Beethovens
Sonaten für Pianoforte und Violoncello




 



Ludwig van Beethoven um 1808

Zeichnung von Ludwig Schnorr von Carolsfeld




Wenn wir uns die Gattung der Sonaten für Pianoforte und Violoncello im Gesamtbild der Werke Beethovens betrachten, könnten wir fast zu dem Schluss kommen, dass er jeweils ein Jahrzehnt verstreichen liess, bevor er sich ans nächste Werk dieser Gattung machte: Aus unseren Biographischen Seiten können wir entnehmen, daß Beethoven während seines Aufenthalts in Berlin im Sommer 1796 für den Cellisten des preussischen Königs Friedrich Wilhelm II, Duport, bereits zwei Cellosonaten schrieb, die dort grossen Anklang fanden und 1797 von Artaria in Wien veröffentlicht wurden, während laut Thayer die ersten Skizzen zur dritten Cellosonate, Op. 69, im Jahr 1806 unter denen des Vierten Klavierkonzerts und der Fünften Symphonie zu finden sind, und wiederum fast ein Jahrzehnt später, nämlich 1815, entstanden die zwei letzten Sonaten, Op. 102.

Beethovens Werke werden von vielen Musikwissenschaftlern in drei Stilperioden eingeteilt.  In der englischsprachigen Beethovenliteratur wird darauf als seine erste, klassische Stilperiode bis etwa 1800 - 1802, in der sich Anlehnung an Vorbilder wie Haydn und Mozart und Beethovens Entwicklung seines eigenen Stils vermischen, seine zweite, sogenannte heroische Stilperiode von etwa 1803 bis 1815, in der Beethoven dem laut Solomon nicht überzeugenden heroischen Stil französischer Vorbilder wie Mehul wirkliche Spannung verleiht, und in seine letzte, eher transzendente, vergeistigte Stilperiode von 1815 bis 1827, verwiesen.  Als musikalischen Laien steht es uns ja immerhin frei, uns in bezug auf diese Einteilung durch einschlägige Lektüre genauer zu informieren, aber auch durch direkten Hörgenuss zu erfahren versuchen, ob wir Spuren dieser Unterschiede in Beethovens Werken selbst entdecken können.  Der deutsche Musikkritiker Joachim Kaiser macht es seinen Hörern (besonders in der Sendereihe Kaisers Corner in Bayern 4) und seinem breiten Leserpublikum in seiner Artikelserie Kaisers Klassik in der Bunten schon etwas leichter.  Er liefert ihnen die folgende einfache Faustregel:  Beethovens Werke mit den Opuszahlen 1 bis 20 seien als seine Jugendwerke, diejenigen mit den Opuszahlen 21 bis 100 als die Werke seiner Hauptschaffensperiode, und Werke mit den Opuszahlen 100 bis 135 als seine Spätwerke einzureihen.  Welcher Betrachtungsweise wir auch folgen, für uns wird hier dadurch klar, dass auch Beethovens Cellosonaten jeweils einer dieser Stilperioden angehören:  op. 5/1 und 5/2 der frühen Schaffensperiode, op. 69 der Hauptschaffensperiode, und op. 102 bereits zum Spätwerk. Vielleicht wird uns der jeweilige Unterschied auch klar, wenn wir uns die wichtigsten Tendenzen der jeweiligen mit diesen Stilperioden korrespondierenden Lebensabschnitte Beethovens noch einmal kurz vor Augen halten.

Was charakterisiert Beethovens erste Schaffensperiode?  Wir haben hier bereits mehrfach festgestellt, dass Beethoven in den Jahren 1795 bis 1802/1803 auf der einen Seite versuchte, sich als Klaviervirtuose zu profilieren und daher auch Werke schrieb, die diesem Zweck dienten, dass er jedoch in diesem Zeitraum auch systematisch versuchte, alle Kompositionsgattungen zu meistern und in diesem Prozess von einem urspünglichen Anlehnen an seine Vorbilder Mozart und Haydn zu seinem eigenen Stil fand, während er nur in den Jahren 1796 und 1798 Gelegenheit fand, seine Fähigkeiten ausserhalb Wiens zur Geltung zu bringen.  Dies mag wohl auch teilweise darauf zurückzuführen sein, dass er die ersten Ansätze seines Gehörverlusts von etwa dieser Zeit an zu spüren begann.  Die ersten beiden Cellosonaten op. 5/1 und 5/2 entstanden noch im Aufschwung seiner ersten Reise des Jahres 1796.  Sein verzweifelter Kampf gegen seinen sich stärker bemerkbar machenden Gehörverlust der Jahre 1801 und 1802 lieferte wohl auch den inneren Antrieb zum Stilumbruch zur zweiten, sogenannten heroischen Schaffensperiode, in der er ja, wie er in seinem Brief an Wegeler aus dem Jahr 1801 schrieb, dem Schicksal in den Rachen greifen wollte. Viele Werke der zweiten Schaffensperiode sind von dieser heroischen Kraft geprägt.  Ob seine dritte Cellosonate, op. 69 wirklich zu diesen ausgesprochen heroischen Werken zu rechnen ist, überlasse ich gerne Ihrem Hörurteil!  Ob nicht bereits seine Trauer um den Verlust seiner Unsterblichen Geliebten der Jahreswende 1812/1813 den Übergang von seiner heroischen Stilperiode in eine Phase der Neuorientierungsversuche überleitete, ist zumindest des Nachdenkens wert, besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass der Tod seines Bruders Caspar Carl am 15. November 1815 mit Beethovens beginnender Sorge um seinen Neffen Karl einen solchen Einschnitt in seinen bisherige Lebensgewohnheiten bedeutet, dass viele seiner nach diesem Zeitpunkt geschaffenen Werke eindeutig der dritten Stilperiode zuzurechnen sind, während die auch dieser letzten Stilperiode zugerechneten Cellosonaten op. 102/1 und op. 102/2 noch in der Zeit von Beethovens freundschaftlichem Umgang mit Gräfin Erdödy im Frühjahr und Sommer 1815 entstanden sind.  Beweist dies nicht auch, dass die Einteilung in solche Stilperioden zwar als allgemeine Richtlinie sehr hilfreich ist, aber von uns nicht zu starr ausgelegt werden sollte?

Wir hoffen daher, dass Ihnen die nachfolgenden Entstehunggeschichten der einzelnen Sonaten etwas dabei helfen können, sich im Zusammenhang mit ihren eigenen Hörerfahrungen und weiterer Lektüre Ihr eigenes Bild davon zu machen, wünschen Ihnen aber selbstverständlich auch viel Lesevergnügen, das Sie ja durch einen Spaziergang auf unserer Linkseite noch erweitern können.  Viel Freude dabei!


Sonaten für Pianoforte und Violoncello, Op. 5/1 und 5/2
Lesen Sie alle Einzelheiten, einschliesslich jener über Beethovens weitreichende Schlussfolgerungen!:-)

Sonate für Pianoforte und Violoncello, Op. 69
Hier liegt das umfassende Element wohl eher in der Berichtszeitspanne, aber auch Beethoven wie er leibt und lebt lässt wieder grüssen!

Sonaten für Pianoforte und Violoncello, Op. 102/1 und 102/2
Bereits ein Werk der dritten Stilperiode? Einiges dazu, aber auch über einen Sommer mit guten musikalischen Freunden!

Interessante Cello-Links!
...zu grossen Virtuosen der Vergangenheit und Gegenwart, aber auch zu interessanten Anregungen für Ihr Hörvergügen!