in unserer Entstehungsgeschichte zu diesem Werk bereits auf dieses Konzert zu sprechen.  Wir wissen daher, dass, wie auch Cooper berichtet (Cooper: 124), alle Werke dieses Konzerts Beethovens eigene Werke waren, nämlich die Erste Symphonie, das Dritte Klavierkonzert, sein Oratorium Christus am Ölberg und die Zweite Symponie.  Ausser der Ersten Symphonie erlebten alle anderen Werke ihre Uraufführung an diesem Abend.  Laut Cooper soll Beethoven auch noch die Aufführung weiterer Werke geplant haben, jedoch sei dafür wohl nicht genügend Zeit zur Verfügung gestanden.  

Die Ankündigungen des Konzerts in der Wiener Zeitung vom 26. März und 30. März 1803 bringt Thayer wie folgt:

"N O T I C E

On the 5th (not the 4th) of April, Herr Ludwig van Beethoven will produce a new oratorio set to music by him, Christus am Ölberg, in the R.I. privil. Theater-an-der-Wien. The other pieces to be performed will be announced on the large bill-board" (Thayer: 328). 

-- Die Anzeige kündigt an, daß Beethoven am 5. April ein neues Oratorium aufführen wird und daß die anderen Musikstücke angeschlagen sein werden. --

Cooper berichtet, dass der 5. April für Beethoven wirklich ein sehr langer Tag wurde, and dem ihn sein Schüler Ferdinand Ries seinen eigenen Worten nach bereits um fünf Uhr morgens aufsuchte, ihn im Bett vorfand, wo er jedoch bereits dabei war, die Posaunenpartie für das Oratorium auszuschreiben.  Die Probe soll bereits um acht Uhr morgens begonnen haben.  Diese fand im Haus Fürst Lichnowskys, dem Empfänger der Widmung dieses Werks, statt und soll bis etwa 2.30 nachmittags gedauert haben, als alle Anwesenden erschöpft waren und durch eine von Fürst Lichnowsky bereitgestellte kalte Mahlzeit erfrischt wurde.  Danach sei das Oratorium noch einmal durchprobiert worden, bevor man sich auf den Weg zum um etwa sechs Uhr abends beginnenden Konzert machte.

Thayer berichtet dazu, daß Beethovens Selbstvertrauen zu dieser Zeit sehr stark gewesen sein mußte, da er, wenn man der Allgemeinen Musiklaischen Zeitung und ihrem Bericht Glauben schenken will, "doubled the prices for the first chairs, tripled those of the reserved and demanded 12 ducats (instead of 4 florins) for each box (6)" (Thayer:329), was soviel heißen soll als daß der Komponist die Preise für die vorderen Sitze verdoppelte und 12 Dukaten (anstatt 4 Gulden) für jede Loge verlangte. Die Fußnote (6) verweist auf Beethovens Antwort in einem Brief an Breitkopf & Härtel vom September in dem er diesen Bericht sehr sarkastisch kommentiert, "in which there is so much downright lying about the prices I charged and in which I am so infamously treated" (Thayer: 329) Beethoven gab hierin an, daß der Bericht nicht der Wahrheit entspräche und ihn unfair behandelt habe. Thayer fährt fort zu berichten, daß das Konzert 1800 Gulden einbrachte. Um einen Eindruck des Konzerts zu vermitteln, bei dem auch die Zweite Symphonie zur Uraufführung kam, sollten wir vielleicht einen Blick auf Ignaz von Seyfrieds Erinnerungen werfen:

"In the playing of the concert movements he asked me to turn the pages for him; but-heaven help me!-that was easier said than done. I saw almost nothing but empty leaves; at the most on one page or the other a few Egyptian hieroglyphs wholly unintelligible to me scribbled down to serve as clues for him; for he played nearly all of the solo part from memory, since, as was so often the case, he had not had time to put it all down on paper (8). He gave me a secret glance whenever he was at the end of one of the invisible passages and my scarcely concealable anxiety not to miss the decisive moment amused him greatly and he laughed heartily at the jovial supper which we ate afterwards" (Thayer: 329-330). 

