Beethovens
Sonaten für Pianoforte und Violoncello, Op. 5/1 und 5/2




 



Ludwig van Beethoven (1800)



Nach seinem erfolgreichen Aufenthalt in Prag, von dem Beethoven bereits in seinem Brief vom 19. Februar 1796 an seinen Bruder Nikolaus Johann viel Erfreuliches zu berichten wusste, setzte er seine erste, grosse Reise dieses Jahres über Dresden nach Leipzig und Berlin fort.

Thayer berichtet dazu, dass Beethoven vermutlich anfang Mai aus Dresden in Leipzig eintraf, sich aber nicht lange dort aufhielt, um bald darauf in Berlin einzutreffen, wo er bis anfang Juli blieb, und zitiert Ferdinand Ries' Bericht aus den Biographischen Notizen, wozu wir diese Stelle hier in unserer Entstehungsgeschichte der Einfachheit halber aus dem Beethovenbuch Stephan Leys gleich in deutscher Sprache wiedergeben:

" . . . In Berlin spielte er einigemale bei Hofe (beim Könige Friedrich Wilhelm II.), wo er auch die zwei Sonaten mit obligatem Violoncello, op. 5, für Duport (ersten Violoncellisten des Königs) und für sich komponierte und spielte. Beim Abschied erhielt er eine goldene Dose mit Louisdors gefüllt. Beethoven erzhlte mit Selbstgefühl, daß es keine gewöhnliche Dose gewesen sei, sondern eine der Art, wie sie den Gesandten wohl gegeben werde" (Ley: 94 - 95).

 



Schnupftabakdose aus der Sammlung Friedrichs des Grossen

Von König Friedrich Wilhelm II. weiß Thayer zu berichten, dass er, seinem Onkel Friedrich dem Grossen nicht unähnlich, ein Förderer und Kenner der Musik war, jedoch mit weit entwickelterem Kunstverstand und dass er als Cellospieler in Quartettaufführungen mitwirkte.

 



König Friedrich Wilhelm II. von Preussen


An der Richtigkeit von Ries' Bericht lässt Thayer in seiner Diskussion keinen Zweifel aufkommen und erklärt ebenfalls 1796 zum Entstehungsjahr dieser Werke:

"There is no reason to question Ries' story that Beethoven composed them for Pierre Duport and played them with him. The dedication to Friedrich Whilhelm II and the character of the works lend credibility to Ries' account of their origin" (Thayer: 196; Thayer führt hier außerdem noch an, dass der Charakter der Werke und ihre Widmung an König Friedrich Wilhelm II. Ries' Bericht bestärken).

 



Der Cellist Pierre Duport


Während über Beethovens Verbleib nach seiner Abreise aus Berlin nach der ersten Juliwoche bis zu seiner Herbstreise nach Pressburg und Pesth nicht viel bekannt wurde, ist diese kurze Reise durch Beethovens Korrespondenz mit dem Klavierbauer Johann Andreas Streicher dokumentiert. Da sich hierzu jedoch keine Verbindung zu diesem Werk ergibt, können wir seine weiteren Spuren nach seiner Rückkehr nach Wien im Spätherbst des Jahres wieder aufnehmen.

Hierzu weiss Thayer zu berichten, dass die ehemaligen Bonner Hofmusiker und Vettern, der Cellist Bernhard Romberg und der Violinvirtuose Andreas Romberg, zusammen mit Karl Kügelgen aus Rom kommend im Spätherbst in Wien eintrafen, dass Kügelgen jedoch umgehend nach Berlin weiterreiste, während die Rombergs für einige Wochen in Wien blieben. Bereits ein Jahr zuvor hatte Baron Braun die Vettern in München gehört und sie gebeten, sich einmal dem Wiener Publikum vorzustellen. Dies gelang ihnen dann wohl nicht zuletzt durch Beethovens Mithilfe. Da leider keine Anzeigen in den Wiener Zeitungen zu ihren Konzerten dieser Zeit zu finden sind, dürfen wir uns glücklich schätzen, dass Beethovens Jugendfreund, Lenz von Breuning, der sich zu dieser Zeit in Wien aufhielt, durch sein Schreiben vom Januar 1797 an Franz Gerhard Wegeler davon Zeugnis ablegte:

 



Der Cellist Bernhard Romberg


"Beethoven is here again; he played in the Romberg concert. He is the same as of old and I am glad that he and the Rombergs still get along with each other. Once he was near a break with them; I interceded and achieved my ends to a fair extent. Moreover, he thinks a great deal of me just now" (Thayer: 190; 'Beethoven ist wieder hier; er spielte im Romberg-Konzert. Er ist der selbe wie immer, und ich bin froh, dass er und die Rombergs so gut miteinander auskommen. Einmal war er drauf und dran, sich mit ihnen zu überwerfen; ich vermittelte und erreichte mein Ziel. Ausserdem hält er zur Zeit grosse Stücke auf mich').

Thayer bestätigt danach auch, dass Beethoven die Cellosonaten anlässlich dieses Konzerts mit Romberg entweder Ende 1796 oder Anfang 1797 spielte (Thayer: 196).

Das Werk wurde vom Wiener Musikverleger Artaria in der Wiener Zeitung vom 8. Februar 1797 angekündigt und erschien noch im selben Frühjahr in diesem Verlag.

Beethoven wäre jedoch nicht Beethoven, liesse sich nicht doch noch Weiteres, nicht Unheiteres zu diesem Werk anmerken: Im Frühjahr 1799 hielt sich laut Thayers Bericht der grösste Kontrabassist der Musikgeschichte, Domenico Dragonetti, in Wien auf und machte auch Beethovens Bekanntschaft. Wie jener später in England Samuel Appleby aus Brighton erzählte,

 



Domenico Dragonetti



"Beethoven had been told that his new friend could execute violoncello music upon his huge instrument, and one morning, when Dragonetti called at his room, he expressed his desire to hear a sonata. The contrabass was sent for, and the Sonata, No. 2, of Op. 5, was selected. Beethoven played his part, with his eyes immediately fixed upon his companion, and, in the finale, where the arpeggios occur, was so delighted and excited that at the close he sprang up and threw his arms around both player and instrument" (Thayer: 208; Applebys Bericht zufolge soll Beethoven erfahren haben, dass sein neuer Freund auf seinem grossen Instrument Violoncellomusik spielen konnte, und eines Morgens, als Dragonetti ihn besuchte, habe er den Wunsch geäussert, eine Sonate zu hören. Der Kontrabass sei schnell herbeigeschafft worden, und die Sonate Nr. 2, Op. 5, wurde gewählt. Beethoven soll den Klavierpart gespielt haben, während er jedoch auch seine Augen nicht von Dragonetti liess, und dass er im Finale, wo die Arpeggios vorkommen, so begeistert war, dass er danach den Spieler und seinen Kontrabass umarmte).

Während Thayer noch darauf hinweist, dass Beethoven aufgrund von Dragonettis Können auf die Möglichkeiten des Kontrabasses aufmerksam wurde und zum grossen Leidwesen der mittelmässigen Orchesterspieler dieses Instruments in seinen nachfolgenden Werken viele schwierige Passagen für dieses Instrument einbaute, können wir uns hier bereits auf eine Fortsetzung von Beethovens Arbeit in dieser Kompositionsgattung freuen, und zwar auf unsere Entstehungsgeschichte der Sonate für Pianoforte und Violoncello, Op. 69.



ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON OP. 69