-- Seyrfried berichtet hier, daß Beethoven ihn gebeten hatte, während des Konzerts für ihn die Notenblätter umzuwenden, daß dies aber keine leichte Aufgabe gewesen sei, denn er sah fast nichts als lauter leere Blätter, höchstens hier und da ein paar ägyptische Hieroglypphen, die nicht zu entziffern gewesen seien, die dem Komponisten als Hinweise dienten, da er fast alle Soloteile aus seinem Gedächtnis spielte, da er, wie so oft, nicht mehr genug Zeit gehabt hätte alles zu Papier zu bringen. Er habe Seyfried immer einen heimlichen Blick zugeworfen, wenn es Zeit zum Umdrehen war und amüsierte sich beim nachher stattfindenden Essen noch köstlich über seinen Helfer. --

 



Theater an der Wien
 

Was die Kritik dieser Premiere anbelangt, berichtete die Zeitung für die Elegante Welt, daß

" . . . the first symphony is better than the latter one [in D} because it is developed with a lightness and is less forced, while in the second the striving for the new and surprising is already more apparent. However, it is obvious that both are not lacking in surprising and brilliant passages of beauty. . . ." (Thayer: 330). 

--  Dieser Kritiker kam zu dem Schluß, daß die Erste Symphonie besser sei als die Zweite, da sie leichter sei und weniger gezwungen, während in der Zweiten Symphonie mehr Streben nach dem Neuen und Überraschenden vorhanden wei. Jedoch sei es, so der Kritiker, eindeutig, daß es beiden Werken nicht an überraschend schönen Passagen mangele. --

Zur Veröffentlichung

Hierzu ist anzumerken, dass Thayer (S. 362) das Werk als 1804 im Kunst- und Industrie-Comptoir in Wien erschienen beschreibt, was wiederum durch Cooper (S. 139) bestätigt wird. 

Zum weiteren Schicksal des Werks zu Beethovens Lebzeiten

Coopers Bericht zufolge gelangte die Zweite Symphonie in einem Konzert vom 27. März (wohl zusammen mit dem überarbeiteten Oratorium Christus am Ölberge) 1804, kurz nach der Veröffentlichung des Werks durch das Bureau (das Kunst- und Industrie-Comptoir) zur Aufführung.  

Die Art der Kritik, die darauf besteht, daß jeweils die letzte Symphonie Beethovens besser sei als die neue setzte sich fort mit der weiteren Aufführung des Werks, wie zum Beispiel bei der zweiten Leipziger Vorstellung von 1804, bei der das Werk als zu bizarr, wild und eigenartig beschrieben wurde, und das Finale wurde auch weiterhin kritisiert, wie bei der Berliner Uraufführung vom Herst 1804, und sogar noch 1806. Von einer zweiten Aufführung in Paris im Jahre 1811 hat ein französischer Kritiker folgendes zu berichten:

"Dieser Autor, oft bizarr und barock, lässt doch zeitweise außerordentliche Schönheiten aufblitzen. Bald nimmt er den majestätischen Flug des Adlers, bald kriecht er auf steinigen Fußpfaden. Kaum hat er die Seele mit süßer Melancholie durchdrungen, so zerreißt er sie wieder mit barbarischen Akkorden. Er scheint mir Tauben und Krokodile zugleich in sich einzuschließen" (Aus Hans-Güther Kleins Bericht in der Ausgabe der Deutschen Grammophon der Kompletten Beethoven-Symphonien, S. 12).

Vielleicht sollten wir die Kritiken an diesem Werk mit der Ankündigung der Wiener Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 10. März 1804 abschliessen:

"Keiner Gesellschaft von Musikern und Freunden der Kunst kann es gleichgültig seyn, dass endlich auch eine zweyte Sinfonie von Beethoven so eben erschienen ist. (Gestochen in Wien, im Kunst- und Industrie-Comtoir.) Sie ist ein merkwürdiges, kolossales Werk, von einer Tiefe, Kraft, und Kunstgelehrsamkeit, wie sehr wenige -; von einer Schwierigkeit in Absicht auf Ausführung, sowol durch den Komponisten, als durch ein grosses Orchester, (das sie freylich verlangt), wie ganz gewiss keine von allen jemals bekannt gemachten Sinfonieen.

Sie will, selbst von dem geschicktesten Orchester wieder und immer wieder gespielt seyn, bis sich die bewundernswürdige Summe origineller und zuweilen höchst seltsam gruppirter Ideen enge genug verbindet, abrundet, und nun als grosse Einheit hervorgehet, wie sie dem Geiste des Komponisten vorgeschwebt hat; sie will aber auch wieder und immer wieder gehört seyn, ehe der Zuhörer, selbst der gebildete, im Stande ist, das Einzelne im Ganzen und das Ganze im Einzelnen überall zu verfolgen und mit nöthiger Ruhe in der Begeisterung zu geniessen - zu geschweigen, dass sich auch jeder an so ganz Eigenthümliches, als hier fast alles ist, doch erst ein wenig gewöhnen muss.

Wir sagen das nicht nur Andern, sondern auch uns selbst, und gehen darum jetzt noch eben so wenig in ein bestimmteres Urtheil ein, als wir darüber ein Aufheben machen, dass diese erste Aufführung, zu welcher nur Eine kurze Probe möglich war, nicht ganz gelang. Dies Werk allen Orchestern von Sinn, Geschicklichkeit und ausdauerndem Fleis, und allen Zuhörern, denen Musik mehr ist, als zeitkürzendes Amüsement, zu empfehlen, wird hoffentlich nicht nöthig seyn."

Überleitung zur Dritten Symphonie

Anstatt einer eigentlichen Überleitung zur Entstehungsgeschichte der Dritten Symphonie können wir uns hier vielleicht eine Rezension der Allgemeinen Musikalischen Zeitung in Leipzig vom Oktober 1806 zum Klaviertrio-Arrangement der Zweiten Symphonie ansehen, die auch auf die damalige 'Aufnahmebereitschaft' des Publikums in bezug auf Beethovens neue Symphonien, auch bereits auf die Dritte Symphonie, eingeht: 

"Deuzieme grande Sinfonie de Louis van Beethoven, arrangee en Trio pour Pianof., Viol. et Violonc. par l'Auteur meme.  A Vienne au Bureau des art et d'industrie.

Beethovens mit Recht berühmte Sinfonie aus D., über welche auch in diesen Blättern öfters gründlich gesprochen worden ist, erscheint hier im Auszuge -- wir dürfen wol voraussetzen, für die, die das  s e h r  schwierige Werk nicht vollständig hören, oder unter der Menge künstlich verflochtener Gedanken, vielleicht auch unter dem allzuhäufigen Gebrauch der schreyendsten Indstrumente, es nicht genug verstehen können, oder endlich für die, die sich in der Erinnerung dem Genuss der vollständigen Ausführung wiederholen, und was ihnen dort nicht ganz klar oder vorzüglich lieb geworden, ruhiger überschauen und vernehmen wollen.  Dieser Auszug ist also in vielem Betracht mit Dank anzunehmen, so sehr man -- und im Ganzen gewiss mit vollkommenem Grunde -- gegen das Arrangiren  s o l c h e r  Werke überhaupt seyn mag.  Rec., der die Sinfonie öfters vollständig gehört, aber freylich nicht in Rücksicht auf einen Auszug erwogen hat, hätte kaum geglaubt, dass davon ein so genügender und zugleich für alle drey Instrumente so gut eingerichteter, gegeben werden könne. als hier, den Hauptsachen nach, wirklich gegeben ist.  Man erhält in der That ein nicht unwürdiges und möglichst vollständiges Bild vom Ganzen; bey einzelnen Theilen war dies zu geben aber unmöglich -- so verliert z.B. das schöne Andante sehr vieles, da ihm die meisterhafte Vertheilung in die verschiedenen, da ihm besonders die  E n t g e g e n s e t z u n g der Saiten- und Blasinstrumente fehlt, und mehrere Stellen, wo der Komponist unmittelbar die Reize oder besondere Bahndlungsweise gewisser Instrumente zu schöner Wirkung beabsichtigte, müssen hier ziemlich gleichgültig lassen.  Man vergleiche hierüber z.B. S. 15, Syst. 4. folg., S. 14. die zwey letzten Syst. und die Folge, S. 16. die drey ersten Syst., und wo diese Stellen wiederkommen; ja auch das ganze, originelle Scherzando könnte als Beleg angeführt werden, obschon es auch hier noch immer ein interessantes Stück bleibt.  Der letzte Satz, in seiner tumularischen, wilden Abentehuerlichkeit, konnte nicht so genügend eingerichtet werden; auch ist er, obgleich es auf den ersten Anblick nicht so scheint,  s e h r  schwer zu spielen, so dass man ihn auch in dieser Form nur selten vollkommen ausgeführt hören wird.  Rec. findet ihn auch in dieser Gestalt als bey weitem den geringsten. -- Das Werk ist, seinem innern Werthe gemäss, schön, und auch fast ganz fehlerfrey gestochen.

Es sey aber Rec. erlaubt, hier noch etwas, nicht zunächst hieher Gehörige, anzuhängen.  Beethoven hat schon vor zwey Jahren eine dritte grosse Sinfonie geschrieben, ohngefähr in demselben stil, wie diese zweyte, aber  n o c h  reicher an Ideen und kunstvoller Ausführung, freylich auch noch breiter, tiefer und länger gehalten, so dass sie eine Stunde spielt.  Das ist nur zwar gewiss übertrieben; denn alles muss doch seine Grenzen haben, und wenn das wahre, grosse Genie fordern darf, dass ihm die Kritik diese Grenzen nicht nach Willkür oder Herkommen abstecke, so muss es doch auch  d i e  respektieren, die durch die Fassungs- und Genusses - Fähigkeit -- nicht dieses oder jenes Publikum s, sondern des Menschen überhaupt, ihm angewiesen werden.  Und zwar hat diese Grenzen der Musiker noch mehr, als etwa der Maler oder Dichter -- am allermeisten aber, der Instrumentalkomponist zu berücksichtigen, weil ihm alle Vortheile von Hülfskünsten und Nebenreizen abgehen; auch er nicht, wie der Dichter allenfalls, sagen kann:  so führt meinen -- Wallenstein in seinen eilf Akten in dreyen Taen, oder auch gar nicht auf, sondern leset ihn blos!  Gleichwol ist jenes Werk einmal so geschaffen, und ist gewiss -- (alle Stimmen der Kenner, die Rec. vernommen, sind darin einig, wenn auch nicht die Korrespondenten gewisser Flugblättchen!) es ist gewiss, sag' ich, eins der originellsten, erhabensten und tiefsten Produkte, das diese ganze Gattung der Musik aufzuweisen hat.  Wäre es denn nun nicht eine wahre Schande, wenn es vielleicht aus Mangel an Unterstützung oder Zutrauen eines Verlegers im Dunkel bleiben und der Welt nicht mitgetheilt werden sollte?  Es hat zwar schon seit geraumer Zeit geheissen, es komme in Wien heraus; aber bis jetzt hat man noch nichts davon gesehen.  Rec. wollte durch diese granze Apostrophe nichts, als ein wenig aufstören, rütteln, anregen! -- " (AMZ [Oktober] 1806: 8 - 11).

 


Quellen:

Allgemeine Musikalische Zeitung Leipzig bey Breitkopf und Härtel. Reprint AMSTERDAM. N. Israel - Frits A. M. Knuf. MCMLXIV.

Cooper, Barry. Beethoven. The Master Musicians. New York: 2000. Oxford University Press.

Thayer's Life of Beethoven. Revised and Edited by Elliot Forbes. Princeton, New Jersey: 1967. Princeton University Press.



Zur Entstehungsgeshichte der Dritten Symphonie